Brasiliens Präsident Jair Bolsonar
Reuters/Adriano Machado
Amazonas-Waldbrände

Bolsonaro wirft Macron Kolonialdenken vor

Während im Amazonas-Gebiet weiterhin schwere Waldbrände wüten, sorgt die Umweltkatastrophe zusätzlich für diplomatische Spannungen. Da Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Feuer beim G-7-Gipfel in Biarritz als internationale Angelegenheit auf die Agenda setzen will, warf Brasiliens ultrarechter Staatschef Jair Bolsonaro dem Franzosen am Donnerstag „kolonialistische Mentalität“ vor.

Bolsonaro sagte, er verbitte sich Ratschläge aus dem Ausland an Brasiliens Staatsführung. „Die brasilianische Regierung ist weiterhin offen für einen Dialog, der auf objektiven Daten und gegenseitigem Respekt beruht“, schrieb Präsident Jair Bolsonaro am Donnerstag auf Twitter.

„Der Vorschlag des französischen Präsidenten, die Probleme des Amazonas auf dem G-7-Gipfel zu diskutieren, ohne die Länder der Region zu beteiligen, lässt aber auf eine kolonialistische Denkweise schließen“, wetterte Bolsonaro. Macron schrieb davor auf Twitter: „Unser Haus brennt. Wortwörtlich.“

Dazu teilte er ein Foto eines brennenden Regenwalds. Die Brände bedeuteten eine internationale Krise, so Macron weiter. Er rief die Regierungschefs der führenden Industrienationen auf, „diesen Notfall“ als ersten Punkt beim G-7-Gipfeltreffen, der ab Samstag stattfindet, zu besprechen.

„Interne Angelegenheit Brasiliens“

„Ich bedaure, dass Präsident Macron versucht, eine interne Angelegenheit Brasiliens und anderer Länder der Amazonas-Region zum eigenen politischen Vorteil zu instrumentalisieren“, schrieb Bolsonaro in seinem Tweet. „Der sensationsgierige Ton, mit dem er sich auf den Amazonas bezieht, löst das Problem nicht.“

Rauchwolken über dem Regenwald in der Nähe von Humaita
Reuters/Ueslei Marcelino
Dichter Rauch liegt über dem Amazonas-Regenwald, die Brände breiten sich schnell aus

Zudem warf er Macron vor, für sein Posting ein falsches Bild verwendet zu haben. Tatsächlich zeigt das Foto nicht die aktuellen Brände und ist schon ein paar Jahre alt. Es stammt vom US-Fotografen Loren McIntyre, der bereits 2003 starb. In der aktuellen Debatte wird das Bild häufig gepostet, zuletzt auch von Hollywood-Star und Umweltaktivist Leonardo DiCaprio. Neben DiCaprio riefen auch viele weitere Stars auf, tätig zu werden und die Feuer zu bekämpfen – darunter die Sängerin Ariana Grande, Schauspielerin Zoe Kravitz bis hin zu Supermodel Gigi Hadid.

In einem Facebook-Livevideo sagte Bolsonaro, dass jene Länder, die für die Erhaltung des Regenwalds spendeten, das nicht aus „Wohltätigkeit“ tun würden, sondern um in die Souveränität Brasiliens einzugreifen.

EU-Länder erwägen Konsequenzen

Irland drohte indes mit einer Blockade des EU-Handelsabkommens mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten, wenn Brasilien den Regenwald am Amazonas nicht besser schützt. Ministerpräsident Leo Varadkar sei sehr besorgt über das rekordträchtige Ausmaß der Regenwaldzerstörung, berichtete der „Irish Independent“ unter Berufung auf Aussagen des Regierungschefs am Freitag.

Eine Grafik zeigt die betroffenen Brandregionen in Brasilien
Grafik: ORF.at

„Irland wird keinesfalls für das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen stimmen, falls Brasilien seinen Umweltschutzverpflichtungen nicht nachkommt“, wird Varadkar in dem Blatt zitiert. Kurze Zeit später sprach sich auch Macron gegen den Mercosur-Deal aus sowie Finnland. Dort regte das Finanzministerium ein EU-Importverbot für brasilianisches Rindfleisch an. „Finanzminister Mika Lintila verurteilt die Zerstörung des Regenwaldes am Amazonas und schlägt vor, dass die EU und Finnland dringend die Möglichkeit eines Verbots brasilianischer Rindfleischimporte prüfen sollten“, heißt es von dem Ministerium.

EU-Kommission sieht Mercosur-Deal als Druckmittel

Auch die EU-Kommission reagierte auf die Waldbrände – allerdings wird dort das Mercosur-Abkommen als Druckmittel gesehen: Man beobachte die Feuer im größten Regenwald der Erde mit großer Sorge und sei bereit zu helfen, sagte Sprecherin Mina Andreeva am Freitag. Das beste Instrument der EU, Einfluss auf die brasilianische Regierung auszuüben, sei das kürzlich ausgehandelte Mercosur-Freihandelsabkommen, so Andreeva. Dieses verpflichte die Vertragspartner, darunter Brasilien, auf Einhaltung von Umweltstandards und des Pariser Klimaabkommens von 2015.

Mit dem noch nicht ratifizierten Mercosur-Vertrag wollen die Europäische Union und vier südamerikanische Länder die größte Freihandelszone der Welt aufbauen. Das soll Unternehmen in der EU jährlich vier Milliarden Euro an Zöllen ersparen und die Exporte ankurbeln. Zum Mercosur gehören Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.

