Zerstörung nach Brand in Regenwald
AP/Eraldo Peres
Streit über Waldbrände

Amazonas-Gouverneure gegen Bolsonaro

Wegen seiner Umweltpolitik bekommt Brasiliens ultrarechter Präsident Jair Bolsonaro nun Kontra von den Gouverneuren der von den Waldbränden betroffenen Amazonas-Bundesstaaten. Die regionalen Regierungschefs fürchten wegen des Streits über die Feuer und das Hilfsangebot der G-7-Staaten internationale Wirtschaftssanktionen und einen Imageschaden.

„Wenn sich Brasilien auf internationaler Ebene isoliert, setzt es sich ernsten Handelssanktionen gegen unsere Produzenten aus“, sagte der Regierungschef des Bundesstaates Maranhao, Flavio Dino, am Dienstag bei einem Treffen der Gouverneure mit Bolsonaro.

Bolsonaro hatte zuvor eine Entschuldigung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gefordert, bevor er die von den Industrieländern angebotene Hilfe bei den Löscharbeiten annehmen will. Er warf Macron vor, ihn als Lügner bezeichnet und die Souveränität des Amazonas-Gebiets infrage gestellt zu haben.

Brasiliens Präsident Bolsonaro mit Gouverneuren
APA/AFP/Brasilianische Präsidentschaft
Bolsonaro (M.) beim Treffen mit Brasiliens Gouverneuren

„Ich denke, jetzt sollten wir uns um unsere Probleme kümmern und der Welt der Umweltdiplomatie ein Zeichen geben, denn sie ist fundamental für die Landwirtschaft. Sonst erleiden wir einen schweren Imageschaden, der bereits jetzt allen Anlass zu Sorge gibt“, sagte der Gouverneur von Para, Helder Barbalho. Bolsonaro gilt eigentlich als Freund der Agrarindustrie. Weil wegen seiner Umweltpolitik nun aber einige europäische Länder bei der Ratifizierung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und dem Mercosur auf die Bremse treten, sorgen sich mittlerweile auch die brasilianischen Landwirte um ihr Geschäft.

Brasilien grundsätzlich offen für Hilfe

Am Dienstag (Ortszeit) ruderte dann auch Präsidentensprecher Otavio Rego Barros zurück. Die brasilianische Regierung sei demnach grundsätzlich „offen“ für ausländische Hilfe im Kampf gegen die Waldbrände. Die Verwendung des Geldes müsse aber von der brasilianischen Regierung kontrolliert werden, und es dürfe die „brasilianische Souveränität“ nicht verletzt werden.

Persönlicher Angriff auf Macron

Macron und Bolsonaro hatten einander in den vergangenen Tagen einen heftigen Schlagabtausch geliefert. Der ultrarechte brasilianische Staatschef hatte sich zuvor mit Blick auf die verheerenden Brände im Amazonas-Gebiet jegliche Einmischung aus dem Ausland verbeten. Macron hatte bei dem G-7-Gipfel die Brände im Amazonas-Gebiet zum Thema gemacht.

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro
APA/AFP/Sergio Lima
Bolsonaro – hier am 23. August im Rahmen einer militärischen Ehrung – will mit Untergriffen von Argumenten ablenken

Bolsonaro hatte daraufhin mit der Billigung eines sexistischen Facebook-Beitrags über Frankreichs Präsidentengattin Brigitte Macron für Empörung gesorgt. Der Nutzer Rodrigo Andreaca hatte in einem Facebook-Beitrag eine unvorteilhafte Aufnahme der 66-jährigen Macron neben ein Bild der strahlenden 37-jährigen Gattin Bolsonaros gestellt. Dazu schrieb er: „Versteht ihr jetzt, warum Macron Bolsonaro bedrängt?“ Er wette, dass Macron neidisch auf Bolsonaro sei.

„Demütige den Typen nicht“

Bolsonaro setzte einen belustigten Kommentar unter den Post. „Demütige den Typen nicht“, schrieb er. Auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP, ob der Kommentar von Bolsonaro selbst abgegeben wurde, wollte sich ein Sprecher nicht äußern.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
APA/AFP/Yoan Valat
Macron kontert Bolsonaro

Macron stellte sich daraufhin am Rande des G-7-Gipfels vor seine Frau und griff Bolsonaro scharf an. „Was kann ich Ihnen sagen? Das ist traurig, das ist traurig, aber das ist traurig zuerst für ihn und die Brasilianer.“ Er hoffe, dass die Brasilianer „sehr schnell“ einen Staatschef bekämen, „der sich angemessen verhält“.

