Heinz-Christian Strache
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Auf freiem Fuß

Straches Ex-Bodyguard soll ausgepackt haben

Der frühere Leibwächter von Heinz-Christian Strache (FPÖ), der angeblich seit Jahren kompromittierendes Material gesammelt hat, ist nach seiner Festnahme am Montag wieder auf freiem Fuß. Mehrere Medien berichteten am Mittwoch, der Mann habe vor den Behörden ausgepackt. Strache dementiert, die FPÖ prüft. Zwei Tage nach der Wahl soll sich die FPÖ Wien zudem mit einer möglichen Suspendierung Straches beschäftigen.

Der frühere Leibwächter Straches könnte in Sachen „Ibiza-Video“ und Spesen-Affäre zum Kronzeugen werden. Mehrere Zeitungen (Onlineausgaben) berichteten am Mittwoch, der Mann, der auch Polizist sein soll, habe sich gegenüber den ermittelnden Behörden kooperativ verhalten. Laut „Standard“ war auch eine weitere Befragung, die von Straches einstiger Assistentin, ergiebig. Der ehemalige Leibwächter soll jahrelang kompromittierendes Material über Strache und andere in der FPÖ gesammelt haben. Gegen ihn wird laut Medienberichten wegen des Verdachts der Veruntreuung und mutmaßlicher Erpressung ermittelt. Die Staatsanwaltschaft schweigt dazu, weil der Fall eine Verschlusssache ist. Laut den „Salzburger Nachrichten“ wurde der Mann von der Landespolizeidirektion Wien vorübergehend dienstfrei gestellt.

Die Affäre beschäftigt die FPÖ kurz vor der Wahl intensiv. Im Raum steht der Vorwurf, Ex-FPÖ-Chef Strache habe ein Spesenkonto für private Zwecke missbraucht. Strache dementiert. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Straches Ex-Bodyguard, der auch auf Bezirksebene für die FPÖ tätig war, wurde am Montag in dem Zusammenhang festgenommen. Medienberichten zufolge sei er mit den Machern des „Ibiza-Vieos“ bekannt. Wie der „Standard“ am Mittwoch meldete, habe jener Wiener Anwalt, der in die Entstehung des „Ibiza-Videos“ verwickelt und mit dem der frühere Leibwächter bekannt sein soll, anderen Parteien und Medien bereits 2015 belastende Informationen zum Kauf angeboten. Als darauf niemand reagierte, könnte Zeitungsberichten zufolge die Idee zum Dreh des „Ibiza-Videos“ entstanden sein.

Rechnung an Strache

Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp bestätigte am Mittwoch, dass die Einrichtung eines Spesenkontos für Strache von bis zu 10.000 Euro im Monat von der Wiener Landespartei abgesegnet gewesen sei. Derzeit werden die Geldflüsse genau unter die Lupe genommen. Indizien für eine missbräuchliche Verwendung der Mittel gibt es laut Nepp vorerst nicht. Wiens Listenerste Dagmar Belakowitsch und ihr Bruder Hans-Jörg Jenewein, ebenfalls Abgeordneter, verneinten hingegen, von entsprechenden Beschlüssen gewusst zu haben.

Nepp bestätigte aber auch, dass Strache zudem monatlich 2.500 Euro Mietkosten für sein Haus in Niederösterreich erhalten habe, allerdings nur, bis er als Obmann zurückgetreten sei. Dass die Zahlungen zumindest vorübergehend weitergelaufen seien, sei richtig. Allerdings werde der seit dem Rücktritt angefallene Betrag Strache nun als Forderung in Rechnung gestellt. Anders gestaltet sich das bei der Beistellung eines Sicherheitsmannes bzw. Fahrers für Strache und der Möglichkeit, ein Büro in den Räumlichkeiten der Landespartei zu nutzen. Hier wird die Unterstützung fortgesetzt.

Heinz-Christian Strache und Ehefrau Philippa am Opernball 2019
ORF.at/Roland Winkler
Das Ehepaar Strache: Auch Zahlungen an Philippa Strache wurden kolportiert

Die kolportierten Zuwendungen für Straches Ehefrau Philippa, die unter anderem auch als Tierschutzbeauftragte der FPÖ tätig ist, sind laut Nepp nicht von der Wiener Landespartei gekommen. Die Frage, ob Strache aus der Partei ausgeschlossen werden soll, stellt sich laut seinem Nachfolger an der Wiener Parteispitze vorerst nicht. „Zuerst muss man schauen, was an den Vorwürfen dran ist“, sagte Nepp. Berichte, wonach etwa Sporttaschen voller Geld übergeben sein sollen, kenne er aber auch nur aus den Medien. Sollte sich der Verdacht auf Straftaten bestätigen, sei ein Parteiausschluss natürlich möglich.

