Die EU-Kommission werde rund um die Uhr verfügbar bleiben, um zu prüfen, „ob solche Vorschläge den Zielen des Backstop entsprechen“, hieß es mit Blick auf die umstrittene Auffanglösung zu Nordirland weiter. In dem Verfahren werde der EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober ein Meilenstein. Die 27 anderen EU-Länder blieben geeint, betonte Juncker. Er werde dem Europaparlament am Mittwoch in Straßburg Bericht erstatten.
In einer Stellungnahme Johnsons war von einem „konstruktiven Treffen“ die Rede. Er habe erneut sein Festhalten am Karfreitag-Abkommen in der Irland-Frage bekräftigt – wie auch seine „Entschlossenheit, eine Einigung zu erzielen, die die britischen Parlamentarier unterstützen könnten“.
Gespräche sollen intensiviert werden
Er hielt auch am Austrittstermin 31. Oktober fest, er wolle keine Verlängerung bei der EU beantragen. Genau das sieht aber das vom britischen Parlament beschlossene Gesetz vor – wenn bis kurz vor dem Austrittstermin keine Einigung auf den Deal zustande kommt.
Man sei sich zudem einig gewesen, die Diskussionen zu intensivieren, hieß es in der Stellungnahme des britischen Premiers weiter. Demnächst soll es tägliche Treffen geben, der britische Brexit-Beauftragte Stephen Barclay und EU-Unterhändler Michel Barnier sollen ebenfalls regelmäßig miteinander sprechen. Zudem sollten die Gespräche zwischen Juncker und Johnson fortgesetzt werden.
Optimismus vor dem Treffen
Johnson will bis zum Gipfel Änderungen am EU-Austrittsabkommen durchsetzen, was die EU ablehnt. „Ich glaube leidenschaftlich, dass wir das schaffen können“, hatte Johnson vor dem Gespräch gemeint. Allerdings bezeichnete er die Erwartungen daran als „vorsichtig“. Juncker sagte dazu, er sei „vorsichtig optimistisch“ und „verliere nie die Geduld.“
Johnson und Juncker trafen sich zu einem Arbeitsessen – das erste direkte Gespräch der beiden, seit Johnson im Juli Premierminister wurde. Nach dem Arbeitsessen wurde Johnson von ein paar Dutzend Schaulustigen ausgepfiffen, Medien zufolge soll es sich vor allem um britische Expats gehandelt haben.
Johnson ließ Pressekonferenz ausfallen
Eine eigentlich geplante Pressekonferenz mit Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel ließ Johnson kurzfristig ausfallen: Die nur wenige Meter entfernten Demonstrierenden waren zu laut, um das Gesagte verstehen zu können. Bettel trat hingegen vor die Presse: Auch er forderte konkrete Vorschläge der Briten ein – und die Uhr ticke. Die Menschen brauchten Klarheit und Gewissheit, so Bettel. Man dürfe ein Land aus parteipolitischen Gründen nicht in Geiselhaft nehmen.
EU skeptisch
Johnson hatte zuvor auch in der britischen Zeitung „Telegraph“ geschrieben, er glaube an eine Einigung: „Wenn wir in den nächsten Tagen genug Fortschritte erzielen, werde ich zu diesem entscheidenden Gipfel am 17. Oktober gehen und eine Vereinbarung abschließen, die die Interessen der Wirtschaft und der Bürger auf beiden Seiten des Ärmelkanals und auf beiden Seiten der Grenze in Irland schützt.“ Eine Verschiebung des Brexits lehnte er jedoch erneut ab.
Die EU-Seite ist viel skeptischer als Johnson und wartet immer noch auf konkrete Vorschläge aus London. Außenminister Alexander Schallenberg meinte am Montag in Brüssel: „Wenn Premierminister Johnson nicht mit etwas Neuem im Gepäck zum Gespräch und Besuch mit Juncker kommt, dann gibt es ehrlicherweise auf unserer Seite keinen Bedarf mehr, dann wird es einen Hard Brexit geben. Die Briten müssen uns sagen, was sie brauchen, um das Parlament in London überzeugen zu können.“
Die Zeit läuft
Viel Zeit bleibt Johnson nicht in Luxemburg, denn schon am Dienstag beschäftigt sich das oberste britische Gericht mit einem heiklen Brexit-Aspekt: Der Supreme Court beginnt dann mit der Anhörung zu der Frage, ob die von Johnson auferlegte fünfwöchige Zwangspause des Parlaments überhaupt rechtmäßig ist. Ein schottisches Gericht hatte die Schließung bis zum 14. Oktober für unrechtmäßig erklärt und Johnson vorgeworfen, die Abgeordneten kaltstellen zu wollen.
Angesichts der heftigen Brexit-Streitereien und auch Tricksereien haben viele Britinnen und Briten einer Umfrage zufolge kein großes Vertrauen mehr in ihr Parlament. 74 Prozent der Befragten glauben, dass dieses „nicht fit für das 21. Jahrhundert“ ist. Etwa 80 Prozent halten der ComRes-Umfrage zufolge Reformen für dringend notwendig.