Seit drei Jahren baut Jerusalem bereits an seinem Projekt unter dem größten Friedhof der Stadt, Har ha-Menuchot. Für den Oktober ist die Freigabe des ersten Teils geplant, der Platz für die sterblichen Überreste von 8.000 Personen haben wird. Insgesamt soll der Friedhof unter der Erde einmal 22.000 Grabstellen beherbergen.
Der Großteil dieser „Totenstadt“, wie CNN die Anlage nannte, besteht aus 1,5 Kilometern an unterirdischen Tunneln. Darin befinden sich die Grabstellen in mehreren Schichten übereinander in den Kalksteinwänden. Die Flammen großer mehreckiger Glasleuchten scheinen auf die Kreuzungen des unterirdischen Labyrinths. Fünf große Eingänge führen in die Nekropole, einer davon direkt vom oberirdischen Friedhof. Drei große Aufzüge werden die Besucherinnen und Besucher befördern. Die zentrale Stelle liegt 50 Meter unter der Erde. Auch wenn der Sonnenschein im Sommer den Boden aufheizt, wird es darunter das ganze Jahr über angenehme 23 Grad Celsius haben.
Antikes Vorbild
Das gesamte Projekt des Tel Aviver Architekturbüros Pelleg kostet rund 45 Millionen Euro. Es ist inspiriert von alten jüdischen Beerdigungsriten. Vorbild war etwa die Nekropole von Bet Schearim nahe Haifa. Die Katakomben wurden in der Zeit zwischen zweitem und viertem Jahrhundert nach Christus genutzt. In den einzelnen Höhlen befanden sich bis zu 400 Gräber. Heute zählen sie zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Damals, so Amit Reem vom Jerusalemer Institut für Archäologie, zur Nachrichtenagentur AP, beerdigten die Angehörigen die Verstorbenen in den Katakombenhöhlen und verschlossen die Tür mit einem Felsen für acht Monate. „Als die Grabstelle wieder geöffnet wurde, waren darin nur mehr die Knochen ohne Fleisch.“ Diese wurden dann oft in Steinbehältnissen innerhalb der Höhlenkammer, in Ossuarien, aufbewahrt.
Begrenzter „Berg der Ruhenden“
Die jüdischen Bestattungsbräuche verbieten die Einäscherung und erfordern das Beisetzen der Toten im Boden. Laut der jüdischen Beerdigungsgesellschaft stimmt der Bestattungsvorgang in den unterirdischen Tunneln mit jüdischen Regeln überein. Dazu habe man sich von orthodoxen Rabbis beraten lassen. Zudem wünschen sich viele Jüdinnen und Juden eine Beerdigung in Jerusalem. Es heißt, dass sie dann bei der Ankunft des Messias als Erste wieder auferstehen.
So wie in vielen Städten geht der Platz für Begräbnisstätten aber auch in Jerusalem zur Neige. Der Friedhof Har ha-Menuchot, übersetzt „Berg der Ruhenden“, gerät trotz seiner rund 150.000 Grabstellen langsam an die Kapazitätsgrenze. Und bis zum Jahr 2050 wird sich die Bevölkerung laut Prognosen fast verdoppeln. Daher sorgt man mit der neuen Nekropole unter Tage für die Zukunft vor. „Wahrscheinlich werden die Menschen immer sterben“, so der Geschäftsführer von Rolzur, der Firma, die die Tunnel gräbt, scherzhaft. „Also muss man dafür auch Platz schaffen.“