Dürers 1502 entstandene Naturstudie „Feldhase“ sei ein „absolutes Meisterwerk an Beobachtung und Wiedergabe“, sagte der Chefkurator der Schau, Christof Metzger. Am liebsten würde man dem Hasen „durchs Fell wuscheln“, so viele einzelne Haare seien von Dürer gezeichnet worden. Schon zu seiner Entstehungszeit sei Dürers Tierstudie ein „Faszinosum allerersten Ranges“ gewesen. Der Zauber hält bis heute an. Und: Mehr als 500 Jahre nach seiner Entstehung erwacht der Hase zum Leben – zumindest auf Smartphone- und Tabletdisplays: Das Wiener Start-up Artivive hat Dürers Meisterwerk mit Hilfe einer App digital erweitert.
Für die Albertina ist der „Feldhase“ indes zum Wappentier geworden. Mit nahezu 140 Arbeiten besitzt das Museum im Zentrum Wiens den weltweit größten Bestand an Zeichnungen Dürers. Die aktuelle Schau wurde um Leihgaben aus aller Welt ergänzt. Insgesamt sind 200 Werke des Renaissancemeisters zu bewundern.
„Blut, Schweiß und Tränen“
Die „Anbetung der Könige“ kam aus den Uffizien in Florenz – „Eine Leihgabe, auf die wir besonders stolz sind, und die uns Blut, Schweiß und Tränen gekostet hat“, so Metzger –, das „Bildnis eines bartlosen Mannes“ aus dem Prado, das frühe nackte Ganzkörperselbstporträt aus Weimar, der „Heilige Hieronymus“ aus Lissabon und die grausame „Marter der zehntausend Christen“ aus dem Kunsthistorischen Museum.
Metzger hat die Ausstellung grundsätzlich chronologisch gehängt, mit thematischen Schwerpunktsetzungen etwa zu den Hell-dunkel-Studien, zum Porträt, zu Druckgrafik oder zu den Naturstudien. Neben dem „Feldhasen“ hängen „Das große Rasenstück“ (1503) und der „Flügel einer Blauracke“ (um 1500). „Eigentlich war Dürer das Malen wahnsinnig lästig, weil er da an Auftraggeber gebunden war“, so Metzger. Und doch stehen Dürers Gemälde den meist weitaus bekannteren Zeichnungen in nichts nach.
Ebenfalls zu sehen sind Dürers „Betende Hände“ (1508). Das Besondere an Dürers Detailstudien von Händen etwa sei, dass diese oft detaillierter und feiner seien, als sie dann letztlich im fertigen Gemälde auftauchen, so Metzger. Diese Studien habe Dürer nicht nur zur Vorbereitung angefertigt, sondern oft auch als Schaustücke für sein Atelier. So konnte Dürer sein Können allen Interessierten eindrucksvoll präsentieren und auf einen großen Fundus zurückgreifen.
Dürer-Ausstellung in Wiener Albertina
In einer neuen Schau zeigt die Wiener Albertina fast 200 Werke des Nürnberger Renaissancekünstlers Albrecht Dürer. Mit dabei ist nicht nur der weltberühmte „Feldhase“.
Humanist und großer Beobachter
Für Albertina-Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder sind es aber nicht nur die zahlreichen neuen Leihgaben, die diese Ausstellung von jener aus dem Jahr 2003 unterscheiden, die 430.000 Besucherinnen und Besucher anlockte. Dank der Vielfältigkeit der Exponate – neben den Zeichnungen gibt es auch rund ein Dutzend Gemälde sowie persönliche Aufzeichnungen zu sehen – gebe es durchaus „einen neuen Dürer“ zu entdecken.
Ausstellungshinweis
„Albrecht Dürer“, bis 6. Jänner, Albertina, montags bis sonntags 10.00 bis 18.00 Uhr, mittwochs und freitags bis 21.00 Uhr.
Auch die Provenienzforschung habe in den vergangenen 16 Jahren „große Fortschritte gemacht“. Manche Zuschreibungen haben sich (wieder) geändert, und so wurde etwa der elfteilige Zyklus der „Grünen Passion“, der zeitweise aus Dürers Oeuvre ausgeschieden wurde (für Schröder „einer der größten Fehler meiner Amtszeit“), seinem Werk wieder eingegliedert.
Bei einem Pressetermin hob Schröder die „einzigartige Vorurteilslosigkeit, mit der dieser große Humanist die Welt beobachtete“, hervor. Diese Unvoreingenommenheit und der „frische erste Blick“ machten Dürers Werk ungebrochen aktuell.
Jubiläumsjahr 2021
Terminlich wäre es naheliegender gewesen, die Schau 2021 über die Bühne gehen zu lassen. In diesem Jahr hätte Dürer seinen 550. Geburtstag gefeiert. Dass die Ausstellung bereits diesen Herbst zu sehen ist, hängt mit dem Vertrag Schröders als Direktor zusammen. Der 64-Jährige wollte ihn dieses Jahr auslaufen lassen, zum Abschied hätte es eine große Dürer-Schau geben sollen. Im März wurde Schröders Kontrakt bis 2024 verlängert, die große Ausstellung findet dennoch statt – Audio dazu in oe1.ORF.at.