Künftige EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen
Reuters/Vincent Kessler
Künftige EU-Kommission

Zwei Kandidaten von der Leyens abgelehnt

Die künftige EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen musste am Donnerstag einen herben Rückschlag hinnehmen: Sowohl die Kommissarsanwärterin aus Rumänien, Rovana Plumb, als auch der Kandidat aus Ungarn, Laszlo Trocsanyi, wurden wegen Integritätsproblemen vom Rechtsausschuss des Europaparlaments mehrheitlich abgelehnt.

Gegen Plumb, die in von der Leyens Team für die Verkehrsagenden vorgesehen war, votierten insgesamt 15 Ausschussmitglieder, für sie sechs, zwei enthielten sich. Die mehrfache Ministerin soll für eine Regierungsentscheidung zugunsten einer Firma verantwortlich sein, die dem langjährigen Parteichef der Sozialdemokraten, Liviu Dragnea, nahestand. Dragnea musste inzwischen wegen einer Affäre um Scheinbeschäftigung eine Haftstrafe antreten.

Ermittlungen der rumänischen Antikorruptionsstaatsanwaltschaft gegen Plumb konnten nicht geführt werden, weil sich das Parlament in Bukarest 2017 weigerte, ihre Immunität aufzuheben. Zudem soll die 59-Jährige, die seit dem Sommer EU-Abgeordnete ist, es unterlassen haben, gegenüber den europäischen Gremien einen Kredit über 800.000 Euro und ein Darlehen über 800.000 Lei (rund 170.000 Euro) von einer natürlichen Person zu erwähnen. Letzteres spendete sie anschließend laut eigenen Angaben kurz vor der Europawahl ihrer Partei.

Rumänische EU-Kommissarsanwärterin Rovana Plumb
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Plumb wird nicht Kommissarin

„Ich bin keine reiche Frau“

Plumb bekräftigte am Donnerstag, aus ihrer Sicht sei die Parteispende „gemäß nationalen Regeln“ korrekt gelaufen. Nach rumänischem Recht handle es sich auch „nicht um eine Spende“, sondern „einen kofinanzierten Beitrag“ zum Wahlkampf. Der rumänische Staat zahle die Beträge nach der Wahl an die Partei zurück und diese an den Kandidaten. „So ist das Gesetz.“

Der 2007 aufgenommene Immobilienkredit habe dazu gedient, für ihre „ganze Familie“ ein Haus zu bauen, sagte Plumb weiter. „Ich habe eine Familie, eine große. Ich bin keine reiche Frau. Deshalb brauche ich Kredite.“ Der Bankkredit sei „weitgehend zurückgezahlt“, laufe aber noch bis 2030.

„Inkompetenz über die Grenze exportiert“

Rumäniens Präsident Klaus Iohannis forderte die Regierung in Bukarest auf, einen neuen Kandidaten zu benennen. Er habe Regierungschefin Viorica Dancila von Anfang an davor gewarnt, Plumb für den Posten zu nominieren, sagte Iohannis. Sie erfülle „die Kriterien der Integrität und Professionalität nicht“. Der Liberal-Konservative warf den regierenden Sozialdemokraten vor, „Inkompetenz über die Grenze zu exportieren“.

Nach Plumb wurde auch der ungarische EU-Kommissarsanwärter Trocsanyi in einer Anhörung abgelehnt: Elf EU-Abgeordnete stimmten gegen ihn, neun für ihn, zwei enthielten sich. Trocsanyi war für den Bereich EU-Erweiterung vorgesehen und hätte damit die Nachfolge von Johannes Hahn antreten sollen. Hintergrund für seine Ablehnung ist das laufende EU-Strafverfahren gegen Ungarn wegen Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien, das 2018 durch das EU-Parlament ausgelöst wurde, sowie ein Interessenkonflikt wegen seiner Beteiligung an einer Anwaltskanzlei.

Ungarischer EU-Kommissarsanwärter Laszlo Trocsanyi
AP/MTI/Szilard Koszticsak
Auch Trocsanyi fiel durch

Kein Kommentar der Kommission

Die österreichischen EU-Delegationen begrüßten geschlossen die Ablehnung der beiden Kandidaten. Die EU-Kommission hingegen kommentierte die Entscheidungen nicht. Eine Sprecherin verwies auf die Vorschriften des EU-Parlaments, die nun mehrere Optionen vorsehen. Laut Geschäftsordnung kann bei einem festgestellten Interessenkonflikt der Rechtsausschuss Empfehlungen abgeben, die auf eine Lösung des Konflikts abzielen, wie zum Beispiel von den fraglichen finanziellen Interessen Abstand zu nehmen. Dem designierten Präsidenten der Kommission kann auch dazu geraten werden, dem Kommissarsanwärter einen anderen Geschäftsbereich zu übertragen.

Wenn keine Lösung gefunden wird, kann der Rechtsausschuss als letztes Mittel zu dem Schluss gelangen, dass das designierte Kommissionsmitglied nicht in der Lage ist, das Amt gemäß den Verträgen und dem Verhaltenskodex auszuüben. Der Präsident des Parlaments ersucht in diesem Fall den Präsidenten der Kommission um Auskunft über die weiteren Schritte, die dieser zu unternehmen beabsichtigt.

Kandidaten müssen „über jeden Verdacht erhaben“ sein

Laut der Sprecherin sehen die EU-Verträge vor, dass jeder Kommissarskandidat „über jeden Verdacht erhaben“ und unabhängig sein muss sowie im allgemeinen Interesse der Europäischen Union tätig zu sein habe. Zu laufenden Ermittlungen gegen mehrere EU-Kommissarskandidaten äußerte sie sich wie üblich nicht.

„Lassen Sie die Behörden ihre Arbeit machen“, hieß es. „Die Unschuldsvermutung ist ein sehr wichtiger Eckpfeiler in der Europäischen Union, von jedem unabhängigem Justizsystem.“ Diese wird auch auf von der Leyen selbst angewandt: Die Berateraffäre im Verteidigungsministerium ist Gegenstand eines laufenden parlamentarischen Untersuchungsausschusses.

Von der Leyens Team soll ihr Amt planmäßig am 1. November antreten. Ab kommender Woche müssen sich die EU-Kommissare Anhörungen in den Fachausschüssen des EU-Parlaments stellen. Die EU-Kommission muss dann noch vom Europaparlament als Ganzes bestätigt werden. Das Votum findet am 23. Oktober in Straßburg statt. Dem Parlamentssprecher zufolge ist dieser Zeitplan aber nicht in Stein gemeißelt.