Menschen von kanadischer Botschaft in Havanna, Kuba
Reuters/Alexandre Meneghini
Diplomaten auf Kuba erkrankt

Mysteriöses „Havanna-Syndrom“ geklärt

Das „Havanna-Syndrom“ – eine mysteriöse Erkrankung westlicher Diplomaten und Diplomatinnen in Kuba – scheint geklärt. In Pestiziden enthaltene Nervengifte könnten laut einer neuen Studie die rätselhaften Gesundheitsbeschwerden der Angehörigen der diplomatischen Vertretungen in Kuba verursacht haben.

Wahrscheinliche Ursache der Erkrankungen seien in Mitteln zur Mückenbekämpfung enthaltene Nervengifte, heißt es in einer am Donnerstag von Radio Canada veröffentlichten Untersuchung von Gehirnspezialisten der Universität Dalhousie und der Gesundheitsbehörde von Nova Scotia.

Seit 2016 hatten Dutzende kanadische und US-Diplomaten und -Diplomatinnen sowie deren Angehörige in Kuba Gesundheitsprobleme entwickelt, die als „Havanna-Syndrom“ bekanntwurden. Die Behörden in Kanada und den USA hatten zunächst mysteriöse „Akustikattacken“ als Ursache vermutet.

US-Botschaft in Havanna
www.picturedesk.com/Desmond Boylan
Auch US-Diplomaten waren von der seltsamen Krankheit betroffen – hier die US-Botschaft in Havanna

Druckwelle und Geräusche im Kopf

Betroffene berichteten, dass sie eine Art Druckwelle in ihrem Kopf spürten. Viele hörten auch laute Geräusche, vergleichbar mit Zikaden, die sie innerhalb des jeweiligen Gebäudes verfolgten, beim Öffnen einer Tür nach außen aber nicht mehr zu hören seien. Einige Betroffene beschrieben zudem eine Art unsichtbaren Energiering. Die Opfer litten im Anschluss unter anderem unter Kopfweh, Schwindel, Schlafstörungen und Tinnitus. Deshalb ging man längere Zeit von „Akustikattacken“ auf die Diplomaten und ihr Umfeld aus.

Soldat versprüht Pestizid in Havanna, 2016
APA/AFP/Yamil Lage
Ein Militärangehöriger versprüht ein Insektenmittel

Die Regierungen Kanadas und der USA hatten daraufhin ihr Botschaftspersonal in Kuba reduziert. Havanna reagierte mit Unverständnis. Die Regierung in Ottawa hatte den Einsatz einer Akustikwaffe durch Kuba später allerdings als „unwahrscheinlich“ eingestuft.

Blutproben und MRT

In der jetzt veröffentlichten Studie wurden 26 Teilnehmer und Teilnehmerinnen untersucht, darunter eine Kontrollgruppe von Leuten, die nie in Kuba lebte. Allen Probanden wurden Blutproben entnommen, zudem wurden MRT-Aufnahmen gemacht. Nun vermuten die Wissenschaftler, dass Neurotoxine für die Symptome verantwortlich sein könnten. Solche Nervengifte seien etwa in Pestiziden enthalten, die in Kuba zur Insektenvernichtung eingesetzt würden.

Ab 2016 sei das Land rigoros gegen Moskitos vorgegangen, die das Zika-Virus übertragen. Unter anderem seien Büros der Diplomaten mit den Mitteln behandelt worden. Die Forscher wollen nun mit den Behörden in Kuba zusammenarbeiten, um herauszufinden, ob es auch in der einheimischen Bevölkerung ähnliche Krankheitsfälle gegeben habe.

Erster Fall war CIA-Mitarbeiter

Der erste Fall wurde auch Ende 2016 bekannt, wie der „New Yorker“ in einer Zusammenfassung des „Havanna-Syndroms“ Ende letzten Jahres schrieb. Ein CIA-Mitarbeiter und erfahrener Spion berichtete damals, dass er in seinem Haus in Kuba ungewöhnliche Geräusche in seinem Kopf und ein Druckgefühl gespürt habe, gefolgt von Kopfweh und Schwindel.

Er wird in dem „New Yorker“-Artikel als erfahrener Spion beschrieben, der auch darauf trainiert wurde, Gegenspionage zu erkennen. Im Gegensatz zu Russland oder China war körperliche Gewalt gegen Agenten in Kuba bis dahin allerdings nicht an der Tagesordnung.

2017 meldete sich kanadischer Diplomat

Rund zehn Tage später meldete derselbe CIA-Agent einen weiteren Vorfall. Als zwei weitere CIA-Agenten kurz darauf von vergleichbaren Symptomen berichteten, die sie in ihren Häusern erlebt hätten, begann die US-Regierung, die Fälle näher zu untersuchen. Sie rief die Mitarbeiter ihrer Botschaft in Kuba auf, sich untersuchen zu lassen – es kamen dabei immer mehr Fälle ans Tageslicht.

Die „Angriffe“ seien auch in den Wohnungen und Häusern der jeweiligen Opfer durchgeführt worden. Im Sommer 2017 informierten die USA Botschaftsmitglieder anderer Staaten über die mysteriösen Erkrankungsfälle. Daraufhin meldeten sich die ersten Betroffenen aus Kanada, darunter ein Diplomat und seine Familie.