Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch in China mit dem chinesischen Premier Li Keqiang
AP/Roman Pilipey
Hongkong, Handelskrieg

Merkel auf heikler China-Mission

Die zwölfte Reise von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel nach China ist diffizil – die Unruhen in Hongkong und der Handelskrieg zwischen China und den USA lassen sich nicht verschweigen. Auch die wirtschaftliche Kooperation lief schon besser – die chinesischen Investitionen in Deutschland sind zuletzt eingebrochen.

Die deutsche Kanzlerin wird bei ihrer insgesamt dreitägigen Reise von einer großen Wirtschaftsdelegation mit Spitzenvertretern von VW über BMW und BASF bis Daimler begleitet. Ungeachtet der angestrebten engeren Wirtschaftsbeziehungen rief Merkel zum Auftakt ihres Besuchs zu einer friedlichen Lösung der Krise in Hongkong auf. Es müsse alles darangesetzt werden, Gewalt zu vermeiden, sagte sie nach einem Gespräch mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang am Freitag in Peking.

Merkel verwies auf das Grundsatzabkommen, nach dem den Bürgern der ehemaligen britischen Kronkolonie „Rechte und Freiheiten“ zustünden. Truppenbewegungen der chinesischen Volksbefreiungsarmee hatten immer wieder Befürchtungen angeheizt, dass Peking die Proteste gewaltsam niederschlagen könnte. „Wir unterstützen die Regierung der Sonderverwaltungszone mit den gesetzlichen Mitteln, um das Chaos zu beheben“, sagte Li auf die Frage, ob Peking die Armee schicken wird. „Alles geschieht im Rahmen des Gesetzes.“

Demonstrant mit Regenschirm in Hong Kong
Reuters/James Pomfret
Seit über drei Monaten gehen in Hongkong Menschen auf die Straße, um ihre Freiheitsrechte zu verteidigen

Die Äußerung wird als Hinweis gewertet, dass Peking möglicherweise im Falle einer Eskalation statt der Entsendung von Soldaten versuchen könnte, einen Ausnahmezustand in der Sonderverwaltungszone ausrufen zu lassen. Hongkonger Protestführer hatten zuvor an die Kanzlerin appelliert, sich in Peking für die Demonstranten einzusetzen und mäßigend auf die kommunistische Führung einzuwirken.

Wieder Tränengas gegen Demonstranten

Trotz Zugeständnissen der Regierung an die Demonstranten kam es am Freitag zu weiteren Ausschreitungen. Die Polizei setzte Gummigeschoße, Tränengas und Pfefferspray ein, um Ansammlungen vor einer U-Bahn-Station auf der dicht besiedelten Halbinsel Kowloon auseinanderzutreiben.

Regierungschefin Carrie Lam hatte diese Woche Maßnahmen eingeleitet, um die Ordnung in der Sonderverwaltungszone wiederherzustellen. Das beinhaltete auch die Rücknahme des umstrittenen Auslieferungsgesetzes, über das sich die Proteste entzündet hatten. Mittlerweile entwickelten sich die seit Juni andauernden Demonstrationen in eine grundsätzliche Forderung nach mehr Demokratie, da das Entgegenkommen Lams für viele „zu wenig, zu spät“ sei.

Militärische Ehren im Sitzen

Merkel war zuvor mit militärischen Ehren empfangen worden. Aufgrund mehrerer Zitteranfälle bei ähnlichen Gelegenheiten, wo sie länger stillstehen musste, hatte sie militärische Empfänge zuletzt wiederholt im Sitzen absolviert – in China war das erstmals auch im Ausland der Fall. Bei der deutschen Nationalhymne saßen sowohl Merkel als auch Li, bei der chinesischen Hymne stand er anders als die Kanzlerin auf.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch in China mit dem chinesischen Premier Li Keqiang
Reuters/Andrea Verdelli
Die Gastgeber stellten Merkel beim Empfang prophylaktisch einen Stuhl bereit

Zweites problematisches Thema neben Hongkong war der Handelskrieg zwischen Washington und Peking. Merkel machte klar, dass sie auf ein rasches Ende des Konflikts hoffe: „Das wäre für uns alle gut.“ Schließlich würden dadurch auch andere Marktteilnehmer in Mitleidenschaft gezogen. Gleichzeitig plädierte sie für den baldigen Abschluss eines Investitionsschutzabkommens zwischen der EU und China. Angesichts des „starken Transfers von neuen Möglichkeiten“ bei Joint Ventures sei eine „verlässliche Zusammenarbeit auf der Grundlage aller geltenden Standards von extremer Bedeutung“.

Merkel lädt ein, „weiter in Deutschland zu investieren“

Chinesische Firmen ermunterte Merkel zu Investitionen in Deutschland – man könne den diesbezüglichen Rückgang in den vergangenen Monaten noch nicht erklären. Deutschland bliebe offen und transparent, einzige Ausnahme seien Investitionen in die kritische Infrastruktur, hier seien die Regeln zuletzt bewusst verschärft werden. „Insofern lade ich alle chinesischen Unternehmen ein, weiter in Deutschland zu investieren“, sagte Merkel.

Kanzlerin Merkel besucht China

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ist zu Besuch in der chinesischen Hauptstadt Peking. Die Unruhen in Hongkong und der Handelskrieg zwischen China und den USA überschatten den dreitägigen Aufenthalt.

Für Irritationen sorgte am Freitag die Nichtzulassung eines Großteils der in Peking ansässigen deutschen und internationalen Korrespondenten zu der Pressekonferenz der beiden Regierungschefs durch die chinesische Seite. Aus „Kapazitätsgründen“ durften nur die aus Deutschland mitgereisten deutschen Journalisten teilnehmen, hieß es anfangs. Nach Protesten wurde erst in letzter Minute noch einer Handvoll deutscher Korrespondenten die Teilnahme erlaubt – viele andere waren gar nicht mehr zur Großen Halle des Volkes gefahren.

Gute Miene, gute Geschäfte

Trotz aller Konflikte nannte Li die chinesisch-deutsche Partnerschaft eine „besonders wichtige in komplizierten und unsicheren Zeiten“. Merkel sagte laut „Süddeutscher Zeitung“, es sei in der Vergangenheit immer wieder gelungen, Probleme zu lösen, „wenn wir sie gemeinsam und zielgerichtet angehen“. Li hob hervor, dass Merkel bereits zum zwölften Mal in China sei. Das zeige das große gegenseitige Interesse und belege, dass sie „herzlich willkommen ist in Peking“.

Merkel wurde am Abend auch von Staats- und Parteichef Xi Jinping zu einem Gespräch und einem Abendessen empfangen – eine protokollarisch besondere Geste. Am Rande des Besuchs kam es zu elf Vertragsunterzeichnungen, mit denen unter anderem Siemens, die Allianz und der Müllentsorger Alba ihr Engagement in China ausbauen. Die Deutsche Post will mit ihrer Tochter StreetScooter den chinesischen Markt erobern.