Zeichnendes Kind
ORF.at/Lukas Krummholz
Sketchnotes

Leichter lernen durch Kritzeln

Wenn Schülerinnen und Schüler während des Unterrichts in ihre Collegeblöcke und auf ihre Schreibunterlagen zeichnen, müssen sie – moderne Pädagogik hin oder her – mitunter damit rechnen, ermahnt zu werden. Denn Kritzeln wird von einigen Lehrenden auch heute noch mit Unaufmerksamkeit und Tagträumerei gleichgesetzt. Langsam bahnen sich Kritzeleien aber ganz offiziell ihren Weg in die Klassenzimmer.

Studien zeigen, dass man sich besser an Gehörtes erinnert, wenn man dabei vor sich hin kritzelt. Selbst dann, wenn man nur Kringel und Schnörkel malt, während die Biologielehrerin den Prozess der Photosynthese von Pflanzen beschreibt. Richtig sinnvoll wird Kritzeln allerdings, wenn es in Bezug zum Inhalt des Unterrichts steht – in der Form von Sketchnotes.

Mit Sketchnotes, zusammengesetzt aus den englischen Wörtern für „Skizze“ und „Notiz“, kann ein Thema wie die Photosynthese in eine visuelle Geschichte gepackt werden – mit simplen Zeichnungen und einzelnen Stichwörtern. Anstatt beim Zuhören lediglich linear mitzuschreiben, werden die wichtigsten Informationen gefiltert, beim Zeichnen strukturiert und mit Symbolen und Stichwörtern dargestellt. Um eines geht es dabei gar nicht: künstlerische Perfektion.

Zeichnung über die Photosynthese
ORF.at/Romana Beer
Eine Sketchnote zum Thema Photosynthese von Nadine Roßa aus dem Buch „Sketchnotes in der Schule“ (Cornelsen Verlag)

Von der Tech- und Medienbubble in die Schulen

Bei TED Talks, Konferenzen wie der re:publica und anderen tech- und medienaffinen Veranstaltungen finden sich Sketchnoter schon seit einigen Jahren im Publikum, um die auf dem Podium präsentierten und diskutierten Inhalte auf Papier oder dem Tablet festzuhalten und dann auch gleich mit den entsprechenden Hashtags auf dem Kurznachrichtendienst Twitter und Instagram zu teilen.

Ein Sketchbuch
Mike Rohde
Mike Rohde hat 2012 mit dem „Sketchnote Handbuch“ das erste Buch zum Thema Sketchnotes veröffentlicht

In Schulen ist diese Form der Visualisierung noch wenig verbreitet, doch zuletzt gab mit Cornelsen immerhin ein Schulbuchverlag ein an Lehrerinnen und Lehrer gerichtetes Buch heraus, in dem beschrieben wird, wie Sketchnotes im Unterricht eingesetzt werden können. Und warum das sinnvoll ist.

Cover des Buchs „Sketchnotes in der Schule“
Cornelsen Pädagogik

Buchhinweis

Nadine Roßa: Sketchnotes in der Schule. Unterrichtsinhalte leicht darstellen und merken. Cornelsen Verlag, 80 Seiten, 16,50 Euro.

Handouts, Lernplakate, Tafelbilder

Einsatzmöglichkeiten gibt es in der Schule viele: Individuelle „Mitschriften“, mit denen der Unterrichtsstoff später wiederholt werden kann, Handouts für Referate und Lernplakate. Aber auch Lehrerinnen und Lehrer können Sketchnotes einsetzen, als Gestaltungselement von Arbeitsblättern etwa oder als Tafelbilder. Sogar im Turnunterricht können Sketchnotes hilfreich sein, zum Beispiel zur Erklärung von Spielregeln.

Durch das Aktivieren mehrerer Kanäle wie Zuhören, Zusehen, Schreiben und Zeichnen erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit, dass sich Inhalte einprägen, stark, schreibt die Berliner Autorin, Designerin und Sketchnoterin Nadine Roßa in ihrem Buch „Sketchnotes in der Schule“. Beim Zeichnen von Sketchnotes müssen der Schüler und die Schülerin das neu Gelernte reflektieren, aufbereiten und mit Vorwissen verknüpfen. Das Gehirn werde dadurch aktiviert, und Dinge blieben besser hängen.

Wer kritzelt, merkt sich mehr

Schon 1971 zeigte die Dual Coding Theory, dass man sich Informationen aus Text und Bild besser merken kann als rein textliche Informationen. Neben mehreren weiteren Untersuchungen kam 2018 auch die Studie „The Surprisingly Powerful Influence of Drawing on Memory“ („Der überraschend starke Einfluss des Zeichnens auf das Gedächtnis“) zu dem Ergebnis, dass Zeichnen dem Gedächtnis auf die Sprünge hilft. Jene Hälfte der Probandinnen und Probanden, die Wörter wie „Birne“ und „Lastwagen“ aufschrieb, merkte sich weniger der Wörter als jene Hälfte, die die Begriffe zeichnete.

„Ich kann nicht zeichnen“

Die Freude am Zeichnen sei „sehr häufig irgendwann beim Übergang vom Kind zum Erwachsenen verlorengegangen“, schreibt Roßa. Und die meisten Berührungsängste mit Sketchnotes ließen sich auf den weitverbreiteten Satz „Ich kann nicht zeichnen“ zurückführen. Roßa rät: „Einfach loslegen!“ Denn beim Zeichnen von Sketchnotes gehe es weder um Zentralperspektive noch um Details. Da bestimmte Begriffe aber immer wieder auftauchen, kann es hilfreich sein, ihnen fixe Symbole zuzuordnen, auf die man schnell zurückgreifen kann – in Form einer eigenen visuellen Bibliothek.

Zeichnungen in einem Sketchbuch
ORF.at/Romana Beer
Dinge, die im Unterricht immer wieder vorkommen, können in einer Symbolbibliothek gesammelt werden

Man muss also nicht gut zeichnen können, um Sketchnotes anzufertigen, eine Sache hingegen ist aber besonders wichtig: aktives Zuhören. Denn die Schülerinnen und Schüler müssen lernen herauszufiltern, welche Informationen im Lehrervortrag besonders wichtig sind – eine Eigenschaft, die Kindern und Jugendlichen im Laufe ihres Lebens aber ohnehin sehr nützlich sein wird, so Roßa. Denn diese Generation müsse „wie keine andere vor ihr eine große Menge an Informationen aufnehmen und filtern“.