Brand in Saudi Arabien
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Angriffe auf Ölanlagen

Suche nach den Schuldigen

Die Drohnenangriffe auf die Ölanlagen von Saudi Aramco in der saudi-arabischen Wüste halten nicht nur das Königreich in Atem. Die ganze Welt ist in Alarmbereitschaft wegen möglicher militärischer Nachwehen. Während die USA Drohgebärden aussprechen, schießt der Ölpreis in die Höhe. Inzwischen wird nach den Schuldigen gesucht. Saudi-Arabien und die USA sind überzeugt: Der Iran soll hinter den Angriffen stecken.

Mehrere Einschläge trafen am Wochenende das Zentrum der saudischen Ölindustrie im Nordosten des Landes. Zu den genauen Schäden schwieg sich die Führung in Riad bisher aus. Damit erreicht der Konflikt des saudischen Königreichs mit seinem schiitischen Erzfeind Iran auf der anderen Seite des Golfs eine neue Eskalationsstufe.

Schon häufiger war Saudi-Arabien in den vergangenen Monaten angegriffen worden, aber bisher nicht so massiv. Wieder einmal übernahmen die mit dem Iran verbündeten Huthi-Rebellen aus dem Bürgerkriegsland Jemen die Verantwortung für die Bombardierung, doch geben sich weder Saudi-Arabien noch die USA mit dieser Erklärung zufrieden.

Brand in Saudi Arabien
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Über den angegriffenen Ölanlagen von Saudi Aramco stieg dichter Rauch auf

Die US-Regierung geht einem Bericht der „New York Times“ („NYT“) zufolge davon aus, dass sie aus der entgegensetzten Himmelsrichtung verübt wurden: aus dem Iran oder dem Irak. Denkbar wäre das, da Teheran in der Region über ein dicht geknüpftes Netz an Verbündeten verfügt, die im Sinne des Iran handeln und als Reaktion auf die US-Sanktionen gegen das Land militärisch aktiv werden können. Von den USA vorgelegte Satellitenbilder geben jedoch kaum Aufschluss, wer tatsächlich hinter den Angriffen steckt.

Drohnenabschussort unklar

Die Huthi-Rebellen kontrollieren große Teile des Bürgerkriegslandes Jemen und haben die international anerkannte Regierung aus der Hauptstadt Sanaa vertrieben. Saudi-Arabien unterstützt aber die jemenitische Regierung und bombardiert die Rebellen aus der Luft, weil sie den Verbündeten des Iran von ihrer Grenze vertreiben wollen. Die Huthis wiederum greifen das Königreich immer wieder mit Raketen und Drohnen an. Dabei trafen sie schon früher wichtige Ölinfrastruktur.

Die jetzt getroffenen Einrichtungen liegen rund 800 Kilometer von der Grenze zum Jemen entfernt. Trotzdem könnten die Huthi-Rebellen in der Lage sein, die Anlagen von Saudi Aramco anzugreifen. Sie verfügen mittlerweile über die Drohne „Samad-3“, die sie im vergangenen Sommer präsentiert hatten und die sogar noch größere Entfernungen zurücklegen können soll.

Saudi-Arabien bekräftigte am Montag, für die Angriffe hätten die Huthis iranische Waffen eingesetzt – und zwar Drohnen des Typs „Ababil“. Die Huthis besitzen mit der „Kasef-1“ ein unbemanntes Flugzeug, das nach Ansicht der UNO mit der „Ababil“ nahezu identisch ist. Allerdings: „Ababil“ und „Kasef-1“ verfügen nur über eine Reichweite von 100 bis 150 Kilometern. Der saudische Militärsprecher fügte hinzu, die Drohnen seien aber nicht von jemenitischem Boden abgefeuert worden. Bewiesen ist das nicht.

Iran weist US-Vorwürfe zurück

Die USA beschuldigen den Iran. US-Präsident Donald Trump kündigte in der Nacht auf Montag via Twitter einen möglichen Vergeltungsschlag an: „Wir haben Anlass zu glauben, dass wir den Schuldigen kennen, und warten Gewehr bei Fuß auf die Bestätigung.“ Auch US-Außenminister Mike Pompeo beharrte darauf, dass der Iran hinter den Angriffen auf Saudi-Arabien stehe.

Der Iran weist die Vorwürfe aber vehement zurück. Allerdings, und das ist auch das Argument der USA, besäße der Iran die Kapazitäten, Ziele in Saudi-Arabien anzugreifen. Doch wäre es ein untypisches Verhalten für Teheran. Die Iraner agieren in der Region gewöhnlich auf andere Art und Weise: Sie greifen nicht selbst an – sie lassen angreifen.

