Demonstranten am Eingang der Kwun Tong MTR Station in Hongkong
AP/Kin Cheung
Hongkong

U-Bahn-Sperren gegen Proteste

In Hongkong haben sich am Samstag das zwölfte Wochenende in Folge Tausende Menschen zu Demonstrationen versammelt. Die Behörden schlossen laut internationalen Medienberichten mehrere U-Bahn-Stationen, um Proteste in einem Industriegebiet zu erschweren. Nicht nur sie, auch die Protestbewegung setzt immer wieder neue taktische Schachzüge.

Vier Stationen der U-Bahn seien von der Polizei geschlossen worden, berichtete etwa der US-TV-Sender CNN am Samstag. Demonstrantinnen und Demonstranten, die Helme trugen, hätten ihren Zorn darüber den Sicherheitskräften gegenüber lautstark artikuliert, hieß es.

CNN-Korrespondentin Rebecca White berichtete auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, die Demonstranten hätten Barrikaden aus Bambus errichtet, bei erneuten Zusammenstößen im Industriebezirk Kwun Tong hätte die Polizei Pfefferspray bzw. Tränengas eingesetzt.

„Stresstest“ für Wochenende angekündigt

Die U-Bahn-Gesellschaft der Metropole begründete die Stationsschließungen mit der Sicherheit von Passagieren und Mitarbeitern. Letztere bekamen laut CNN mehr Befugnisse, Personen aus den Stationen wegzuweisen. Neuerliche Proteste auf dem Flughafen wurden per Gerichtsbeschluss untersagt, nachdem dieser kürzlich von Demonstranten mittels Belagerung des Hauptterminals lahmgelegt worden war und an die 1.000 Flüge gestrichen werden mussten. Der Flughafen von Hongkong ist einer der zehn am stärksten frequentierten weltweit.

Am Samstag lief der Betrieb normal, auch die Bahnverbindungen zum Flughafen waren nicht blockiert, obwohl die Protestbewegung, die sich gegen die zunehmende Einflussnahme Chinas richtet, angekündigt hatte, die Verkehrsinfrastruktur einem „Stresstest“ zu unterziehen. Der Flughafen habe per Aussendung „alle jungen Menschen, die Hongkong lieben“, dazu aufgerufen, nicht an Aktionen teilzunehmen, die dem Betrieb und Image des Airport schadeten.

Menschenkette wie vor 30 Jahren im Baltikum

Der prodemokratischen Protestbewegung ist es in den letzten Wochen mehrfach gelungen, Hunderttausende Menschen auf die Straße zu bringen. Mehrfach habe sie dabei ihre Taktik geändert. Am Freitagabend etwa hatten nach Schätzungen an die 135.000 Personen eine Menschenkette um die Stadt gebildet.

Demonstranten am Eingang der Kwun Tong MTR Station in Hongkong
AP/Kin Cheung
Proteste gegen die teilweise Schließung der U-Bahn

Vorbild sei die in den baltischen Staaten, mit der die Menschen dort ihre Unabhängigkeit von der damaligen Sowjetunion gefordert hatten, vor 30 Jahren gewesen. An der Aktion hatten sich seinerzeit etwa zwei Millionen Menschen beteiligt.

Gegenseitige Vorwürfe

Die Proteste hatten im Juni begonnen und sich erst gegen ein – mittlerweile verworfenes – Gesetz, das Auslieferungen an die Volksrepublik China erleichtern sollte, gerichtet. Mittlerweile richten sie sich auch gegen Regierungschefin Carrie Lam, der eine zu große Nähe zur kommunistischen Führung in Peking vorgeworfen wird. Zentrale Forderungen der Demonstranten sind freie Wahlen und eine unabhängige Untersuchung von Polizeigewalt. Die frühere britische Kronkolonie Hongkong ist seit 1997 chinesische Sonderverwaltungszone, ihre Einwohner genießen bisher größere persönliche Freiheiten als die der Volksrepublik.

Demonstranten in Hongkong
APA/AFP/Lillian Suwanrumpha
Blockadenbau mit Bambus und Ziegeln

Die Sicherheitskräfte der Millionenmetropole gehen hart gegen die Proteste vor, es gab unzählige Festnahmen, auch am Wochenende wieder, China sandte mehrfach deutliche Botschaften an die Protestbewegung. Erst kürzlich schickte die Volksrepublik mehrere tausend Soldaten, laut internationalen Medienberichten zumeist Militärpolizisten, zu einer Übung und Parade nach Shenzen, mehr oder minder vor die Tore Hongkongs. Der Protestbewegung warf die Polizei vor, eine Art „psychologischen Krieg“ gegen die Sicherheitskräfte zu führen. Persönliche Daten hoher Polizeibeamter seien in dem Twitter-Pendant Telegram veröffentlicht worden.

Konsulatsmitarbeiter wieder frei

Ein Mitarbeiter des britischen Konsulats in Hongkong, der in China festgesetzt worden war, ist inzwischen wieder frei. Wie die Polizei der südchinesischen Stadt Shenzhen mitteilte, lief die 15-tägige „Administrativhaft“ für Simon Cheng am Samstag ab. Er konnte danach nach Hongkong zurückkehren.

Der 28-Jährige war nach Angaben seiner Familie am 8. August an der Grenze zwischen China und Hongkong auf dem Heimweg in die Sonderverwaltungszone verschwunden. Er hatte ein Wirtschaftstreffen in Shenzhen im Südosten Chinas besucht. Erst als der Fall vergangene Woche öffentlich wurde, teilte das chinesische Außenministerium mit, dass Cheng festgenommen worden sei, weil er Gesetze zur öffentlichen Sicherheit verletzt habe.

In Großbritannien sorgte die Aktion für große Verstimmung. „Ich überquere jetzt die Grenze (…) Bete für mich“, soll der Konsulatsmitarbeiter vor seinem Verschwinden laut Medienberichten aus Hongkong in einer Nachricht an seine Freundin geschrieben haben.