Luigi Di Maio und Giuseppe Conte
AP/Gregorio Borgia
Vorbei an der Lega

Italiens neue Regierung steht

Nach dem Platzen der Koalition in Rom vor einem Monat hat sich am Mittwoch die neue Regierung formiert. Die populistische Fünf-Sterne-Bewegung und die Sozialdemokraten (PD) stellten ihr Kabinett vor, dem der parteifreie Premier Giuseppe Conte vorstehen wird. Außenminister wird Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio, Innenministerin die Senatorin Luciana Lamorgese.

Das wochenlange Ringen um eine Regierungsmehrheit ging mit der neuen Kabinettsliste zu Ende. Der designierte Premier Conte legte Staatspräsident Sergio Mattarella am Mittwoch die Namen vor, die Italien künftig regieren sollen. Die Vereidigung ist für Donnerstag geplant.

Mit Lamorgese an der Spitze des Innenministeriums folgt eine Spitzenbeamtin dem Chef der rechtspopulistischen Lega, Matteo Salvini, nach. Lamorgese steht außerhalb des Parteiengeflechts und muss das Haus nun neu organisieren sowie das angekratzte Verhältnis zur EU verbessern. Im „Viminale“, wie das Ministerium nach einem der sieben römischen Hügel genannt wird, war sie zwischen 2013 und 2017 Kabinettschefin unter mehreren Ministern. Die im süditalienischen Potenza geborene Juristin war in Mailand und Venedig Präfektin, also Vertreterin des Zentralstaats in der jeweiligen Provinz.

Außenminister als Überraschung

Di Maio gilt als Überraschung als Außenminister. Dem 33-jährigen Studienabbrecher fehlt internationale Erfahrung, er kann kein Englisch. Im ersten Kabinett Contes war er seit Juni 2018 Vizepremier sowie Industrie- und Arbeitsminister. Anfang des Jahres verärgerte er den Nachbarn Frankreich, als er ohne vorherige Absprache mit Vertretern der Protestbewegung „Gelbwesten“ zusammengekommen war. Paris zog deswegen zeitweilig sogar seinen Botschafter aus Rom ab. Als Vorsitzender der stärksten Partei im Parlament kommt ihm in der neuen Koalition eine Schlüsselrolle zu.

Verteidigungsminister wird PD-Parteivize Lorenzo Guerini. Das Wirtschafts- und Finanzressort übernimmt Roberto Gualtieri von der PD. Er saß seit 2009 im EU-Parlament und leitete seit 2014 den Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Er war auch einer der Chefunterhändler des Parlaments für den Brexit. Auf Gualtieri dürften sich nun die Blicke der internationalen Märkte richten, nachdem die Vorgängerregierung es immer wieder auf einen Konflikt mit Brüssel in der Haushaltspolitik angelegt hatte. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone leidet unter einer chronischen Wachstumsschwäche und einer Rekordverschuldung von mehr als 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Lega-Plan ging nicht auf

Lega-Chef Salvini hatte Anfang August das erst 14 Monate alte Regierungsbündnis mit der Fünf-Sterne-Bewegung platzen lassen. Sein Ziel war eine Neuwahl, seine Partei lag in den Umfragen weit vorn. Der parteilose Regierungschef Conte erklärte daraufhin seinen Rücktritt. Er wurde jedoch Ende August von Präsident Mattarella erneut mit der Regierungsbildung beauftragt, nachdem sich die Fünf-Sterne-Bewegung und die PD, die bisher in der Opposition gewesen war, auf ein Bündnis gegen Salvini und auf Conte als ihren Ministerpräsidenten geeinigt hatten.

Conte galt zu Beginn als Premier der Regierung von Lega und Fünf-Sterne-Bewegung als farbloser Erfüllungsgehilfe. Den meisten seiner Landsleute war er völlig unbekannt. Zuletzt gewann er aber stark an Profil, etwa beim kürzlichen G-7-Treffen in Biarritz.

Genug Konfliktpotenzial

Die politischen Anliegen der beiden Parteien sind ähnlicher als jene der Ex-Partner Fünf Sterne und Lega, an Konfliktpotenzial dürfte es jedoch auch in der neuen Regierung nicht mangeln. Als Streitpunkt gilt bereits die Reform zur Verkleinerung des Parlaments, ein Hauptanliegen im Programm der Fünf-Sterne-Bewegung. Diese Reform sieht die Kürzung von einem Drittel der Parlamentariersitze vor, 345 Sessel würden damit im Parlament wegfallen. Die Reform ist im Parlament fast unter Dach und Fach, eine einzige Abstimmung genügt, um sie zu billigen. Die Sozialdemokraten wollen zwar die Reform unterstützen, sie jedoch mit der Einführung eines neuen Wahlgesetzes verbinden. Das bedeutet Neuverhandlungen über das gesamte Reformprojekt, was viel Zeit beanspruchen würde.

Auch die Migrationspolitik droht zum Nährboden für Streit zwischen den beiden möglichen Koalitionspartnern zu werden. Die Sozialdemokraten fordern die sofortige Abschaffung des von Salvini im Parlament durchgesetzten Sicherheitspakets, mit dem Strafen für Rettungsschiffe eingeführt wurden, die ohne Erlaubnis in Italien einlaufen. Die Fünf Sterne befürchten aber Popularitätsverluste, sollten sie von der von der Lega bestimmten rigorosen Antieinwanderungslinie abweichen. Divergenzen bestehen zwischen den beiden Parteien vor allem in der Europapolitik. Die Fünf Sterne zeigten sich bisher sehr europakritisch. Die Sozialdemokraten sind dagegen stark proeuropäisch und profilieren sich als Garanten konstruktiver Beziehungen mit der neuen EU-Kommission.