Das würde wiederum für die Huthi-Erklärung sprechen. So hat der Iran den Huthis im Jemen geholfen, ihre militärischen Kapazitäten auszubauen. Auch im Bürgerkrieg in Syrien unterstützen iranische „Militärberater“ zahlreiche Milizen, die an der Seite von Machthaber Baschar al-Assad kämpfen.

Rouhani verteidigt Jemen

Der iranische Präsident Hassan Rouhani verteidigte unterdessen die Angriffe, die, wie er meint, aus dem Jemen kämen. „Es ist legitim für die Jemeniten, sich gegen die Vernichtung ihres Landes zu wehren und die Flut der amerikanischen Waffenlieferungen an die Saudis zu erwidern“, sagte Rouhani am Montag in Ankara.

Alle redeten von Raffinerie und Öl, statt über den Krieg und die menschliche Katastrophe im Jemen zu sprechen. Die einzige Lösung für den Jemen sei ein Ende des brutalen Kriegs und der Leiden der Menschen. Der Friedensprozess für Syrien könnte auch für den Jemen als Muster dienen, so der iranische Präsident am Rande des Syrien-Gipfels mit seinen Kollegen aus der Türkei und Russland.

Zu Vorwürfen der USA, dass der Iran an den Drohnenangriffen auf die größte Ölraffinerie in Saudi-Arabien beteiligt gewesen sei, äußerte sich Rouhani nicht. Schon zuvor hatte das Außenministerium in Teheran die Vorwürfe als absurd zurückgewiesen. „Weil die US-Politik des maximalen Drucks auf den Iran gescheitert ist, sind die Amerikaner nun auf die der maximalen Lügen umgestiegen“, sagte Außenamtssprecher Abbas Mussawi. Was im Jemen passiere, sei einfach nur der Widerstand der Jemeniten „gegen die Kriegsverbrechen der von den Saudis angeführten Militärkoalition“.

Ursprung im Irak?

Doch es gibt auch noch weitere Orte in der Region, von denen die Drohnenangriffe auf Saudi-Arabien hätten gestartet werden können. Schiitische Milizen im Irak etwa gehören in der Region zu den treuen Partnern des Iran. Die einflussreichen Volksmobilisierungskräfte stehen zwar offiziell unter dem Kommando des irakischen Regierungschefs, führen aber ein Eigenleben. Gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kämpften sie in vorderster Reihe. In dieser Zeit gewannen sie nicht nur große militärische Erfahrung, sondern rüsteten sich mit der Hilfe des Iran auch auf.

Drohnenangriffe: USA machen Iran verantwortlich

Die USA werfen dem Iran vor, hinter den Angriffen zu stecken. Trump droht mit einem Vergeltungsschlag. Der Iran weist die Vorwürfe zurück.

Die schiitischen Milizen im Irak hätten auch ein Motiv: In den vergangenen Wochen wurden mehrfach Waffenlager der Gruppen mit Drohnen angegriffen. Diese machten dafür Israel verantwortlich, ebenfalls ein Erzfeind des Iran. Aus Vergeltung könnten sie nun mit Saudi-Arabien einen anderen Verbündeten der USA angegriffen haben. Allerdings sind sie bisher mit derartigen Angriffen nicht in Erscheinung getreten.

Zudem wäre es ein riskantes Spiel. Die Lage im Irak bleibt trotz des militärischen Sieges über den IS fragil. Die US-Sanktionen gegen den Iran belasten auch das krisengeplagte Land, das enge Kontakte zum Nachbarn pflegt, politisch und wirtschaftlich. Der irakische Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi bemüht sich darum, sein Land aus den Konflikten der Region herauszuhalten. In einem Telefonat mit US-Außenminister Pompeo beteuerte er, er wolle Angriffe aus dem Irak auf Nachbarn verhindern.

Internationale Akteure warnen vor voreiligen Schlüssen

Andere internationale Akteure warnten vor voreiligen Schuldzuweisungen. „In Abwesenheit einer überzeugenden Untersuchung Schlüsse darüber zu ziehen, wer die Verantwortung tragen sollte, könnte an sich unverantwortlich sein“, sagte etwa die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Hua Chunying, am Montag.

Brand in Saudi Arabien
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Der Rauch zog bis in bewohnte Gebiete

Reaktionen müssten auf internationaler Ebene erfolgen, zuvor müssten aber alle Fakten auf dem Tisch liegen, hieß es auch vonseiten der EU, Großbritanniens und Deutschlands. „In der Frage der Verantwortung ist das Bild nicht eindeutig“, meinte etwa der britische Außenminister Dominic Raab. Deutschland mahnte zu „Besonnenheit“ und forderte, Fakten zu sammeln, um ein „klares Lagebild“ zu erhalten. Russland bezeichnete von den USA ins Augen gefasste Vergeltungsmaßnahmen als „inakzeptabel“.

