Generalsekretär Karl Nehammer
APA/Georg Hochmuth
Wahlkampfkosten

ÖVP will gegen Vorwürfe klagen

Die ÖVP will gegen die jüngsten Vorwürfe, man verschleiere die wahren Wahlkampfkosten, rechtlich vorgehen. ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer kündigte am Dienstag eine Klage gegen den „Falter“ an, dem entsprechende Dokumenten zugespielt worden sein sollen. Die Zahlen aber kommentierte die ÖVP nicht. Der Parteienfinanzierungsexperte Hubert Sickinger forderte dazu, der Rechnungshof müsse mehr prüfen dürfen.

Die Wochenzeitung hatte am Montag berichtet, die ÖVP plane erneut eine Überschreitung der Wahlkampfkostengrenze. Laut internen Dokumenten soll die ÖVP fast neun Millionen Euro an Ausgaben veranschlagt haben, so die Zeitung. Gegenüber dem Rechnungshof sollten aber nur die erlaubten sieben Millionen geltend gemacht werden. Der „Falter“ berief sich dabei auf eine ÖVP-interne Excel-Datei mit Budgetberechnungen für die kommende Nationalratswahl.

In der Tabelle werden die geplanten Ausgaben von fast neun Millionen Euro in eine Spalte „Betrag Soll – WK“ und „Betrag Soll – Nicht WK“ aufgeteilt. In der ersten findet sich die – den gesetzlichen Vorgaben entsprechende – Summe von rund 6,35 Mio. Euro; in der zweiten die restlichen rund 2,63 Millionen Euro. Diese sollen laut „Falter“ ins allgemeine Budget der Partei verbucht werden – das Kürzel „Nicht WK“ stehe dabei für „Nicht Wahlkampf“.

„Bergauf“-Tour nicht bei Wahlkampfkosten

Nicht zu den Wahlkampfkosten will die ÖVP laut „Falter“ etwa die „Bergauf“-Tour von ÖVP-Chef Sebastian Kurz zählen. Auch manche Wahlgeschenke sollen nicht eingerechnet werden, ebenso die Kosten für Shirts und Jacken. Außerdem habe sich die ÖVP bemüht, hohe Kosten noch vor dem gesetzlichen Stichtag 9. Juli zu verbuchen, berichtet der „Falter“.

Die ÖVP will den „Falter“ nun auf Unterlassung klagen, wie Generalsekretär Karl Nehammer am Dienstag via Aussendung bekanntgab. Mehrere Behauptungen entsprächen nicht der Wahrheit, darunter der Vorwurf, die Öffentlichkeit werde bewusst getäuscht. Falsch sei auch, dass die Volkspartei die Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze vor dem Rechnungshof „verbergen“ wolle.

Kein Kommentar zu Zahlen

Auf Nachfrage der APA, ob die vom „Falter“ genannten Summen zur Wahlkampffinanzierung korrekt sind, wollte man sich in der ÖVP nicht äußern. Dazu könne man nichts sagen, da man die vom „Falter“ verwendeten Dokumente nicht kenne, so ein Parteisprecher.

„Wir können nicht beurteilen, ob der ‚Falter‘ bewusst falsche Behauptungen aufgestellt hat oder man verfälschten oder gefälschten Unterlagen aufgesessen ist“, so Nehammer in der Aussendung. Der ÖVP-Generalsekretär betonte, dass gegenüber dem „Falter“ „die Punkte auch erläutert“ worden seien – „und trotz rechtlich korrekter Erklärung wurden Behauptungen über die Wahlkämpfe 2017 und 2019 in den Raum gestellt, die so einfach nicht stimmen“. Dagegen werde die ÖVP rechtliche Schritte einleiten „und auf Unterlassung klagen“, so Nehammer.

Sickinger: „Kreative Verrechnungen“

Der Rechnungshof kann die von den Parteien eingereichten Aufstellungen kaum überprüfen, da er keine Einsicht in die Parteifinanzen hat. Prüfen müssen sie zuvor nur externe Rechnungsprüfer, welche die Parteien selbst beauftragen. Die Wahlkampfkosten sind gesetzlich für die Zeit vom Stichtag 9. Juli bis zur Wahl am 29. September mit sieben Millionen Euro beschränkt. Die ÖVP hat bisher keine konkreten Angaben gemacht, wie viel sie ausgeben will – aber Kurz hat wiederholt versichert, dass man sich heuer an die Grenze halten wird. Im vergangenen Wahlkampf 2017 überschritt die ÖVP die Grenze beinahe auf das Doppelte.

Sickinger sah gegenüber der APA seine Forderung nach strengerer Kontrolle untermauert. "Der Rechnungshof würde sicher einige Sachen ganz genau hinterfragen“, so Sickinger. „Diese hier aufgezeigten kreativen Verrechnungen“ seien „ein besonders gutes Argument“ für die Ausweitung der Prüfkompetenzen.

