John Cleese in Monty Python’s Flying Circus
picturedesk.com/Mary Evans/BBC
50 Jahre „Flying Circus“

Als Monty Python den Humor neu erfanden

1969 legten Monty Python los mit ihren legendären Sketches im „Flying Circus“: Ein von der BBC zusammengewürfelter Haufen Komiker, die dem Absurden mehr zugetan waren als dem Schenkelklopfer und die im etwas steifen britischen Alltag und öffentlichen Leben genug Stoff fanden, um irgendwo zwischen Dada und Gaga den Humor neu zu erfinden. Zum 50-jährigen Jubiläum soll es nun sogar einen Weltrekordversuch geben – natürlich angemessen pythonhaft absurd.

Wer kennt Eric Praline? Auch heute, nach fast 50 Jahren, immer noch fast jede und jeder – ohne es zu wissen. Praline ist jener wiederkehrende Charakter in „Monty Python’s Flying Circus“, der die wichtigste Rolle in den berühmtesten Sketches spielt. Grantig, stets im Regelmantel, mit starkem Akzent, beschwert er sich unablässig über irgendetwas. In „Dead Parrot“ kauft er einen toten Vogel, was der Verkäufer aber nicht zugeben will. „Dieser Vogel ist ein gewester!“, empört sich Praline in der deutschen Übersetzung (auf YouTube gibt es nur nicht autorisierte Uploads des Sketches, das Video auf der offiziellen Website funktioniert in Österreich nicht).

Praline wird von John Cleese gespielt, der bis heute das berühmteste Gesicht der Pythons geblieben ist. Er tourt, wiewohl noch diesen Monat 80 Jahre alt, durch die Stadthallen der Hauptstädte Europas, auch in Wien gastiert er regelmäßig – wo er sich lustig macht über das kultige Nostalgieobjekt, das er mittlerweile geworden ist. Dabei lieben ihn mittlerweile sogar schon jene, die seine Urenkeln sein könnten – weil sie von ihren eigenen Eltern mit dem Python-Virus angesteckt wurden. Da verzeiht man ihm sogar kulturimperialistische Wirrnisse der Marke „London ist keine englische Stadt mehr“.

„Wirklich schreckliche Sketche“

Heute ist man die Pythons so gewöhnt, dass ihre Art von Humor zu einem eigenen Standard geworden ist, der zwar erfreut, aber nicht mehr verwundert. Ende der 60er Jahre aber waren es zunächst nur ein paar Nerds, die auf die Gaga-Dada-Show positiv reagierten. Am Sonntag, dem 5. Oktober 1969, zeigte die BBC im Abendprogramm die erste Episode von „Monty Python’s Flying Circus“. Der bekannte Naturfilmer David Attenborough („Unser Blauer Planet“) war damals BBC-Programmchef und hatte die Komikertruppe mit einer Serie beauftragt, ohne auch nur ein Drehbuch gesehen zu haben.

Wider Erwarten wurde das Programm nicht gleich wieder abgesetzt, obwohl die Zuschauerzahlen niedrig waren. Selbst der legendäre Unterhaltungschef – der einiges gewöhnt war – gab zu Protokoll, dass die Truppe wohl „einen Todeswunsch“ habe. Bei einer Krisensitzung wurde in einer internen Aktennotiz festgehalten: „Diese Episode enthielt zwei wirklich schreckliche Sketche.“ Der eine sei entsetzlich geschmacklos gewesen, der andere schlichtweg nicht amüsant.

John Cleese, Michael Palin, Terry Gilliam und Terry Jones – Mitglieder des Monty Python’s Flying Circus im April 1976
AP/Suzanne Vlamis
Die Pythons in ihrer Blütezeit

Wie es zum „Flying Circus“ kam

Die sechs Autoren – Cleese, Terry Jones, Michael Palin, Graham Chapman (1941–1989), Eric Idle und der amerikanische Karikaturist Terry Gilliam – waren alle zuvor im britischen Fernsehen aufgetreten, arbeiteten aber zum ersten Mal in dieser Zusammensetzung miteinander. Eigentlich wollten sie sich „Gwen Dibley’s Flying Circus“ nennen. Warum? Weil sie den Namen Gwen Dibley im Telefonbuch gefunden hatten und die Idee lustig fanden, Dibley und ihre Verwandten durch eine TV-Show mit ihrem Namen im Titel zu überraschen.

Die BBC fand das weniger witzig, also wurde der Kunstname „Monty Python’s Flying Circus“ daraus. Bevor der markante Titel gefunden war, hatte es noch einige andere Vorschläge gegeben, darunter „Owl Stretching Time“, „Bunn, Wackett, Buzzard, Stubble and Boot“ und „A Horse, A Spoon and a Basin“. „Flying Circus“ geht übrigens auf die Bezeichnung der Briten für das Luftkampfgeschwader Jagdstaffel 11 des „Roten Barons“ Manfred von Richthofen im Ersten Weltkrieg zurück.