Putin preist Saudi-Arabien russische Waffen an

Kreml-Chef Wladimir Putin bot Saudi-Arabien unterdessen russische Waffen zum Kauf an. „Wir sind bereit, Saudi-Arabien angemessen zu unterstützen“, sagte er am Montag bei einem Gipfel im türkischen Ankara. Der Präsident verwies dabei auf die Raketenabwehrsysteme S-300 und S-400. Diese Waffen „werden zuverlässig jede Infrastruktur in Saudi-Arabien schützen“. Das Land sollte aber selbst wählen zwischen S-300 und dem neueren Nachfolgemodell S-400.

Iran bringt Tanker im persischen Golf auf

Eine weitere, möglicherweise mit den Angriffen in Saudi-Arabien zusammenhängende Causa geht unterdessen im Persischen Golf weiter. Laut einem Bericht der Agentur ISNA brachten die iranischen Revolutionsgarden ein Schiff wegen angeblichen Schmuggels von 250.000 Liter Dieseltreibstoff in die Vereinigten Arabischen Emirate auf. Laut ISNA wurde die Mannschaft iranischen Behörden übergeben. Ihre Nationalität ist unklar.

Bereits Mitte Juli setzte der Iran den britischen Öltanker „Stena Impero“ im Golf fest – zwei Wochen nachdem die britische Marine den iranischen Tanker „Grace 1“ (heute: „Adrian Darja 1“) vor Gibraltar aufgebracht hatte. London begründete das damals damit, dass der Tanker iranisches Öl entgegen EU-Sanktionen nach Syrien transportieren wolle.

Ölpreis deutlich gestiegen

Der Ölpreis reagierte am Montag prompt auf die unsichere Situation auf der arabischen Halbinsel. Die Preise stiegen so stark wie seit dem Golfkrieg Anfang der 1990er Jahre nicht mehr. Viele Investoren brachten ihr Geld in Sicherheit. Die Nordsee-Sorte Brent verteuerte sich in der Spitze um 19,5 Prozent auf 71,95 Dollar je Barrel (159 Liter). Im Tagesverlauf bröckelte der Ölpreis aber wieder ab, nachdem mehrere Länder angekündigt hatten, strategische Reserven freizugeben. Mit 66,52 Dollar lag er nur noch gut zehn Prozent im Plus und notierte so hoch wie seit vier Monaten nicht mehr.

Analyse aus Washington

ORF-Korrespondentin Hannelore Veit schildert die Situation aus den USA. Angst, dass das Öl ausgehe, habe das Weiße Haus nicht, sagt sie.

Leichtes US-Öl verteuerte sich ebenfalls um etwa zehn Prozent. Reserven will US-Energieminister Rich Perry jedenfalls noch nicht anzapfen. Es gebe auf dem Markt „bedeutende Mengen Öl“, sagte Perry am Montag telefonisch dem Nachrichtensender CNBC. Die strategischen Reserven einzusetzen wäre daher „ein bisschen voreilig“. Auch Trump argumentierte zuvor ähnlich.

Kneissl: „Keine neue geopolitische Risikoprämie“

Die frühere österreichische FPÖ-Außenministerin und Energiemarktanalystin Karin Kneissl sieht keinen Grund für Panik auf dem Ölmarkt, wie sie dem deutschen „Handelsblatt“ sagte. Den jüngsten Preissprung will sie nicht überbewertet wissen: „Kurzfristig springen die Preise nach oben“, sagte Kneissl. „Aber das ist keine neue geopolitische Risikoprämie.“

Ölpreis schießt hoch

Der Ölpreis ist am Montag gehörig nach oben gegangen. Bei Börsenöffnung lag der Preis der Rohöl Sorte Brent gleich 20 Prozent über dem vom Freitag.

Wie es nun weitergeht, hängt nach Einschätzung von Fachleuten davon ab, ob die Situation am Golf eskaliert. „Die Auswirkungen für die Märkte sollten begrenzt sein, solange es nicht zu erhöhten Spannungen zwischen dem Iran und den USA beziehungsweise Saudi-Arabien kommt“, sagte Rupert Thompson, Chefanalyst beim Vermögensverwalter Kingswood. Schließlich sei vor Kurzem noch über Überkapazitäten gesprochen worden. Saudi-Arabien ist der weltweit größte Ölexporteur.