Familienbeihilfe: Österreich bat EU um Fristverlängerung

Im laufenden Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich hat die Bundesregierung die EU-Kommission um eine Fristverlängerung in Sachen Indexierung der Familienbeihilfe gebeten. Das erfuhr ORF.at gestern aus Brüssel. „Österreich hat um eine Verlängerung der Frist um einen Monat ersucht, und die Kommission hat dem stattgegeben“, teilte ein Sprecher der EU-Kommission auf Anfrage per E-Mail mit.

Klage vor dem EuGH steht im Raum

Die Brüsseler Behörde hatte Anfang des Jahres ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet. Die von der ÖVP-FPÖ-Regierung umgesetzte Indexierung der Familienbeihilfe sei „zutiefst unfair“ und widerspreche Unionsrecht. Bis Ende September hatte Österreich Zeit, eine „Übereinstimmung mit dem EU-Recht herzustellen“ und über die dazu getroffenen Maßnahmen zu berichten. Bisher ist das aber nicht passiert. Der nächste Schritt der EU-Kommission wäre eine Klage gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Regierungssprecher Alexander Winterstein bestätigte gegenüber ORF.at die Fristverlängerung bis Ende Oktober. „Der Antrag wurde akzeptiert, und Österreich wird der EU-Kommission nun fristgerecht antworten“, so Winterstein. Die Antwort an Brüssel wird aller Voraussicht nach noch unter der Beamtenregierung von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein verfasst werden. Außer die nächste Regierung steht binnen eines Monats.

Weniger Geld für Kinder in Osteuropa

Zu Jahresbeginn hatte die ÖVP-FPÖ-Regierung die Unterstützung für Kinder im EU-Ausland und der Schweiz an die dortigen Lebenshaltungskosten angepasst, was für Osteuropa deutliche Kürzungen bedeutet. Seither gibt es somit für ein Kind von bis zu zwei Jahren, das etwa in Rumänien lebt, nur noch 56,20 Euro österreichische Familienbeihilfe monatlich statt zuvor 114 Euro; für Drei- bis Neunjährige sind es nun 60,10 statt 121,90 Euro. Für Deutschland beträgt die Differenz drei Euro.

Die geplatzte ÖVP-FPÖ-Regierung hatte sich nach früheren Angaben Einsparungen von 114 Millionen Euro pro Jahr erhofft. 2017 wurden 253,2 Millionen Euro an Beihilfen ins Ausland bezahlt. Eine etwas höhere Leistung gibt es durch die Verordnung für Kinder in den Ländern Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Island und Luxemburg. Auch in den Niederlanden, Norwegen, Schweden, der Schweiz und Großbritannien wird eine höhere Familienbeihilfe gezahlt.

Unterschiedliche Rechtsmeinungen

Die damalige ÖVP-FPÖ-Regierung zeigte sich von den Mahnungen aus Brüssel unbeeindruckt und argumentierte, dass die Indexierung mit europäischem Recht vereinbar sei. Man berief sich dabei auf ein Rechtsgutachten des Wiener Sozialrechtlers Wolfgang Mazal, der der Maßnahme eine Europarechtskonformität attestiert hatte.

Europarechtler Walter Obwexer und Sozialrechtsexperte Franz Marhold teilten diese Meinung nicht. „Wenn der Gerichtshof bei der bisherigen Rechtsprechung bleibt, geht sie (die Indexierung) nicht durch“, sagte Obwexer. Auch Marhold verwies auf die EuGH-Judikatur, die eine Indexierung als Verletzung der Grundfreiheiten sehe.