Tunesien: Professor und Medienmagnat in Stichwahl

Die Präsidentenwahl in Tunesien wirbelt die politische Szene durcheinander: Als Sieger aus der ersten Runde gestern sind Teilergebnissen zufolge zwei Außenseiter hervorgegangen, der unabhängige Jus-Professor Kais Saied und der im Gefängnis sitzende Medienmogul Nabil Karoui. Saied kam nach Auszählung von gut einem Viertel der Stimmen auf 19 Prozent, Karoui auf 14,9 Prozent.

Er sei „der Erste im ersten Durchgang“, hatte Saied bereits gestern Abend erklärt. Der 61-Jährige hatte sich im Wahlkampf bewusst von allen Parteien distanziert und auf einen Tür-zu-Tür-Wahlkampf gesetzt. Ein Vertreter von Karouis Partei Qalb Tounes erklärte: „Nabil Karoui ist in der zweiten Runde.“

Der Medienmogul sitzt in Haft, durfte aber trotzdem als Kandidat antreten. Gegen den 56-Jährigen, der nur wenige Tage vor Wahlkampfbeginn verhaftet worden war, wird wegen des Verdachts der Geldwäsche und der Steuerhinterziehung ermittelt.

Inhaftierung ließ Beliebtheit steigen

Karouis Inhaftierung hatte Umfragen zufolge seine Beliebtheitswerte steigen lassen. Der Medienmogul hatte sich in den vergangenen Jahren einen Ruf als Wohltäter aufgebaut, indem er vor den Kameras seines Senders Nessma TV Elektrogeräte und Nahrungsmittel an Arme verteilte.

Vertreter der etablierten Parteien äußerten sich mit Blick auf die bevorstehende Parlamentswahl besorgt. Regierungschef Youssef Chahed, der sich ebenfalls um die Präsidentschaft beworben hatte, rief Parteien der Mitte und Liberale auf, für die Parlamentswahl am 6. Oktober einen Block zu bilden.

Die Popularität des Ministerpräsidenten hatte angesichts der schwächelnden Wirtschaft und steigenden Lebenshaltungskosten im Land gelitten. Ihm wurde zudem vorgeworfen, Karouis Verhaftung Ende August sei politisch motiviert gewesen. Chahed erreichte mit 7,4 Prozent der Stimmen nur den fünften Platz.