Opernsängerin Jessye Norman
AP/Jason Decrow
1945–2019

Operndiva Jessye Norman tot

Die US-amerikanische Opernsängerin Jessye Norman ist tot. Die Sopranistin starb am Montag (Ortszeit) im Alter von 74 Jahren in einem Krankenhaus in New York, wie ihre Familie am Montag mitteilte. Die Grammy-Gewinnerin starb an einem septischen Schock und multiplem Organversagen nach Komplikationen nach einer Rückenmarksverletzung, die sie 2015 erlitten hatte.

Norman gewann in ihrer Laufbahn vier Grammys für ihre Aufnahmen und einen für ihr Lebenswerk, zudem die Ehrenmedaille National Medal of Arts. Die Afroamerikanerin feierte als eine der ersten dunkelhäutigen Künstlerinnen in der Opernwelt Erfolge. Sie war vor allem als Interpretin von Opern Richard Wagners bekannt. Zu ihrem großen Repertoire gehörten auch Werke unter anderen von Francis Poulenc, Leos Janacek, Bela Bartok, Giuseppe Verdi, Richard Strauss und Arnold Schönberg. Sie galt als eine der weltweit bekanntesten Opernstars, wurde aber auch als Jazz-Interpretin geschätzt.

In einer Erklärung ihrer beiden Geschwister James Norman und Elaine Sturkey hieß es, sie seien stolz auf die musikalischen Leistungen Jessye Normans. „Wir sind ebenso stolz auf ihr humanitäres Engagement im Kampf gegen Hunger, Obdachlosigkeit, für Ausbildung der Jugend sowie Kunst- und Kulturbildung.“

Opernsängerin Jessye Norman und Jess Thomas singen Wagners “Die Walküre" in New York 1983
AP/Suzanne Vlamis
Jessye Norman und Jess Thomas singen Wagners „Walküre“ in New York 1983

Met: Eine der größten Künstlerinnen

Die Met, an der sie in rund 80 Aufführungen mitwirkte, teilte mit, man trauere um Norman, „eine der großen Sopranistinnen des vergangenen halben Jahrhunderts“. Generaldirektor Peter Gelb sagte: „Jessye Norman war einer der größten Künstler, die je auf unserer Bühne gesungen haben.“ Ihr Vermächtnis werde für immer weiterleben. Norman habe das Publikum mit ihrem schönen Ton, ihrer außergewöhnlichen Kraft und ihrem musikalischen Feingefühl begeistert. Die Vorstellung von „Porgy and Bess“ am Montagabend sei Norman gewidmet gewesen.

Norman wurde am 15. September 1945 in Augusta im US-Bundesstaat Georgia als eines von fünf Kindern in eine musikalische Familie geboren. Schon als Vierjährige begann sie, Gospel zu singen. Früh interessierte sie sich dann für Opernmusik. Sie studierte an der für Schwarze gegründeten Howard-Universität in Washington, später am Peabody-Konservatorium und an der Universität von Michigan.

Opernsängerin Jessye Norman 2008 mit Bundespräsident Fischer
AP/Lilli Strauss
Der damalige Bundespräsident Heinz Fischer mit Jessye Norman

Für Aufsehen gesorgt

Als Schwarze in der von Weißen dominierten Klassikwelt sorgte sie rasch für Aufsehen. Ende der 1960er Jahre übersiedelte sie nach Europa und heuerte an der Deutschen Oper in Berlin an. Sie sang an zahlreichen weiteren renommierten Opernhäusern und machte sich mit ihrem warmen Timbre unter anderem als Wagner-Interpretin einen Namen. Schließlich ließ sie sich in London nieder und widmete sich jahrelang Liederabenden.

Auch in Österreich trat Norman in der Vergangenheit regelmäßig auf. Zuletzt sang die Sopranistin im Mai 2012 in der Basilika Mariazell bei einem Benefizkonzert unter dem Titel „The World of Sacred Music“ – begleitet vom Pianisten Mark Markham – Lieder von Johann Sebastian Bach, Johannes Brahms, Wolfgang Amadeus Mozart, Duke Ellington sowie Spirituals. Ein Jahr zuvor gastierte Norman im Wiener Konzerthaus.

TV-Hinweis

ORF III ändert im memoriam Jessye Norman sein Programm und zeigt am Sonntag um 17.15 Uhr ein Porträt der Opernsängerin. Ö1 widmet am Sonntag um 15.05 Uhr die Sendung „Apropos Oper“ der verstorbenen Diva.

In Österreich ausgezeichnet

2008 wurde sie vom damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse ausgezeichnet. Österreich und Wien, das sei für sie wie „eine Familie“, sagte Norman damals.

Der vielfach ausgezeichnete Opernstar sang bei den Amtseinführungen von zwei US-Präsidenten, bei der Eröffnung der Olympischen Sommerspiele 1996 in Atlanta und bei den Feierlichkeiten zum 200-jährigen Jubiläum der Französischen Revolution 1989. In den vergangenen Jahren trat sie nur noch selten auf.

Zahlreiche Kollegen und Stars betrauerten den Tod der Sängerin. „Was ein betroffen und traurig machender Verlust heute“, schrieb die Operndiva Renee Fleming auf Twitter, und der Sänger Rufus Wainwright kommentierte: „Die Welt hat eine der großartigsten Stimmen verloren, die wir je hatten und gehört haben. Sie hat sich für uns ausgeschüttet. Ruhe in Frieden, liebste Jessye Norman.“