Peter Pilz
APA/Robert Jaeger
Nationalrat

Heiße Debatte über ÖVP-Hack

In der Debatte zur „Dringlichen“ rund um den ÖVP-Hack haben sich die anderen Parlamentsparteien am Donnerstag in der Nationalratssondersitzung gegen die ÖVP gestellt. So gab es etwa Zweifel an einem Angriff von außen, auch ein Ablenkungsmanöver wurde vermutet. Justizminister Clemens Jabloner bestätigte hingegen einen Hackerangriff.

Die bisherigen Ermittlungen würden den Verdacht eines Hackerangriffs bestätigen, so Jabloner. Ein Unbekannter habe sich in Wien Zugriff zu ÖVP-Daten verschafft, mindestens ein Passwort geändert und eine große Menge Daten abgesaugt. Im Moment gebe es Ermittlungen gegen unbekannt wegen des Verdachts des widerrechtlichen Zugriffs auf ein Computersystem und der Datenbeschädigung zum Nachteil der ÖVP, so Jabloner, der keine Angaben zur Zahl der Verdächtigen machte.

Zu Beginn seiner Antwort stellte der Vizekanzler klar, dass er „sehr gerne“ zur Aufklärung beitragen möchte. Sein Informationsstand sei allerdings „naturgemäß lückenhaft“, nicht er führe das Ermittlungsverfahren, sondern die Staatsanwaltschaft in Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei. Über Details zu den Ermittlungen könne er deshalb nur „beschränkt Auskunft geben“.

Justizminister Clemens Jabloner
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Jabloner sagte gleich zu Beginn seiner Antwort, dass sein Informationsstand „lückenhaft“ ist

Größerer Datentransfer Anfang September

Dennoch gebe es einige Fakten, so Jabloner. Am 2. September gelangten demnach vermeintliche Buchhaltungsdokumente der ÖVP an die Öffentlichkeit. Am 5. September informierte die ÖVP über einen vermeintlichen Hackerangriff und erstattete Anzeige beim Innenministerium. Am 6. September sichtete die Staatsanwaltschaft Wien die ersten Dokumente. Seit 10. September gibt es laut Jabloner außerdem eine enge Kooperation mit Europol in dieser Causa.

Zwischen 30. August und 1. September seien 463 GB an Daten transferiert worden, im System sollen der oder die Täter seit Juli gewesen sein. Ob geleakte Daten verfälscht wurden, sei Gegenstand von Ermittlungen. Mehr könne er noch nicht dazu sagen, so der Justizminister, es sei nicht seine „Aufgabe, Spekulationen anzustellen“. Weil eine Spur zu einem Server in Frankreich führt, erging ein Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Wien an die französischen Behörden.

Keine Verbindung zwischen Hack und E-Mail-Affäre

Bisher gebe es keine Anhaltspunkte zur Vortäuschung einer Straftat durch die ÖVP und daher auch keine Ermittlungen in diese Richtung, so Jabloner weiter. Seinen Informationen zufolge gibt es keine Verbindung zwischen dem vermeintlichen Hack und der E-Mail-Affäre in der ÖVP. Die ÖVP hatte behauptet, dass E-Mails gefälscht wurden, wonach die Spitzen der Volkspartei schon frühzeitig von der „Ibiza-Affäre“ informiert waren. Daran gibt es allerdings einige Zweifel.

Pilz fordert „rasche Aufklärung“

JETZT-Abgeordneter Peter Pilz forderte in seiner Rede zur von JETZT eingebrachten „Dringlichen“ eine „rasche Aufklärung“, wie die Daten aus der ÖVP-Parteizentrale gekommen sind. „Sie haben bis heute keine Beweise für einen Angriff durch einen Hacker“, sagte Pilz. „Sie haben bis heute keine Beweise für einen Angriff von außen!“ Außerdem bezeichnete er die ÖVP als „Fake-Meister-Partei der Republik Österreich“.

Seine Vermutung: Der Angriff sei nur erfunden worden, um von einer Überschreitung der Wahlkampfkosten abzulenken. Pilz kritisierte auch, dass die ÖVP die echten Buchhaltungsunterlagen nicht vorgelegt hat. Ob die vom „Falter“ veröffentlichten Unterlagen echt sind, ist umstritten.

Alle gegen ÖVP

Auch die anderen Parteien wollen der ÖVP offenbar nicht so recht glauben. „Irgendetwas ist faul in dieser ÖVP“, meinte SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried und erinnerte etwa an die Reißwolf-Affäre. Die alte ÖVP sei auch etwas mühsam gewesen. Die neue Volkspartei sei aber eine Partei geworden, der man vorsätzliche Täuschung, Verantwortungslosigkeit und Abhängigkeit von Millionären zurechnen könne, so Leichtfried.

Die FPÖ ließ ihre Abgeordnete Dagmar Belakowitsch mutmaßen, dass die ÖVP schon vor Auffliegen der „Ibiza-Affäre“ Wahlen geplant habe. Letztlich habe die ÖVP nur die Freiheitlichen in Schwierigkeiten bringen wollen, sei nun aber selbst die Partei, die Schwierigkeiten habe. Die Vorwürfe rund um den Datendiebstahl seien bloß Ablenkungsmanöver, so Belakowitsch.

Viele Fragen für Parteien noch offen

JETZT-Mandatarin Daniela Holzinger-Vogtenhuber sah auch durch Jabloners Aussagen keinen Beleg, dass nicht doch jemand aus der ÖVP hinter dem Datenklau stecken könnte. Denn der Justizminister habe sehr viele Fragen offen gelassen. Indirekt legte sie sogar nahe, dass die Volkspartei hinter der „Ibiza-Affäre“ stecken könnte. Die Hintermänner müssten Interesse daran gehabt haben, die FPÖ erpressen und kontrollieren zu können, und das seien sicher keine linken Aktivisten gewesen, hätten diese doch das Video früher veröffentlicht, um Türkis-Blau zu verhindern.

NEOS-Klubvize Nikolaus Scherak gab der ÖVP hingegen zu bedenken, dass die Veröffentlichung ihrer Zahlen letztlich unproblematisch gewesen wäre, wenn die Partei mit diesen Daten genauso transparent umginge wie NEOS. Tatsächlich sei die Volkspartei aber bei jeder Transparenzinitiative – wie übrigens auch SPÖ und FPÖ – immer dagegen gewesen.

Nehammer reichen Jabloners Antworten

Von der ÖVP meldete sich Generalsekretär Karl Nehammer zu Wort, der JETZT vorwarf, das Klima weiter zu vergiften und eine Politik zu betreiben, die nur noch Argwohn und Verschwörungstheorien verbreite. Nehammer sieht durch Jabloners Antworten die „Anpatzversuche“ von Pilz ins Leere laufen. Die ÖVP sieht er in Sachen Datendiebstahl weiter einem sehr perfiden und mit hoher krimineller Energie durchgeführten Angriff ausgesetzt.