Und zwar hätten einige geflüchtete Nordkoreanerinnen und Nordkoreaner berichtet, dass die südkoreanische Popmusik zu ihrer Enttäuschung über das Regime des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un beigetragen habe, zitierte die US-Zeitung den Präsidenten der Unification Media Group (UMG), Lee Kwang Baek. Anders als die Propagandamusik des Nordens steht K-Pop für die Individualität der Jugend. Mehrere Nordkoreanerinnen nannten K-Pop gegenüber der „Washington Post“ als Faktor für ihr Interesse an der Außenwelt.
Dass die koreanischsprachige Popmusik ein Fluchtfaktor sein könnte, deutete bereits eine UMG-Umfrage im Juni an: Mehr als 90 Prozent der 200 Befragten hätten vor ihrer Flucht ausländische Filme und Musik konsumiert. Die Hälfte davon gab an, dass südkoreanische Videos ihr Interesse für die Kultur und Gesellschaft des Landes weckte – jeder Dritte fand Spaß am Mitsingen zu südkoreanischer Musik.
Handys und USB-Sticks als Tor zur Außenwelt
Berichten der von Überläufern betriebenen Nachrichtenwebsite Daily NK zufolge wurde die Faszination für südkoreanische Kulturgüter auch von den zunehmend größer werdenden Zahlen an Handy besitzenden Nordkoreanerinnen und Nordkoreanern sowie dem florierenden Schwarzmarkt an der Grenze zu China bestärkt. Nordkorea produziert zwar seine eigenen Smartphones – der Zugriff auf Inhalte aus dem Ausland ist damit aber nicht möglich.

Ins Land geschmuggelte DVDs, MP3-Player, modifizierte TV-Geräte, koreanischsprachige und ins Land übertragene Nachrichtenprogramme sowie USB-Sticks bereiten dem kommunistischen Regime schon seit Jahren Probleme. Immer wieder gelangen so Informationen aus der Außenwelt in das seit Jahrzehnten abgeschottete Land.
Harte Strafen drohen
Dabei drohen Nordkoreanerinnen und Nordkoreanern für den Konsum ausländischer Musik und Filme harte Strafen: Für Erwachsene reichen diese von einer lebenslanger Haft in Arbeitslagern bis hin zur Exekution für das Ansehen besonders sensibler Inhalte. Auch Minderjährigen droht eine sechsmonatige bis einjährige Haftstrafe in Umerziehungscamps inklusive ideologischen Trainings. Die Regierung hat gar eine eigene Einheit bei der Polizei sowie Sicherheitskräfte aufgestellt, um die harten Regeln durchzusetzen.
In Nordkorea hätte das Durchsickern von Informationen aus der Außenwelt im vergangenen Jahr zu noch härterem Vorgehen gegen Verstöße geführt, so Daily NK außerdem. Kim kündigte 2018 an, „die bürgerlich reaktionäre Kultur“ niederschlagen zu lassen. Auch bei der Bevölkerung sei das wahrnehmbar, wie die UMG-Umfrage zeigt: Mehr als 70 Prozent der Befragten sagten, dass der Konsum von ausländischen Medien seit Kims Amtsantritt im Jahr 2011 gefährlicher geworden sei. Drei Viertel der Personen kannten jemanden, der deswegen bestraft worden ist.
Generell sind die Lebensbedingungen in Nordkorea prekär. Im Vorjahr brach die Wirtschaft so stark ein wie seit der Hungerkrise 1997 nicht mehr. Damals kamen rund drei Millionen Menschen ums Leben. Besonders die internationalen Sanktionen, mit denen Nordkorea wegen seiner Atomwaffen- und Raketentests belegt worden ist, sowie die anhaltende Dürre treffen das Land hart.

Kim als K-Pop-Fan?
In puncto Südkorea – das in der Vergangenheit riesige Lautsprecher an der Grenze nutzte, um den Norden mit K-Pop-Propaganda zu beschallen – fuhren die nordkoreanischen Machthaber seit Jahren einen Schlingerkurs. Mal wird der Wunsch nach Wiedervereinigung geäußert, dann heißt es – wie zuletzt Mitte August –, dass man nicht mehr mit dem Süden reden wolle. Als Grund wurde damals ein gemeinsames Militärmanöver von Seoul und Washington genannt.
Ähnlich gespalten scheint die Beziehung zur südkoreanischen Musik: Obwohl deren Konsum bestraft wird, nahm Kim als erster nordkoreanischer Machthaber selbst im April 2018 an einem Konzert südkoreanischer Künstler in Pjöngjang teil, das ihn der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA zufolge „tief bewegt“ hatte.
Milliardengeschäft K-Pop
Das Konzert – bei dem unter anderem die K-Pop-Gruppe Red Velvet sowie der Sänger des vermeintlichen Lieblingsliedes von Kims verstorbenen Vater Kim Jong Il performte – habe „das Verständnis für die südkoreanische Populärkultur vertieft“, schrieb KCNA damals. Nichtsdestotrotz wurde das Konzert laut „Washington Post“ nur in kleinen Häppchen im nordkoreanischen Fernsehen ausgestrahlt – in Südkorea lief es zur Gänze.

K-Pop avancierte in den vergangenen Jahren zum Milliardengeschäft und wurde weltweit bekannt. Allein die Boyband BTS soll mit ihren Umsätzen jährlich umgerechnet rund drei Mrd. Euro zu Südkoreas Wirtschaftsleistung beitragen, berichtete der „Guardian“ im März. Die Musiker sehen in der Regel sehr gestylt aus, was ihr glattpoliertes Image unterstreicht. Um die Musik herum hat sich gar eine eigene Industrie für modische Accessoires entwickelt.