Der „Fuß Gottes“

Anders als konventionelle Komiker verzichteten die Pythons auf die obligatorische Pointe am Schluss und verknüpften die einzelnen Elemente mit surrealen Animationen und satirischen Songs zu einer Art absurden Bewusstseinsstrom. Palin erinnert sich gegenüber der „Radio Times“ an die Drehbuchtreffen der konkurrierenden Schreibteams: „John und Graham waren etwas aggressiver, während Terry und ich die beiden albernen waren.“ Idle schrieb alleine und wurde für seinen Wortwitz geschätzt. Und Karikaturist Gilliam schaffte es, „einer Gruppe von ganz unterschiedlichen englischen Komödianten einen beißenden und sehr eleganten amerikanischen Stil zu verleihen“.

Unvergessen ist die Abmoderation von Cleese nach den einzelnen Sketches. Stets saß er, oft irgendwo in der Natur, an seinem BBC-Moderatorentisch und sagte: „And now for something completely different.“ Oft wurden die einzelnen Sketches auch durch den animierten „Fuß Gottes“ beendet, der von oben auf die Erde herunterkrachte. In den Sketches selbst traten immer wieder dieselben Charaktere auf. Dazu zählte neben Eric Praline zum Beispiel Mister Gumby (Terry Jones), ein Verwirrter mit verknoteten Taschentuch auf dem Kopf, Hochwasserhosen und Gummistiefeln, und der Ungar, der ständig andere sexuell beleidigt, weil er ein fehlerhaftes Wörterbuch benutzt.

Holzfäller-Song und „Silly Walks“

Manche der Sketches, wie jener mit dem toten Papagei, sind von Jahrzehnt zu Jahrzehnt bekannter geworden. Der Holzfäller-Song und das „Ministry of Silly Walks“ kennt man heute rund um den Globus. Die Pythons sind im Comedy-Universum längst eine veritable Wirtschaftsmacht geworden, was vor allem dem Geschäftssinn von Cleese zu verdanken ist. Davon war zur Zeit der Erstausstrahlung des „Flying Circus“ noch keine Rede. Nach fünf Jahren war endgültig Schluss.

Fans, die John Cleese beschämen

Noch bevor die letzte Folge 1974 in Großbritannien ausgestrahlt wurde, lud Alfred Biolek die Truppe für zwei Sendungen nach Deutschland ein – er war ein Fan ihres Galgenhumors. Doch erst als sie den US-amerikanischen Markt mit ihrer Serie und den Filmen „Die Ritter der Kokosnuss“ und „Das Leben des Brian“ eroberten, wurden sie Comedy-Legenden. Inzwischen entdeckt jede Generation die Kultserie wieder neu – viele Zuschauer können ganze Szenen auswendig zitieren: „Peinlich ist, dass die Fans diese Zeilen besser kennen als ich. Sie kommen auf mich zu, und ich habe absolut keine Ahnung und nicke nur und mache haha, yeah“, sagte Cleese gegenüber CNN.

Nicht allen Pythons gefällt diese uneingeschränkte Bewunderung: Er sei enttäuscht, dass die Leute „Flying Circus“ jetzt schätzten und für eher kuschelig und liebenswert hielten, während das Programm sie früher genervt und verärgert habe, sagte Idle gegenüber der „Radio Times“: „Wir bekamen eine Menge Beschwerden. Das gefiel mir besser.“

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That mid-week feeling…

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„Nur noch vier funktionieren richtig“

Dass die Truppe noch einmal eine gemeinsame Bühnenshow angeht, hält Gilliam für ausgeschlossen: „Es sind nur noch vier von uns übrig, die richtig funktionieren“, sagte er der Zeitung „Daily Star“. Chapman ist verstorben, und Jones leidet an Demenz. „Das ist nicht Python, also macht das keinen Sinn.“

Noch bis zum 13. Oktober ist die Ausstellung „Monty Python Explodes!“ im British Film Institute in London zu sehen. Cleese gastiert im Oktober insgesamt neunmal in Wien, siebenmal davon mit Michael Niavarani. Die beiden sind am Montag in „kulturMontag“ und am Dienstag bei „Willkommen Österreich“ zu Gast. Am Jubiläumstag selbst wollen Monty-Python-Fans in der englischen Hauptstadt zusammen mit Gilliam einen neuen Weltrekord aufstellen: die „größte Ansammlung von Menschen, die als Gumbys verkleidet sind“. Laut Reuters erschienen Dutzende Menschen verkleidet. Treffpunkt für den Weltrekordversuch war das Roundhouse in Camden im Norden von London.