Mehrere Superfood-Smoothies
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„Superfoods“

Vom Smoothie ins Shampoo

Avocadobutter, Matcha-Tee, Gojibeere, Paranuss oder lila Reis – wer heutzutage im Drogeriemarkt vor dem Regal mit Pflegeprodukten steht, den dürfte nicht selten der Eindruck ereilen, in der Lebensmittelabteilung eines Supermarkts gelandet zu sein. Dass „Superfoods“ nicht mehr nur im Smoothie, sondern auch im Shampoo zu finden sind, hat mehrere Gründe. Wirksamkeit dürfte jedoch im seltensten Fall einer davon sein.

Lebensmittel für Pflege- und Schönheitsprodukte zu verwenden ist kein neues Konzept. Schon unsere Vorfahrinnen und Vorfahren schmierten sich allerlei essbare Dinge ins Gesicht, um sich zu verschönern. Auch Zitrusfrüchte, Oliven oder Aloe Vera sind seit Jahrzehnten fixe Bestandteile von Pflegeprodukten.

Doch die Palette scheint sich seit einiger Zeit um exotisches „Superfood“ erweitert zu haben, wie ein Blick auf Onlineshops österreichischer Drogerieketten zeigt. Da gibt es etwa Matcha-Waschcremes, Paranuss-Rosmarin-Shampoos, Avocado-Hafer-Cremeseifen, Rohrzucker-Haarspülungen, Gojibeere-Tagescremen und Stylinggels aus lila Reis. In den Beschreibungen lässt sich dabei nicht selten der Ausdruck „Skinfood“ finden.

Superfood auf einem Tisch
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„Superfoods“ gelten mittlerweile als Mainstream auch bei Pflegeprodukten

„Superfood"-Inhaltsstoffe sind mittlerweile offiziell zum Mainstream bei Produkten für Gesicht, Haut und Haar geworden“, schreibt etwa auch die US-amerikanische Nachrichtenwebsite Vox. Die gesundheitlichen Vorteile von „Superfoods“ als Lebensmittel sind, gelinde ausgedrückt, umstritten – mit den Naturpflegeprodukten verhält es sich da nicht anders.

„Superfood“-Shampoo: Vegan, Bio, Glutenfrei

Die US-Handelskammer spricht in einer Aussendung von der „Foodie Skin Care“ („Gourmets-Hautpflege“, Anm.) als einem der größten neuen Trends in der Kosmetikindustrie. Das Merkmal „clean“ hat sich von der Lebensmittel- auf die Kosmetikbranche ausgeweitet. Aufschriften auf Shampoofläschchen und Cremetiegeln scheinen das zu bestätigen: Oft ist dort neben „vegan“ und „bio“ auch „glutenfrei“ zu lesen.

„Superfoods“ in der EU

Die Health-Claims-Verordnung der Europäischen Union verbietet es, mit „Superfood“ und ähnlichen Begriffen, die den Verzehr von Produkten mit gesundheitsfördernden Effekten in Verbindung bringen, zu werben – zumindest, solange eine Wirksamkeit nicht durch ein strenges Zulassungsverfahren bestätigt wurde.

Bei „Superfood“ handle es sich allerdings um einen Marketingbegriff, „es gibt keine eindeutige Definition“, sagt David Tyrrell Hautpflegeexperte des Marktforschungsunternehmens Mintel gegenüber Vox. Da „Superfoods“ und ihre Gesundheitsversprechen aber seit vielen Jahren allgegenwärtig seien, könnten sich ihnen Verbraucher und Verbraucherinnen kaum entziehen.

Das hätten mittlerweile eben auch Kosmetikmarken für sich entdeckt, so Tyrrell. Er meint: „Konsumenten wissen, dass sich das, was sie essen, auf ihre Haut auswirkt. Demnach erachten sie es nur als sinnvoll, gesunde Lebensmittel direkt auf ihre Haut aufzutragen. Zumindest ist es das, was die Schönheitsindustrie denkt, dass ihre Kunden denken.“

Mehrere Shampoo-Flaschen in einem Badezimmer
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„Clean“, „vegan“, „natürlich“, „biologisch“ bis hin zu „glutenfrei“ – ein Shampoo muss heutzutage vieles sein

Steigende Skepsis gegenüber Pflegeprodukten

Doch es sei nicht nur der „Clean-Eating“-Ernährungstrend, der die Lebensmittel mit der Kosmetikindustrie verschmelzen lasse und den „Superfood“-Pflegeprodukten zum Aufstieg verhelfe. Eine Rolle spiele auch die steigende Skepsis gegenüber Chemikalien, die in Haut- und Körperpflegeprodukten vorhanden sein könnten, zeigt sich Tyrrell überzeugt.

Ähnlich argumentierte Hollywood-Schauspielerin Gwyneth Paltrow, als sie zu Gast bei US-Talkmaster Jimmy Fallon ihre organische Kosmetiklinie präsentierte, die sie selbst als eine „Ausweitung zu gesundem Essen“ bezeichnete. Als sie sagte, dass ihre Produkte aufgrund der pflanzlichen Inhaltsstoffe absolut unbedenklich und theoretisch auch essbar seien, zögerte der TV-Moderator nicht und tunkte seine Pommes in die Creme und verspeiste sie.

„‚Natürlich‘ genauso bedeutungslos wie ‚Superfood‘“

Dabei seien, so Tyrrell, „natürliche“ Inhaltsstoffe nicht unbedingt immer sicherer, Begriffe wie „natürlich“ und „clean“ seien genauso bedeutungslos wie „Superfood“. Doch: „Kürbis und Granatapfel klingt vertrauter und sicherer als Pentylenglykol.“ Und obwohl Produkte stark mit Inhaltsstoffen aus der Natur werben würden, enthielten sie immer noch zu einem Großteil traditionelle chemische Verbindungen, so der Experte.

Abhängig sei die Wirkung letztlich davon, wie viel „Natürliches“ wirklich im Produkt enthalten sei, so Tyrrell. In der EU ist das aufgrund des Kosemtikrechts einfach überprüfbar, da Inhaltsstoffe nach ihrem Gewichtsanteil in abnehmender Reihenfolge aufgelistet werden: Je mehr von einer Substanz enthalten ist, desto weiter oben ist sie aufgeführt. Das gilt für alle Inhaltsstoffe, die jeweils über ein Prozent des Inhalts ausmachen.

Bei Inhaltsstoffen, die in geringeren Mengen als ein Prozent enthalten sind, ist diese Reihenfolge willkürlich und nicht mehr vorgeschrieben. Wenn sich die Macadamianuss, Acaibeere und Granatapfelkerne also ganz unten in der Liste befinden, dürfte die Wirkung auch weniger „super“ ausfallen.