Eingänge kurz vor Stichtag

So verwies der Experte etwa darauf, dass laut dem Bericht mehrere hoch dotierte Rechnungen von Agenturen erst knapp vor dem „Stichtag“ eingebracht wurden. Laut „Falter“-Unterlagen ist etwa am 4. Juli im „Rechnungseingangsbuch“ der ÖVP eine Rechnung in der Höhe von 430.755,19 Euro der Agentur Media Select gelistet. Verbucht wurde sie unter dem Schlagwort „Marketing und Kampagnen“.

Am selben Tag finden sich auch drei Rechnungen von Alpha Medien Service über fast 110.000 Euro. Und am 8. Juli sollen sechs Rechnungen des „Campaigning Bureau“ des ÖVP-Wahlkampfmanagers Philip Maderthaner eingegangen sein – im Gesamtwert von 383.000 Euro. Hier müsse man sich schon fragen: „Waren das Leistungen, die laufende Leistungen waren, oder ist da schon einiges für den Zeitpunkt danach?“, so Sickinger. „Wenn das am Tag vor dem Stichtag gestellt wird (die Rechnungen, Anm.), sind solche Fragen sehr angebracht.“

Kurz zu den Vorwürfen im ORF-„Sommergespräch“

Der ÖVP-Chef äußerte sich zu den Vorwürfen betreffend Wahlkampfkosten. Auch zu möglichen Koalition äußerte er sich.

Es fehle die Möglichkeit der externen Überprüfung, betonte der Experte. Wären die Unterlagen nicht „rausgespielt“ worden, so würde davon niemand wissen. Gleichzeitig konstatierte Sickinger, dass das Argument der ÖVP, es gebe eben Kosten, die „ohnehin dauernd anfallen“, und Kosten, „die nur bei Wahlen stattfinden“, etwas für sich hat. „Nur: Wer überprüft das wirklich kritisch?“ „Das sollte der Rechnungshof machen“, so seine Forderung. Die (von den Parteien beauftragten) Wirtschaftsprüfer „werden das nicht sehr kritisch überprüfen“, meinte er. Gefragt, ob das Vorgehen – wie von Kurz behauptet – „rechtskonform“ gewesen sei, sagte Sickinger: „Er hat das Gesetz ausgereizt“ – und „möglicherweise überreizt.“

NEOS sieht „Märchen“

Zurückgewiesen wurde von Sickinger die Behauptung von Kurz im ORF-„Sommergespräch“, die ÖVP sei neben NEOS die einzige Fraktion gewesen, die sich für verstärkte Kontrollen eingesetzt habe. Sickinger verwies auf zwei ÖVP-Entwürfe vom Juni dieses Jahres: Darin sei keine Überprüfung durch den Rechnungshof vorgesehen gewesen. Vielmehr habe sich eine „allgemein gehaltene“ Formulierung gefunden, wonach sich die ÖVP der Mehrheitsmeinung anschließen werde, sollte sich ein Konsens unter den Parteien für eine direkte Rechnungshof-Kontrolle ergeben – „wissend, dass SPÖ und FPÖ das ganz wild entschlossen nicht wollen“.

Auch NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak wies Kurz’ Aussage dazu zurück. „Das ist ein Märchen“, so Scherak in einer Aussendung. „Kurz soll bitte sofort aufhören, ein Wir zu konstruieren, hier gibt es kein Wir. Seine Behauptungen sind einfach unwahr.“ Die ÖVP habe nie "mit uns für mehr Transparenz bei den Parteifinanzen gestimmt“, sagte Scherak. NEOS will in der letzten Nationalratssitzung vor der Wahl erneut das „Anstandspaket“ für mehr Transparenz einbringen. Kurz könne dann zeigen, "wie ernst es ihm ist“.

Ruf nach Aufklärung

Die SPÖ forderte am Dienstag Aufklärung von der ÖVP. Die SPÖ selbst dokumentiere alle ihre Ausgaben des Wahlkampfs in ihrem Wahlkampfbudget. Dabei wolle man sich an die gesetzliche Obergrenze von sieben Millionen Euro halten.

Auch die Grünen meldeten sich zu Wort. Via Aussendung beklagten sie, dass die ÖVP „einen Tag nach Aufdecken der von der ÖVP offenbar mehr als kreativ geführten Abrechnung der Wahlkampfkosten keinerlei Licht ins Dunkel“ bringe und stattdessen eine Klage ankündige. Auch sie forderten mehr Prüfmöglichkeiten des Rechnungshofes sowie abschreckende strafrechtliche Bestimmungen.