Der Schlagabtausch überschattete auch ein Hilfsangebot der G-7-Staaten, das beim Gipfel in Biarritz gemacht wurde. Die angebotenen 20 Mio. Euro will Bolsonaro nur unter Bedingungen annehmen. „Zunächst sollte Macron die Beleidigungen gegen mich zurücknehmen“, sagte der Staatschef am Dienstag. „Er hat mich einen Lügner genannt. Und dann hat er nach meinen Informationen die Souveränität des Amazonas-Gebiets infrage gestellt.“ Und weiter: „Um mit Frankreich, das die besten Absichten hat, zu sprechen oder irgendwas anzunehmen, muss er (Macron, Anm.) diese Äußerungen zurücknehmen.“

Minister: „Opportunistischer Schweinehund“

Auch andere brasilianische Regierungsmitglieder fuhren scharfe persönliche Attacken auf den französischen Präsidenten. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter kritisierte Bildungsminister Abraham Weintraub Macron. Dieser sei bei den Waldbränden nicht „auf der Höhe“. „Er ist nur ein opportunistischer Schweinehund, der die Unterstützung der französischen Agrarlobby sucht.“

Bolsonaros Präsidialamtschef Onyx Lorenzoni sagte laut einem Blog im Nachrichtenportal G1, das Geld sei möglicherweise besser in Europa angelegt. „Wir danken, aber vielleicht sind diese Gelder wichtiger, um Europa wieder aufzuforsten“, zitierte der Journalist Gerson Camarotti in seinem Blog auf dem Nachrichtenportal G1 Lorenzoni weiter.

Luftbild von den Waldbränden in Brasilien
Reuters/Ueslei Marcelino
Ein Blick auf einen der Brände im Amazonas-Gebiet

„Macron schafft es nicht einmal, einen vorhersehbaren Brand in einer Kirche zu vermeiden, die zum Welterbe der Menschheit gehört – was will er unserem Land zeigen?“, soll Lorenzoni dem Blogger in Anspielung auf das verheerende Feuer in der Pariser Kathedrale Notre-Dame zudem gesagt haben. Und fügte laut Blog hinzu: „Er (Macron) hat zu Hause und in den französischen Kolonien viel zu tun.“

Bestsellerautor mischt sich ein

Peinlich berührt von den Tiraden seines Präsidenten hat sich unterdessen der brasilianische Schriftsteller Paulo Coelho in den Streit der beiden eingeklinkt. „Entschuldigung, tausendfach Entschuldigung“, twitterte Coelho.

In einem dort veröffentlichten Video sagt der Autor des weltbekannten Buches „Der Alchimist“: „Das ist ein etwas trauriges Video, um meine französischen Freunde für die Krise um Entschuldigung zu bitten, ich würde von Hysterie Bolsonaros gegenüber Frankreich, dem Präsidenten Frankreichs, der Frau des Präsidenten Frankreichs sprechen.“

Militär: Amazonas-Feuer „nicht außer Kontrolle“

Die verheerenden Waldbrände sind nach Einschätzung des brasilianischen Militärs noch nicht außer Kontrolle geraten. „Ist es schwer? Ja. Aber es ist nicht außer Kontrolle geraten“, sagte Verteidigungsminister Fernando Azevedo am Montagabend (Ortszeit) nach einem Treffen mit Bolsonaro und Kabinettskollegen. Die Regierung habe schnell reagiert, und die Brände in der betroffenen Region gingen bereits zurück.

Was treibt Bolsonaro an?

ORF-Südamerika-Experte Rainer Mostbauer analysiert die Haltung des brasilianischen Präsidenten zu den zugesicherten Hilfszahlungen der G-7-Staaten.

In Brasilien wüten die schwersten Waldbrände seit Jahren. Seit Jänner stieg die Zahl der Feuer und Brandrodungen im größten Land Südamerikas im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nach den jüngsten Angaben der brasilianischen Weltraumagentur INPE um 78 Prozent auf mehr als 80.000 Brände. Betroffen waren meist Flächen in Privatbesitz, aber auch in Naturschutzgebieten und Ländereien der indigenen Bevölkerung brechen immer wieder Feuer aus.

Verdacht auf „orchestrierte Aktion“

Umweltschützer und indigene Gruppen werfen Brasiliens ultrarechtem Präsidenten vor, ein Klima geschaffen zu haben, in dem sich Bauern, Holzfäller und Goldgräber zu immer weiteren Rodungen ermutigt fühlen. So sollen Medienberichten zufolge Bauern im Bundesstaat Para sich zu einem „Tag des Feuers“ verabredet und große Waldflächen in Brand gesteckt haben.

Brände am Amazonas: Macron vs. Bolsonaro

Die Brände im Amazonas-Gebiet haben zu einem Match zwischen Jair Bolsonaro und Emmanuel Macron geführt.

„Es besteht der Verdacht auf eine orchestrierte Aktion. Es gibt den Verdacht, dass das von langer Hand geplant wurde“, sagte Generalstaatsanwältin Raquel Dodge. Sie leitete strafrechtliche Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Brandstifter ein. Der örtliche Bauernverband stritt eine koordinierte Brandrodung in der Region unterdessen ab. „Wenn es so etwas gegeben hat, war es ein Einzelfall. Wir wissen nichts von einer orchestrierten Aktion“, sagte der Präsident des Verbands in Novo Progresso, Agamenon da Silva Menezes, der Nachrichtenagentur Agencia Brasil. „Niemand will Brände, die außer Kontrolle geraten könnten. Das schadet allen.“