Schlafzimmer in Versailles
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Liebe, Sex, Macht, Tod

Das Bett, viel mehr als ein Möbel

Im Bett verbringen wir ein Drittel unseres Lebens, die meisten Menschen werden im Bett gezeugt, geboren und sterben darin. Doch wo, wie und mit wem man schläft und was man eigentlich alles im Bett macht, hat sich im Laufe der Menschheitsgeschichte stark verändert. Ein historischer Rückblick zeigt aber, dass Trends wie Bed-Office und Co-Sleeping gar nicht so neu sind.

„Nirgendwo bildet sich der Wandel der Gesellschaft so deutlich ab, wie dort, wo man sich zum Schlafen hinlegt“, schreibt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“). So frönten etwa die alten Griechen und Römer liegend dem guten Leben, der Sonnenkönig Ludwig der XIV. regierte Frankreich von seinem Schlafgemach aus, während John Lennon und Yoko Ono dreihundert Jahre später mit ihrem „Bed-ins for Peace“ gegen Krieg demonstrierten. Und der US-amerikanische Schauspieler Groucho Marx scherzte einst: „Alles, was nicht im Bett getan werden kann, ist es ohnehin nicht wert zu tun.“

Heutzutage gelte das Schlafzimmer aber nur noch als Rückzugsort für Ruhe und Erholung, es sei das „ultimative Reich“ der Privatsphäre, wie der Anthropologe Brian Fagan in der Onlinemedienplattform The Conversation schreibt. Eintreten dürften lediglich Partner, Liebhaber und die eigenen Kinder. In seinem kürzlich erschienenem Buch „What We Did in Bed“ („Was wir im Bett getan haben“, Anm.) zeigt Fagan zusammen mit der Autorin Nadia Durrani jedoch, dass dem nicht immer so war.

Schlafzimmer von Ludwig XIV.
Eines der prunkvollen Schlafzimmer von Ludwig XIV.

Ein Bett für alle Fälle in der Antike

So war es in der Antike unüblich, Schlaf- und Wohnbereich zu trennen – dementsprechend nahm auch das Bett mehrere Funktionen ein. Je nach Verwendungszweck unterschieden die Römer das Ehebett, Krankenlager und Totenbett, das Ruhebett, auf dem gelesen, meditiert und liegend geschrieben wurde, und das niedrige, einem Sofa ähnelnden Speisebett, dessen hintere Seite oft auch mit einer Lehne versehen war.

Da Betten zu dieser Zeit ausschließlich der reichen Oberschicht vorbehalten waren, durfte eine luxuriöse Ausstattung wie mit Elfenbein verzierte Füße nicht fehlen. Dabei galt wie bereits im alten Ägypten: Je wohlhabender der Besitzer, desto komfortabler war sein Bett. Ähnlich wertvolle Betten fanden sich folglich auch im Grab des ägyptischen Königs Tutanchamun – auch der Pharao selbst war in einem goldenen Sarg gebettet.

Mittelalter: Zehn Personen, splitternackt in einem Bett

Auch im Mittelalter gab es noch keine strikte Trennung zwischen den Wohnbereichen – so diente das zu der Zeit beliebte Himmelbett tagsüber als Sitzgelegenheit und nachts mit zugezogenen Vorhängen als Schlafstätte. Im ländlichen Bereich baute sich die Bevölkerung Holzgestelle, auf denen Decken, Polster und Felle mit Gurten befestigt wurden – von einem eigenen Bett konnten die meisten aber nur träumen.

Matratze als Luxus

Auch wenn sich Vorläufer von Betten bereits in der Bronzezeit finden lassen, waren Matratzen bis in die Neuzeit purer Luxus für die breite Bevölkerung. Das gemeine Volk schlief jahrhundertelang auf harten Unterlagen mit Teppichen oder mit Säcken, die mit Naturmaterialien wie Heu und Stroh gefüllt waren.

So sei es durchaus üblich gewesen, dass Familienmitglieder, Sklaven und Diener ein Bett teilten. Dass „häufig mehr als zehn Personen splitternackt und kunterbunt durcheinander schliefen“, habe vor allem der Kirche missfallen, schreibt Pascal Dibie in seiner „Kulturgeschichte des Schlafzimmers“.

