FPÖ-Chef Norbert Hofer
APA/Helmut Fohringer
Ausschluss weiter möglich

FPÖ suspendiert Strache

Die FPÖ suspendiert ihren ehemaligen Parteichef Heinz-Christian Strache. Das hat Parteichef Norbert Hofer nach rund siebenstündigen Gremiensitzungen am Dienstagabend bekanntgegeben. Sollten sich die Vorwürfe gegen Strache in der Spesenaffäre erhärten, ist auch ein späterer Parteiausschluss möglich.

Bei einer Stellungnahme während der Vorstandssitzung erklärte Hofer, mit der Suspendierung wolle er dem Wunsch Straches nachkommen, der am Vormittag erklärt hatte, er stelle seine Mitgliedschaft ruhend. Die Parteisatzung sehe ein solches Szenario nicht vor, eine Ruhendstellung sei ja „de facto eine Suspendierung“.

Die nun getroffene Maßnahme entspricht also „genau dem, was er in seiner eigenen Stellungnahme gesagt hat“, so Hofer. Mit Strache sei das Vorgehen der Partei nicht abgesprochen gewesen. Er habe mit seinem Vorgänger das letzte Mal bei einer Wahlveranstaltung vor knapp zwei Wochen gesprochen, sagte der Parteiobmann.

Offen ließ Hofer, wie die Partei mit Philippa Strache weiter umgehen wird. Erst wenn das Endergebnis (am Donnerstag) vollständig vorliegt, werde die Wiener Landesgruppe diesbezüglich beraten. Straches Ehefrau hat auf dem dritten Platz der Wiener Landesliste kandidiert. Ob sie das Mandat wirklich erhält, wird sich noch weisen. Die FPÖ hat auf Landesliste nur zwei Mandate errungen. Es liegt nun an Harald Stefan, ob dieser das zweite Mandat beanspruchen wird. Er könnte nämlich auch seinen Sitz im Regionalwahlkreis wahrnehmen. Dann würde das Mandat Straches Ehefrau aller Voraussicht nach zufallen.

Kickl soll Klubchef werden

Der Vorstand der Freiheitlichen sprach sich am Dienstag auch dafür aus, Hofer zum Dritten Nationalratspräsidenten zu nominieren. Klubchef soll Herbert Kickl werden. Zudem berichtete Hofer über die Einsetzung mehrerer Arbeitsgruppen.

Eine davon ist eine Compliance-Gruppe. Leiten wird sie FPÖ-OÖ-Vorsitzender Manfred Haimbuchner. Die Gruppe soll die Einhaltung der parteiinternen Regeln überwachen, was Finanzen und Verhalten betrifft. Unter anderem werde man „die strengsten Compliance-Regeln von allen Parteien haben“, versprach Obmann Hofer nach der Vorstandssitzung. Erarbeiten sollen sie „einige sehr schwergewichtige Personen aus der Wirtschaft“, so Hofer.

Philippa und Heinz-Christian Strache
GEPA/Walter Luger
Philippa und Heinz-Christian Strache

Der Welser Bürgermeister Andreas Rabl und die Salzburger FPÖ-Landeschefin Marlene Svazek werden laut Hofer eine Reformgruppe mit jungen Gesichtern der Partei führen. Zudem soll ein Weisenrat eingeführt werden, der unter anderem über Parteiausschlüsse beraten soll. Generell will Hofer die Partei mit der Einrichtung der Arbeitsgruppen „in eine bessere Zukunft führen“. Dazu dienen soll auch eine Klausur im Spätherbst, wahrscheinlich Anfang Dezember, kündigte der Parteichef an. „Das heißt nicht, dass wir uns von den Inhalten verabschieden“, meinte Hofer zu den angekündigten Maßnahmen.

Strache: „Kompletter Rückzug aus Politik“

Strache hatte am Dienstagvormittag in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz den „kompletten Rückzug aus der Politik“ angekündigt. Seine Parteimitgliedschaft werde „bis auf Weiteres“ ruhend gestellt. Angesichts der jüngsten Entwicklungen teile er nun „schweren Herzens mit, dass ich meine Mitgliedschaft in der freiheitlichen Familie ruhend stelle“.

Zudem werde er nicht nur jegliche politische Aktivität einstellen, sondern auch keine politische Funktion mehr anstreben. Zuvor hatte es Gerüchte gegeben, der frühere FPÖ-Chef könnte allenfalls mit einer eigenen Partei bei der Wiener Landtagswahl antreten. Ihm gehe es darum, „eine Zerreißprobe und Spaltung der FPÖ um jeden Preis zu verhindern“, so Strache, der sagte, dass er sich nun ganz seiner Familie widmen wolle.

„Begonnen hat alles mit ‚Ibiza-Affäre‘“

Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat am Dienstag seinen Totalrückzug aus der Politik angekündigt. Damit reagierte er auf die mit der „Ibiza-Affäre“ begonnenen und zuletzt immer lauter gewordenen Rücktrittsrufe.

