Russischer Außenminister Sergej Lawrow
Reuters/Shamil Zhumatov
Russland

US-Ukraine-Affäre „völlig übertrieben“

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat den Streit in den USA über die Ukraine-Affäre von Präsident Donald Trump als völlig übertrieben bezeichnet – der Vorfall werde „unverhältnismäßig aufgebauscht“, so Lawrow. Zusätzlich geriet Trump aber auch wegen neuer Enthüllungen zur Russland-Affäre unter Druck. Unterdessen unternahmen die Demokraten erste konkrete Schritte in ihrem Amtsenthebungsverfahren.

Mit Blick auf die Ukraine-Affäre kritisierte Lawrow die jüngste Veröffentlichung von Gesprächsprotokollen des US-Präsidenten. „Was die Protokolle von Telefonaten angeht, hat meine Mutter, als sie mich groß gezogen hat, mir beigebracht, dass es unangemessen ist, an andere adressierte Briefe zu lesen“, sagte Lawrow am Freitag in New York.

Lawrow forderte die US-Regierung zudem indirekt dazu auf, keine Protokolle von Gesprächen zwischen Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin zu veröffentlichen. „Für zwei Menschen, die von ihren Nationen ans Ruder gewählt wurden, gibt es diplomatische Gepflogenheiten, die ein gewisses Maß an Vertraulichkeit voraussetzen“, sagte Lawrow am Rande der UNO-Generaldebatte.

„Was für eine Demokratie ist das?“

Lawrow kritisierte die US-Parlamentarier und die Medien dafür, die Veröffentlichung des Protokolls erzwungen zu haben. „Lautstark zu sagen, dass man eine Regierung in die Knie zwingt, wenn sie nicht ein bestimmtes Memo, das einen Partner mit betrifft, vorzeigt – was für eine Demokratie ist das? Wie kann man unter solchen Bedingungen arbeiten?“

Zudem warf Lawrow den westlichen Ländern Scheinheiligkeit vor: „Es ist schwierig für den Westen, die Abnahme seiner jahrzehntelangen Dominanz in der Weltpolitik hinzunehmen.“ Um dieser Entwicklung gegenzusteuern, mache der Westen immer wieder seine eigenen Regeln, lege Sachverhalte aus, wie sie ihm gerade passten, und halte sich nicht an Absprachen. Das alles mache es für Russland immer schwieriger, mit dem Westen zusammenzuarbeiten – nur zusammen könne man aber die Herausforderungen und Gefahren der Welt bewältigen.

US-Präsident Trump
AP/Carolyn Kaster
Trump sieht sich nicht nur mit einem Amtsenthebungsverfahren konfrontiert, sondern auch mit Enthüllungen zur Russland-Affäre

Eimischung in US-Wahl 2020 angestrebt?

Im Zentrum der Vorwürfe steht ein umstrittenes Telefonat Trumps mit dem ukrainischen Präsidenten Selenski Ende Juli, in dem der US-Präsident seinen Amtskollegen zu Ermittlungen ermunterte, die seinem politischen Rivalen Joe Biden schaden könnten. Dabei geht es um frühere Geschäfte von Bidens Sohn Hunter in der Ukraine und angebliche Bemühungen, seinen Sprössling vor der ukrainischen Justiz zu schützen. Biden liegt im Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur für die Wahl 2020 vorne.

Ukraine-Affäre setzt Trump unter Druck

In der Ukraine-Affäre kommt US-Präsident Donald Trump immer stärker unter Druck. Wie berichtet, geht es um ein Telefongespräch des Präsidenten mit seinem Amtskollegen in der Ukraine.

Im Rahmen seiner Arbeit will ein Whistleblower Informationen mehrerer Regierungsmitarbeiter erhalten haben, wonach der US-Präsident „die Macht seines Amtes nutzt“, um zu erreichen, dass sich ein anderes Land zu seinen Gunsten in die US-Wahl 2020 einmischt. Der Republikaner Trump weist alle Vorwürfe zurück.

Spekulationen über Identität von Whistleblower

Der Whistleblower beschuldigte das Weiße Haus mit Blick auf das Ukraine-Telefonat auch der Vertuschung: Führende Regierungsmitarbeiter hätten sich bemüht, die genaue Wortlautfassung des Gesprächs geheim zu halten. Wie üblich sei ein elektronisches Wortlautprotokoll angefertigt worden.

Abschrift des vom Weißen Haus veröffentlichten Gesprächs
APA/AFP/Andrew Caballero-Reynolds
Das vom Weißen Haus veröffentlichte Protokoll dokumentiert nicht das gesamte Telefonat im Wortlaut

Dieses sei nach dem Gespräch auf Anweisung von Juristen aus dem Weißen Haus aber aus einer dafür gewöhnlich vorgesehenen Datenbank entfernt und stattdessen in einem besonders geschützten System gespeichert worden. Bisher wurde nur ein grobes Gesprächsprotokoll veröffentlicht. Die Identität des Hinweisgebers ist nicht öffentlich bekannt.