Van der Bellen: „Fazit einer menschengemachten Krise“

Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen äußerte sich auf Twitter. „Die Bilder, die uns derzeit aus Brasilien erreichen, zeigen das verheerende Ausmaß der Brände im Amazonas – das Fazit einer menschengemachten Krise ohne Rücksicht auf die indigene Bevölkerung, die biologische Vielfalt und das Weltklima“, schrieb der Bundespräsident. „Je mehr Bäume niedergebrannt werden, desto weniger Kohlendioxid können sie aus der Atmosphäre binden – mit verheerenden Auswirkungen auf das Weltklima.“

Nach der weltweiten Empörung über die Brände in der Amazonas-Region betonten auch die Vereinten Nationen die Bedeutung intakter Wälder. „Der Erhalt des Waldes ist für unseren Kampf gegen den Klimawandel von entscheidender Bedeutung“, sagte der Sprecher von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres, Stephane Dujarric. Die Vereinten Nationen seien besorgt über die Lage in dem Gebiet und die bereits verursachten Schäden.

Satellitenaufnahme des Amazonas
APA/AFP/NOAA/NASA
Satellitenbilder, auf denen man den Rauch sehen kann, lassen auf das Ausmaß der Brände schließen

Unterdessen leitete die brasilianische Justiz wegen der Feuer erste Ermittlungen ein. Im Bundesstaat Para solle geprüft werden, warum der von Bauern und Bäuerinnen angekündigte „Tag des Feuers“ vor einer Woche nicht verhindert wurde, teilte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit. Medienberichten zufolge hatten Farmer im Südwesten von Para zuletzt in einer koordinierten Aktion große Flächen entlang einer Landstraße in Brand gesteckt, um Platz für neue Weideflächen zu schaffen.

Feuer breiteten sich rasch aus

In Brasilien wüten derzeit die schwersten Waldbrände seit Jahren. Das genaue Ausmaß ist nur schwer zu erfassen. Laut dem brasilianischen Weltraumforschungsinstitut INPE brachen in ganz Brasilien binnen 48 Stunden fast 2.500 neue Brände aus. Demnach gab es seit Jahresbeginn bereits mehr als 75.000 Waldbrände – ein Zuwachs von 84 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Hauptgrund ist laut Wissenschaft die Waldrodung. In den meisten Fällen waren Flächen in Privatbesitz betroffen, aber auch in Naturschutzgebieten und indigenen Ländereien brechen immer wieder Feuer aus.

Die von der jungen schwedischen Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg initiierte Bewegung „Fridays for Future“ warf Bolsonaro vor, dass er mit seiner Umweltpolitik zu den Feuern beitrage. Dessen Regierung sehe den Amazonas-Regenwald lediglich als „Milchkuh“ und beute ihn aus. Unter dem Schlagwort „SOS Amazonas“ rief die Bewegung dazu auf, am Freitag vor diplomatischen Vertretungen Brasiliens in aller Welt zu demonstrieren.

Staatsanwaltschaft will tätig werden

Bolsonaro hatte zuletzt verbreitet, Umweltschützerinnen und Umweltschützer hätten die Brände gelegt, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und seine Regierung in ein schlechtes Licht zu rücken. „Jeder“ könne hinter den Waldbränden stecken, „aber die Hauptverdächtigen kommen von den NGOs“, setzte der Präsident hinzu.

Expertin Ursula Prutsch zu den Bränden

Die Brände in der Amazonas-Region sorgen auf der ganzen Erde für Besorgnis. Ursula Prutsch vom Amerika-Institut an der Universität München kommentiert das politische Umfeld in Brasilien.

Die Staatsanwaltschaft will nun die Verantwortlichen ausfindig machen. „Für die Bundesstaatsanwaltschaft ist die Bekämpfung der illegalen Entwaldung Staatsräson und keine spezifische Regierungspolitik“, hieß es in der Mitteilung der Ermittler. „Der Kampf gegen Abholzung und Brandrodung ist keine Handlungsoption der öffentlichen Hand. Es ist ihre Pflicht.“ Ecuadors Staatschef Lenin Moreno bot Bolsonaro derweil an, Feuerwehrleute zu entsenden, um die Waldbrände zu bekämpfen.

„Niemals hat eine Regierung illegales Verhalten verteidigt“

Die ehemalige brasilianische Umweltministerin Marina Silva erhob schwere Vorwürfe gegen die Regierung Bolsonaros. Die brasilianische Regierung habe durch ihre „Nachlässigkeit“ ein „zügelloses Vorgehen“ bei der Brandrodung begünstigt, sagte Silva. So seien die Brände „außer Kontrolle“ geraten.

„Es gab im Amazonas-Gebiet immer Abholzung und Brände, aber niemals hat eine Regierung illegales Verhalten verteidigt“, sagte Silva am Rande einer Tagung zur Sozial- und Umweltpolitik in der kolumbianischen Hauptstadt Bogota am Donnerstag (Ortszeit). Zwar verfüge Brasilien über die technischen Voraussetzungen, um die Brände zu bekämpfen. Allerdings habe die Bolsonaro-Regierung „diese Politik aufgegeben“ und misstraue NGOs und Wissenschaft.