Moderatorin vom chinesischen Staats-Fernsehsender CGTV vor der Kamera
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Warnung vor Propaganda

China will Staatssender nach Europa bringen

China will in der europäischen Medienlandschaft einen Fuß in die Tür bekommen. In Kürze soll in London ein TV-Produktionsstandort des Senders China Global Television Network (CGTN) starten. Das Ziel: englischsprachige Berichterstattung über Politik und Wirtschaft „aus einer chinesischen Perspektive“. Es gibt jedoch Stimmen, die vor Propaganda warnen – denn hinter dem Sender steht der chinesische Staat, der Medien streng kontrolliert.

Die Nachrichtengruppe CGTN gehört zu China Central Television (CCTV), dem größten TV-Sender der Volksrepublik. Dieser ist direkt dem Ministerium für Radio, Fernsehen und Film unterstellt und gilt als Organ der Kommunistischen Partei. Offiziell will China mit dem englischsprachigen Programm von CGTN die chinesische Diaspora und internationales Publikum erreichen – doch Kritiker und Kritikerinnen sehen in der Sendergruppe einen „Arm von Chinas Propagandamaschine“, wie etwa die „New York Times“ („NYT“) schreibt.

Entsprechend misstrauisch wird auch der Europaableger CGTN Europe beäugt. Dieser soll nun laut einem Bericht der „Financial Times“ („FT“) kommenden Monat mit einjähriger Verzögerung in London starten. Rund 100 Journalistinnen und Journalisten werden im Geschäftszentrum Chiswick Park „objektive“ Nachrichten produzieren, hieß es. Diese sollen sich auf britische Politik konzentrieren, man will aber auch den Rest Europas abdecken. Starten will man mit einer Tech-Sendung und einer Wochenendtalkshow.

Bereits Zentralen in USA und Kenia

Der Standort in London wird die bereits dritte Produktionsfiliale des Senders werden. Schon seit 2012 gibt es Ableger in Washington und Kenias Hauptstadt Nairobi – China ist in Ostafrika über hohe Investitionen extrem präsent. Abseits von den Produktionsstätten gibt es weltweit Verbindungsbüros. Sie sind Puzzleteil in Chinas Medienstrategie, die auf strenge Kontrolle und eine Lenkung der öffentlichen Meinung abzielt. Präsident Xi Jinping hat mehrfach die Rolle der Medien im „gemeinschaftlichen Denken“ und der Verbreitung der Staatsideologie betont.

China Central Television (CCTV) tower in Peking
APA/AFP/Fred Dufour
Die Zentrale des chinesischen Staatsfernsehens China Central Television in Peking

Allein CGTN America kann von 30 Millionen US-Haushalten empfangen werden. Doch heuer geriet der US-Ableger freilich auch unter dem Eindruck des Handelsstreits zwischen den USA und China unter Druck: Der Sender musste sich zu Beginn des Jahres unter dem Druck von Präsident Donald Trumps Regierung als „ausländischer Vertreter“ registrieren lassen. Gemäß des Foreign Agents Registration Act gilt er damit als Einrichtung, die in den USA politisch für eine „ausländische Macht“ tätig ist.

Werbung statt Spaltung

Das US-Justizministerium begründete das damit, dass man eine „wachsende, aus Peking gesteuerte Kampagne der Einflussnahme durch Ableger der Staatsmedien“ orte. Auch der vom russischen Staat gegründete und finanzierte Auslandssender Russia Today (RT) musste sich entsprechend registrieren lassen. Doch während RT auf Spaltung und Negativpropaganda abziele, sei es die Aufgabe von CGTN, Werbung für China zu machen: „Über Chinas Politik zu berichten und diese in einem möglichst positiven Licht erscheinen zu lassen, sind die Hauptgründe für die Existenz von CGTN“, so das Justizministerium.

Seitens CGTN America – wo übrigens auch zahlreiche US-amerikanische Journalisten arbeiten – wurde damals darauf gepocht, dass man unabhängig arbeite. Doch die „New York Times“ berichtete auf Basis mehrerer Interviews mit anonymen Angestellten des Senders, dass es vor allem bei innerchinesischen Themen Anweisungen aus Peking gebe. So seien etwa die Hongkong-Proteste 2014 und die Flucht des Menschenrechtsaktivisten Chen Guangcheng aus China weitgehend totgeschwiegen worden. Ein weiteres angeführtes Beispiel: Der Sender dürfe die taiwanesische Flagge nicht zeigen.

In manchen Fällen hätten Angestellte gegen die Weisungen protestiert, und ihnen sei ein gewisser Spielraum gewährt worden, wenn China die Veröffentlichung gewisser Inhalte nicht dezidiert verbot bzw. Inhalte vorgab. Doch laut der „NYT“ hätten die Interviewten auch gesagt, dass sie von Peking vorgegebene Propaganda bringen mussten – unter anderem einen Bericht, in dem die Inhaftierung von Hunderttausenden muslimischen Uiguren heruntergespielt wurde. Dazu kommt der finanzielle Hebel: Ohne staatliche Gelder würde der Sender nicht existieren.

Geständnisvideo könnte Sender Lizenz kosten

Auch in Europa läuft der Start für CGTN nicht rund. Noch bevor der Sender seine Arbeit aufgenommen hat, hat die britische Medienaufsichtsbehörde Ofcom Ermittlungen gegen das Unternehmen aufgenommen. Diese basieren auf einer Beschwerde des Briten Peter Humphrey, eines Unternehmensermittlers. Er hatte in China einen Korruptionsfall untersucht – im Zuge dessen wurde ihm selbst die Weitergabe von Daten chinesischer Bürgerinnen und Bürger vorgeworfen.

Humphrey habe 23 Monate in einem chinesischen Gefängnis verbracht und sei dann, in einen Stahlkäfig gesperrt und unter Drogen gesetzt, zu einem Geständnis gezwungen worden. CGTN habe dieses dann ausgestrahlt. Sollte der Regulator ihm recht geben, könnte dem Sender sogar die Lizenz in Großbritannien entzogen werden. Doch ob das CGTN in London stoppen würde, ist offen. Laut einem von der „FT“ zitierten Insider würde sich der Sender in einem solchen Fall „umorientieren“ und sich stärker auf andere europäische Länder konzentrieren.