Dieses Versprechen richte er vor allem an seine Frau, „die in den letzten Monaten mehr ertragen musste, als sich so mancher vorstellen kann“. Nun möchte er „sie keine Sekunde länger leiden sehen“, so Strache.

„Aufrichtige Verbundenheit“

Gleich mehrmals verwies Strache in seinem Statement auf die „freiheitliche Familie“, die in den vergangenen 15 Jahren immer hinter ihm gestanden sei. Nun gelte es für die FPÖ, weiter „Ungerechtigkeiten und Verleumdungen gemeinsam abzuwehren“, so Strache: „Meinen Beitrag leiste ich durch Aufklärungsarbeit, durch Rehabilitation meiner Person und durch aufrichtige Verbundenheit gegenüber dem freiheitlichen Lager.“

Heinz-Christian Strache
ORF.at/Christian Öser
Strache sieht sich weiter eng mit der „freiheitlichen Familie“ verbunden

Nach Straches Ankündigung merkten Beobachter an, dass der ehemalige FPÖ-Chef bereits am Tag nach der Veröffentlichung des „Ibiza“-Videos und damit Mitte Mai an sich den Rücktritt von allen Funktionen mit sofortiger Wirkung angekündigt hat. Es wurde aber auch darüber gerätselt, ob Strache die FPÖ-Mitgliedschaft ruhend stellen bzw. von der FPÖ suspendiert werden kann. Im Bundesstatut (Fassung 2013) ist Letzteres an sich nicht vorgesehen. Gegenüber ORF.at bestätigte der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp, dass es bei den Freiheitlichen die neu eingeführte Möglichkeit gebe, ein Parteimitglied zu suspendieren.

Konkret wurde am Bundesparteitag im September beschlossen, dem Bundesobmann mehr Rechte zu geben. So kann er laut Statut (Fassung 2019) „bei Gefahr in Verzug die Mitgliedschaft eines jeden Parteimitgliedes suspendieren“. Und: „Über die Beendigung der Suspendierung entscheidet bei den Mitgliedern der Bundesparteileitung der Bundesparteivorstand, bei allen anderen Mitgliedern der zuständige Landesparteivorstand.“

Das von Strache angekündigte „Ruhigstellen der Mitgliedschaft“ stellt der Politologe Hubert Sickinger in diesem Zusammenhang via Twitter einer Suspendierung gleich: „Allerdings ist sie laut FPÖ-Statut nicht vom betroffenen Mitglied selbst zu erklären, sondern über dieses zu verhängen.“

Scharfe innerparteiliche Kritik an Strache

Strache war innerparteilich seit dem Abend der Nationalratswahl verstärkt unter Druck geraten. Das Wahldebakel mit einem Verlust von rund zehn Prozentpunkten wurde in erster Linie dem zurückgetretenen Parteichef angelastet. Die Kritik entzündete sich nicht nur an dem bereits im Mai publik gewordenen „Ibiza-Video“, das die Neuwahl erst ausgelöst hatte, sondern an den kurz vor der Wahl aufgetauchten Spesenvorwürfen.

Am Montag vor der Wahl wurde bekannt, dass die Wiener FPÖ wegen Spekulationen über angebliche Unregelmäßigkeiten bei Straches Spesenabrechnungen eine „Sonderprüfung“ vornahm. An die Öffentlichkeit kam auch, dass Strache nicht nur über ein großzügig dotiertes Spesenkonto (der Wiener Landespartei) in Höhe von 10.000 Euro monatlich verfügte, sondern von der Wiener FPÖ auch pro Monat 2.500 Euro „Mietzuschuss“ erhielt.

Beides wurde vom Wiener FPÖ-Chef Nepp später bestätigt, die Verwendung des Spesenkontos sei aber „zweckmäßig“ gewesen. Der Mietzuschuss wurde damit begründet, dass Strache in seinem Haus in Klosterneuburg auch Delegationen empfangen habe.

Nicht sauber abgerechnet?

Der eigentliche Vorwurf lautete aber, dass die Spesen nicht immer sauber abgerechnet worden seien. Gestützt wurde das von einer anonymen Anzeige und Aussagen eines Ex-Leibwächters Straches, der zwischenzeitlich sogar festgenommen worden war. Der Mann soll dabei vor den ermittelnden Behörden „ausgepackt“ haben. Neben dem Leibwächter wurde auch die frühere Büroleiterin Straches einvernommen.

Die Staatsanwaltschaft verdächtigt den Leibwächter, die ehemalige Büroleiterin und auch Strache des Vergehens der Untreue. Es bestehe der Verdacht, der Leibwächter und die Büroleiterin „hätten seit mehreren Jahren Privatausgaben von Heinz-Christian Strache im Wege von Scheinbelegen der Freiheitlichen Partei verrechnet“, so die Staatsanwaltschaft am Donnerstag. Den Verdächtigen droht damit eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Strache wurde im Gegensatz zu den beiden anderen jedoch noch nicht einvernommen. Der Ex-Parteichef sprach von „Verleumdungen gegen meine Person, meine Frau und Familie“, die nicht zu tolerieren seien. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.