Sitzung zu möglicher Suspendierung

Am Dienstag will die Wiener FPÖ laut einem Bericht der „Presse“ zu einer geplanten Vorstandssitzung zusammenkommen. Dabei sollen auch die Spesenabrechnungen Thema sein. Sollten sich die Verdachtsmomente erhärten, könnte die Partei laut dem Bericht Strache suspendieren.

Einen Ausschluss Straches nach der Wahl hält auch Politikberater Thomas Hofer für wahrscheinlich. Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, dann sei das „Gift für das Image, das man sich aufgebaut hat", sagt Hofer im Interview mit „Wien heute“ – mehr dazu in wien.ORF.at.

Ex-FPÖ-Chef Heinz Christian Strache, sein ehemaliger Sicherheitsmann und Johann Gudenus
APA/Herbert Pfarrhofer
Bild aus dem Jahr 2014: der frühere Leibwächter, FPÖ-Mann Johann Gudenus und Strache

Strache selbst wehrte sich am Mittwoch auf Facebook erneut gegen die Vorwürfe. Die in „Medien kolportierten und völlig unkritisch übernommenen (wieder einmal anonym erhobenen) Verleumdungen gegen meine Person, meine Frau und Familie sind nicht zu tolerieren und schon gar nicht hinzunehmen“, schrieb er.

Er werde dagegen vorgehen, kündigte Strache an. Er betonte, nicht er, sondern das gesamte FPÖ-Team in seinem Büro habe ein Spesenkonto gehabt – für die Termine und Touren durch die Bundesländer. Er habe keine Kreditkarte der Partei gehabt und sein Gewand „selbstverständlich“ privat gekauft. Auch seine Frau habe niemals Spesen über die Partei abgerechnet. Straches Anwalt sagte, die Behauptungen seien „an den Haaren herbeigezogen“ und im Vorfeld der Nationalratswahl arrangiert worden.

Parteispitzen halten sich bedeckt

In den bisherigen Parteireaktionen – so zuletzt auch von Nepp – war nie bestritten worden, dass es ein Spesenkonto für Strache gab. Tirols FPÖ-Obmann Markus Abwerzger zeigte sich am Mittwoch zum Thema Strache bedeckt, man wolle die Prüfungen abwarten. Oberösterreichs FPÖ-Landesparteichef und stv. Bundesparteiobmann Manfred Haimbuchner wollte die Causa nicht kommentieren. Das sei „Angelegenheit der Wiener Landesgruppe“, hieß es aus seinem Büro. Vorarlbergs FPÖ-Obmann Christof Bitschi erwartete sich eine „vollumfängliche und rasche Aufklärung“ der Vorwürfe. Kärntens FPÖ-Obmann Gernot Darmann sprach von einer „sehr durchschaubaren Schmutzkübelkampagne“.

Norbert Hofer, Straches Nachfolger an der Parteispitze, hatte erst am Dienstag via Facebook reagiert und die FPÖ als Opfer dargestellt. Er sprach von einem „Angriff auf die gesamte Demokratie“ und einem „kriminellen Netzwerk“, das der FPÖ schaden wolle. Hofer stellte in den Raum, die Infos seien – wenige Tage vor der Wahl – von den Machern des „Ibiza-Videos“ an die Medien gespielt worden. Sollten die Prüfungen ein Fehlverhalten aufzeigen, werde er aber Konsequenzen ziehen. Welche, sagte Hofer nicht.

Kurzmann spricht von „Selbstbedienungsladen“

In der FPÖ habe es immer Gerüchte über unsaubere Geldverwendung durch Strache gegeben, sagte hingegen der steirische FPÖ-Landtagspräsident Gerhard Kurzmann am Mittwoch in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“. Die FPÖ sei „zum Teil ein Selbstbedienungsladen gewesen“, berichtete der ehemalige FPÖ-Rechnungsprüfer. Bis 2015 war Kurzmann laut dem Interview in den Führungsgremien der Bundespartei. „Ich habe schon davor in der Ära von Jörg Haider erlebt, dass vieles, was erst später aufgekommen ist, einfach nicht sauber war im Sinne einer politischen Ethik“, sagte er jetzt. Seinen Angaben zufolge hätten Spitzenpolitiker mit Steuergeld Ausflüge bezahlt und sich Kleidung gekauft.

„Haider war zu Beginn in Ordnung. Aber irgendwann hat er seinen Weg verlassen. Macht und Geld korrumpieren“, so Kurzmann. Auch bei Strache habe es immer wieder Gerüchte gegeben. In seiner Zeit seien diese Gerüchte allerdings „nie Thema einer offiziellen Sitzung“ gewesen, beteuerte Kurzmann im Gespräch mit der „Kleinen Zeitung“.

Wie die Affäre um mutmaßlich falsche Spesenabrechnungen für Strache endet, ist derzeit unklar. Die Staatsanwaltschaft führt Ermittlungen durch, darf zu der Causa allerdings keine näheren Auskünfte erteilen.