Österreichs zweifacher Judo-Olympiasieger Peter Seisenbacher
APA/Helmut Fohringer
Seisenbacher

U-Haft wegen Fluchtgefahr verhängt

Über den österreichischen Ex-Judoka Peter Seisenbacher ist am Samstag Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr verhängt worden. Das sagte Christina Salzborn, Sprecherin des Wiener Straflandesgerichts, im Gespräch mit der APA. Dieser Beschluss wurde von einem Journalrichter gefällt. Der unter Missbrauchsverdacht stehende ehemalige Sportler verzichtete auf Rechtsmittel.

Seisenbacher machte vor dem Richter keine Angaben und verzichtete auch auf die Anwesenheit seines Rechtsanwalts, Bernhard Lehofer. Die U-Haft ist nicht befristet, da die Anklage bereits eingebracht wurde, so Salzborn. Ein Termin für die Hauptverhandlung steht noch nicht fest.

Laut seinem Anwalt war die Verhängung der U-Haft eine „absehbare“ Entscheidung: „Nachdem der Herr Seisenbacher zum ersten Hauptverhandlungstermin nicht gekommen ist, würde ich lügen, wenn ich sage, dass der Beschluss jetzt überraschend war. Es war aus meiner Sicht absehbar“, wie Lehofer im Interview mit dem ORF Wien erklärte. Seisenbacher gehe es „den Umständen entsprechend“ – mehr dazu in wien.ORF.at.

Öffentlich zu Vorwürfen nicht geäußert

Seisenbacher war am Donnerstag nach monatelangem Tauziehen von der Ukraine ausgeliefert worden. Der Ex-Sportler wurde noch am Nachmittag in die Justizanstalt Josefstadt eingeliefert. Seisenbacher war vorigen Samstag gefasst worden, als er versucht haben soll, mit einem gefälschten österreichischen Pass von der Ukraine nach Polen zu reisen. Der unter Missbrauchsverdacht stehende Seisenbacher flüchtete vor mehr als zweieinhalb Jahren, bevor er sich vor Gericht hätte verantworten müssen.

Nach dem Ende seiner aktiven Karriere war Seisenbacher als Trainer seinem Sport treu geblieben. In seinem Wiener Judoverein soll er – so die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Wien – zwischen 1997 und 2004 zwei im Tatzeitraum jeweils unmündige Mädchen missbraucht haben.

Eine weitere Jugendliche wehrte ihn laut Anklage ab, als er zudringlich wurde – die Staatsanwaltschaft hat dieses Faktum als versuchten Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses angeklagt. Seisenbacher hat sich zu den Anschuldigungen bisher nicht öffentlich geäußert. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Zusatzprotokoll macht Auslieferung möglich

Seisenbacher soll am 7. September versucht haben, mit einem gefälschten österreichischen Pass – seiner war eingezogen worden – von der Ukraine über die Grenze nach Polen zu reisen. Dabei wurde der Ex-Judoka erwischt und in Haft genommen. Es war nach Informationen der APA im Übrigen nicht der erste Ausreiseversuch. Bereits am 11. Februar 2018 wollte Seisenbacher die Ukraine in Odessa mit einem falschen Reisedokument verlassen. Er wurde damals gefasst und nach kurzer Haft wieder auf freien Fuß gesetzt.

Nach seiner erneuten Festnahme letzte Woche entschied die ukrainische Grenzpolizei, Seisenbacher nach Österreich abzuschieben. Das ist seit dem Frühjahr möglich, nachdem die Ukraine ein Zusatzprotokoll des europäischen Auslieferungsübereinkommens ratifiziert hatte. Seisenbacher wollte nach seiner Inhaftierung nunmehr aber auch freiwillig nach Österreich zurückkehren und bat dafür das österreichische Konsulat um Hilfe. Zwei Zielfahnder des Bundeskriminalamts reisten nach Lwiw und übernahmen den Ex-Judoka am Donnerstag.

Österreichische Sportgeschichte geschrieben

Seisenbacher schrieb österreichische Sportgeschichte: Am 9. August 1984 wurde der gelernte Goldschmied in Los Angeles als erster Judoka aus Österreich Olympiasieger und verteidigte seinen Titel vier Jahre später in Seoul. Schon 1980 errang er bei den Heim-Europameisterschaften in Wien mit Silber seine erste Medaille. 1985 wurde er Weltmeister, 1986 Europameister.

Nur einen Monat nach der zweiten Olympiagoldmedaille wurde der vom aktiven Sport zurückgetretene Seisenbacher als Sporthilfe-Chef vorgestellt. Noch bevor er das Amt des Generalsekretärs mit 1. Jänner 1989 antrat, war er zum dritten Mal nach 1984 und 1985 als Österreichs Sportler des Jahres ausgezeichnet worden. Im Oktober 1993 trat der Vater von zwei Kindern nach etlichen Verwerfungen als Sporthilfe-Generalsekretär ab, unter anderem weil er 1991 bei einem Judo-Turnier einem Grazer Judoka nach einer Meinungsverschiedenheit eine Ohrfeige verpasst hatte.

Juristisches Tauziehen in der Ukraine

Im Herbst 2013 wurde der einstige Sportstar dann aber zum Tatverdächtigen. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen wurden aufgenommen, drei Jahre später entzog sich Seisenbacher seiner Verhandlung im Wiener Landesgericht, wo er sich vor einem Schöffensenat hätte verantworten müssen.

Nachdem er am 19. Dezember 2016 unentschuldigt gefehlt hatte, wurde er mit Europäischem Haftbefehl gesucht und nach längeren Ermittlungen in Kiew am 1. August 2017 festgenommen. Nachdem die ukrainischen Behörden eine Auslieferung abgelehnt hatten, weil das Delikt laut ukrainischem Recht verjährt war, wurde Seisenbacher auf freien Fuß gesetzt. Nach Ratifizierung des Zusatzprotokolls durch die Ukraine im Frühjahr 2019 hatte er nun doch ausgeliefert werden können.