Queen Elizabeth
Reuters/Toby Melville
Großbritannien

Queen stimmt Parlamentspause zu

Die Queen hat einer vorübergehenden Zwangspause des britischen Parlaments am Mittwoch zugestimmt. Premierminister Boris Johnson hatte zuvor um die Aussetzung des Parlaments angesucht – seine Pläne stoßen auf breite Kritik. So ortete Parlamentspräsident John Bercow einen „verfassungsrechtlichen Skandal“, Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon bezeichnete Johnsons Vorgehen gar als „Diktatur“.

Es ist ungewöhnlich, dass der Parlamentspräsident sich zum politischen Geschehen direkt äußert. Doch Bercow reagierte deutlich auf die Pläne Johnsons, das Parlament in eine längere Pause zu schicken. „Egal, in welcher Verkleidung diese Pause präsentiert wird – es ist absolut offensichtlich, dass eine Aussetzung des Parlaments jetzt nur dazu dient, das Parlament daran zu hindern, den Brexit zu debattieren“, so Bercow.

Die Zustimmung der Queen galt nur noch als Formsache und wurde am Nachmittag bestätigt. Das Parlament wird damit frühestens am 9., spätestens am 12. September eine Pause einlegen und erst am 14. Oktober wieder die Arbeit aufnehmen. Labour-Chef Jeremy Corbyn hatte offenbar zuvor um ein Gespräch mit der Queen gebeten, um seine Bedenken zu äußern, berichtete der „Guardian“.

Corbyn „entsetzt“ über „Rücksichtslosigkeit“

Corbyn hatte gesagt, er sei „entsetzt“ über die „Rücksichtslosigkeit“ der Regierung. Es sei eine „Schande“ und eine „Bedrohung“ für die Demokratie. Es sei nun an der Zeit, die Pläne Johnsons per Gesetz zu verhindern, so Corbyn. Auch ein Misstrauensvotum gegen Johnson, „irgendwann“ in Zukunft, stellte Corbyn in Aussicht.

Johnson schickt Parlament in Zwangspause

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson will das Parlament in eine fünfwöchige Zwangspause schicken. Oppositionsführer Jeremy Corbyn nennt das Vorhaben einen „Überfall auf die Demokratie“.

Besonders Schottlands Regierungschefin Sturgeon übte scharfe Kritik. Man müsse die Pläne stoppen, sonst sei „heute ein schwarzer Tag in der Geschichte der britischen Demokratie“. Gegenüber der BBC führte sie aus, dass das Vorgehen gegen den Wunsch der Abgeordneten keine Demokratie, sondern „eine Diktatur“ sei.

Johnson sieht „genug Zeit“ für Brexit-Debatte

Johnson selbst sieht keine Behinderung der Abgeordneten, einen „No Deal“-Brexit zu verhindern. Es gebe „genug Zeit“, um im Parlament über die EU und über den Brexit zu reden, so Johnson. Man wolle jetzt „neue und wichtige“ Gesetze voranbringen – und damit nicht erst bis zum 31. Oktober warten. Johnson suchte bei der Queen um eine Aussetzung der Sitzungen im Unterhaus bis 14. Oktober an.

Politologin Sully: „Raffiniert vom Timing“

Politologin Melanie Sully analysiert Johnsons Manöver.

Unterstützung erhält Johnson von seinen Parteikollegen – aber nicht von allen. Der hochrangige Tory-Politiker James Cleverly sagte, dass der Schritt Johnsons einer sei, den „alle neue Regierungen“ tätigen. Kritik kommt unterdessen von Dominic Grieve, der Johnsons Vorgehen eine „unerhörte Aktion“ nannte und vor einem daraus resultierenden Misstrauensvotum gegen Johnson warnte. Der frühere Tory-Finanzminister Philip Hammond bezeichnete Johnsons Vorgehen als „zutiefst undemokratisch“.

Rede der Queen zu Beginn neuer Gesetzgebungsperiode

Das Parlament auszusetzen ist an sich kein ungewöhnlicher Akt in Großbritannien und markiert das Ende einer Sitzungsperiode, ehe eine neue Periode beginnt. Den Beginn markiert eine Rede der Queen, in der sie den Fahrplan der Regierung vorgibt. Normalerweise dauern solche Perioden rund ein Jahr – die derzeitige dauert jedoch schon seit der Wahl im Juni 2017 an.

Die BBC-Journalistin Laura Kuenssberg vermutet, dass das auch die Rechtfertigung vonseiten der Regierung sein werde, wie auch Johnsons erste Stellungnahme nahelegt. Die Argumentation werde sein, dass das Vorgehen „Standard“ sei, so Kuenssberg in einem Tweet.

Einigung der Opposition auf gemeinsames Vorgehen

Erst am Dienstag hatten sich die Oppositionsparteien auf einen gemeinsamen Plan zur Verhinderung eines „No Deal“-Brexits geeinigt. „Wir sind uns einig, dass wir zusammenarbeiten werden, um einen ‚No Deal‘-Brexit per Gesetz zu verhindern“, schrieb die Abgeordnete Anna Soubry, die eine Gruppe von proeuropäischen ehemaligen Tory- und Labour-Abgeordneten anführt, im Kurznachrichtendienst Twitter.

Man wolle sich auf ein Gesetz konzentrieren, das einen harten Brexit verhindert. Labour-Chef Corbyn bevorzugte bisher ein Misstrauensvotum gegen Johnson – damit könnte er selbst zum Premier werden. Dieser Plan fand bei der Opposition jedoch keine Unterstützung, wenngleich betont wurde, dass ein solcher Antrag immer noch eine Option sei.

Corbyn wirbt bei Tory-Abgeordneten um Unterstützung

Nach dem gemeinsamen Treffen der Oppositionsparteien wandte sich Corbyn in einem Schreiben an 116 Tory-Abgeordnete und warb bei ihnen um Unterstützung für die parteiübergreifenden Pläne zur Verhinderung eines „No Deal“-Brexits. „Wir wissen, dass es im Parlament eine Mehrheit gegen einen ‚No Deal‘-Brexit gibt“, zitierte der „Guardian“ Corbyn in seinem Brief an jene 116 Abgeordneten, die bisher gegen einen ungeregelten Ausstieg aus der EU stimmten. Er lade die Abgeordneten zu einem Dialog mit ihm und den anderen Oppositionsparteien ein, um einen Weg zu finden, dem „klaren Willen“ des Parlaments Ausdruck zu verleihen.

Grafik zum Brexit
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: BBC

Zeit für Verhinderung von „No Deal“-Brexit knapp

Einen „No Deal“-Brexit zu verhindern wird jetzt jedenfalls ein knappes Unterfangen, schrieb auch der „Guardian“. Auch der Druck auf Labour-Chef Corbyn, doch noch ein Misstrauensvotum in die Wege zu leiten, könnte dadurch zunehmen. Fest steht damit wohl schon jetzt, dass es in Großbritanniens Innenpolitik vor dem 31. Oktober erneut zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen den Lagern kommen wird.