„Airbnb“ in Zeiten der Industrialisierung

Und während William Shakespeare um 1600 das berühmte „Große Bett von Ware“, das auf drei mal drei Metern Platz für bis zu vier Paare bot, sogar in seinem Stück „Was ihr wollt“ erwähnte, teilte man sich laut Fagan in China und der Mongolei bereits 5.000 v. Chr. seine Schlafstelle mit anderen. Auf Kangs – beheizten Plattformen aus Stein – boten Einheimische Reisenden Platz zum Schlafen.

Dass Co-Sleeping aber auch heutzutage noch ein Thema darstellt, beweisen über 600 Millionen Einträge auf Google – die meisten beziehen sich dabei auf das nicht unumstrittene Familienbett, wo Kinder ganz nahe bei ihren Eltern schlafen dürfen.

Zur Zeit der Industrialisierung wiederum gab es aufgrund des knappen und teuren Wohnraums die „Bettgeher“: Menschen, die gegen ein geringes Entgelt ein Bett nur für einige Stunden am Tag mieteten, während der Wohnungsinhaber die Schlafstelle nicht benötigte. Ein Konzept, das ein wenig an das heutige Airbnb erinnert.

Schauspieler im „Bed of Ware“
Reuters/Ian Waldie
Schauspieler der Royal Shakespeare Company posieren in Englands berühmtestem Bett, dem „Great Bed of Ware“

„Viel Bett bedeutete viel Potenz“

Frankreichs Sonnenkönig Ludwig XIV. soll hingegen mehr als 400 Schlafstätten sein Eigen genannt haben, 155 davon sollen überdimensionale Exemplare gewesen sein – denn „viel Bett bedeutete viel Potenz“, wie die „Zeit“ schreibt. Gerade an Fürstenhöfen dienten Betten nämlich weniger zum Schlafen als zu Repräsentationszwecken. Denn das Schlafzimmer war auch jener Raum, an dem Gäste und Gesandte empfangen wurden.

Bereits Alexander der Große soll im vierten Jahrhundert vor Christus von seinem Bett mit goldenem Baldachin aus sein Weltreich regiert und Besprechungen abgehalten haben – so wie später eben auch Frankreichs Könige im „lit de justice“ (Bett der Justiz, Anm.) mit dem baldachinüberdachten Königsthron in der Ecke des Versammlungssaales. Das Bett als Prunkmöbel schlechthin wurde in fast allen Epochen aufwendig verziert und mit kostbaren Stoffen versehen.

Von öffentlich zu privat zu öffentlich

Erst als das Bett im 19. Jahrhundert zur Massenware wurde, verschwanden die kunstvollen Verzierungen wieder. Dafür zogen „bürgerlicher Scham und Privatheitsvorstellungen in den Schlafraum ein“, so die „FAZ“. Zur politischen Bühne wurde das Bett wohl erst wieder mit Lennon und Ono. Zwei Wochen lang demonstrierten sie bei ihren „Bed-ins for Peace“ im Zeichen von „Make Love, not War“ (Macht Liebe, nicht Krieg, Anm.) für den Weltfrieden.

John Lennon und Yoko Ono, 1969
APA/AFP/ANP
John Lennon und Yoko Ono machten das Bett bei ihren „Bed-ins for Peace“ zur politischen Schaubühne

Das Bett als Arbeitsplatz

Doch gerade Bed-Office, wie es bei den Königen und Fürsten der Fall war, scheint ein Revival zu erleben. Zwar haben bereits in der Vergangenheit viele Dichter, Denker und Künstler vom Bett aus Großes vollbracht, doch gerade in Zeiten von Home-Office scheint arbeiten vom Bett aus auch im Mainstream angekommen zu sein. So fand das Softwareunternehmen Adobe kürzlich heraus, dass 35 Prozent der US-amerikanischen Millennials vom Bett aus ihre Arbeits-E-Mails lesen.

Und auch der soziale Faktor scheint im Bett an Bedeutung zu gewinnen: Laut Umfrage der „Washington Post“ nehmen 80 Prozent der Jugendlichen ihr Smartphone mit ins Bett. Und so meint Fagan: „In gewisser Weise hat die Technologie das Bett in seine frühere Rolle zurückversetzt: Ein Ort, an dem man bis spät in die Nacht mit Freunden, vielleicht sogar Fremden, chatten und Kontakte knüpfen kann.“