Der Sender CNN berichtete am Freitagabend, auch der Zugang zu Telefonaten des US-Präsidenten mit andere ausländischen Politikern wie dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sei von Beratern Trumps auf diesen Hochsicherheitsserver gelegt worden, um Lecks zu verhindern. Ein ehemaliger Mitarbeiter des Weißen Hauses, der anonym bleiben wollte, bestätigte die Medienberichte.

Bei dem Hinweisgeber in der Ukraine-Affäre soll es sich laut „New York Times“ um einen Mitarbeiter des Auslandsgeheimdiensts CIA handeln. Trump stellte die Glaubwürdigkeit der Quelle infrage und twitterte, der „sogenannte Whistleblower“ habe unwahre Informationen aus zweiter Hand verbreitet. Vielleicht gebe es gar keine Tippgeber.

Neue Enthüllungen zur Russland-Affäre

Inmitten der Ukraine-Affäre gerät Trump unterdessen auch wegen neuer Enthüllungen zur Russland-Affäre unter Druck. Wie die „Washington Post“ am Freitag berichtete, sagte Trump im Mai 2017 bei einem Treffen mit dem russischen Außenminister Lawrow und dem damaligen russischen Botschafter Sergej Kisljak im Weißen Haus, dass ihm Moskaus Einmischung in die US-Präsidentschaftswahl 2016 egal sei.

Trump habe bei dem Treffen zu Lawrow und Kisljak gesagt, dass ihm die russische Einmischung gleichgültig sei, weil die USA dasselbe in anderen Ländern machten, berichtete die „Washington Post“ unter Berufung auf drei ehemalige Regierungsmitarbeiter. Mitarbeiter des Weißen Hauses hätten daraufhin dafür gesorgt, den Zugang zu den Aufzeichnungen über das Treffen auf Beamte mit der höchsten Sicherheitsfreigabe zu beschränken.

Kurt Volker, US-Sondergesandter für die Ukraine
APA/AFP/Sergei Supinsky
Der US-Sondergesandte für die Ukraine, Kurt Volker, soll laut Medienberichten seinen Posten geräumt haben

Erste Schritte im Amtsenthebungsverfahren

Die US-Demokraten treiben in der Ukraine-Affäre ihre Untersuchungen für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren von Trump voran und machen nun Druck auf das Außenministerium. Nachdem der US-Kongress den US-Sondergesandte für die Ukraine, Kurt Volker, zu einer Befragung für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einbestellt habe, habe der 54-Jährige Spitzendiplomat seinen Rücktritt am Freitag (Ortszeit) eingereicht, wie US-Medien am Samstag mit Verweis auf das US-Außenministerium berichteten.

Volkers Anhörung sei für den 3. Oktober angesetzt, wie es dazu mit Verweis auf ein an US-Außenminister Mike Pompeo gerichtetes Schreiben heißt. Neben Volker wurden vier weitere Mitarbeiter des Außenministeriums von den Demokraten vorgeladen. Unterdessen erhöhten die in die Causa involvierten Ausschüsse des Repräsentantenhauses auch ihren Druck gegenüber Pompeo. Nachdem dieser bereits zwei Fristen verstreichen lassen hatte, forderten die Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses sowie des Geheimdienst- und des Kontrollausschusses den Außenminister nun per Strafandrohung dazu auf, bis zum 4. Oktober die für ihre Untersuchungen angeforderten Dokumente vorzulegen.

„Beunruhigende Fragen“

Laut dem an Pompeo gerichteten Schreiben wollen die drei genannten Ausschüsse klären, „in welchem Ausmaß Präsident Trump die nationale Sicherheit gefährdet hat, indem er die Ukraine dazu drängte, sich in unsere Wahlen 2020 einzumischen“. Die jüngsten Entwicklungen hätten „beunruhigende Fragen“ dazu aufgeworfen, inwieweit Vertreter des Außenministeriums daran beteiligt gewesen sein könnten.

In der Beschwerde des Whistleblowers wird auch Volker erwähnt. Laut Medienberichten sei zudem Trumps Anwalt Rudy Giuliani mit Volker regelmäßig in Kontakt gestanden. Berichtet wird in diesem Zusammenhang auch von Treffen mit hochrangigen ukrainischen Regierungsvertretern, weswegen etwa CNN Volker eine „Schlüsselrolle“ in der US-Ukraine-Affäre zurechnet.

Trumps Anwalt sieht kein Fehlverhalten

Giuliani ist nach eigener Aussage bereit, vor dem Kongress auszusagen. „Es gibt nichts, was ich ihnen (den Abgeordneten des Kongresses, Anm.) sagen kann, was nicht bereits online nachzulesen ist“, sagte er in einem am Samstag veröffentlichten Interview des britischen Senders Sky News. Er sei von Beginn an „total ehrlich“ gewesen, was die Ukraine-Affäre betreffe. Einschränkend fügte er jedoch hinzu: „Es gibt Dinge, zu denen ich nicht aussagen kann, weil ich Anwalt bin.“

Ein Fehlverhalten Trumps sehe er nicht. „Wenn ein Vizepräsident der Vereinigten Staaten irgendwo hingeht und den Präsidenten dieses Landes erpresst oder den Präsidenten dieses Landes besticht, um seinem Sohn aus der Patsche zu helfen, dann würde ich es außergewöhnlich finde, wenn sie nicht ermitteln würden“, sagte er.