SpaceTime Helix
Bam Festival
ORF musikprotokoll

Zauberhafte Wellen in Graz

Am Donnerstag hat in Graz die 52. Ausgabe des ORF musikprotokolls begonnen. Im Fokus des Avantgardemusikfestivals stehen die Ränder Europas. Dabei werden Schätze zutage gefördert, etwa ein wiederentdecktes Werk des georgischen Avantgardekomponisten Michail Schugliaschwili. Doch nicht nur fürs Ohr, auch fürs Auge ist in der steirischen Landeshauptstadt etwas dabei.

Eine stehende Welle in bunten Farben, umspielt von elektronischen Klängen: Mit „SpaceTime Helix“ bietet die Medienkünstlerin Michaela Pelusio ein geheimnisvolles Schauspiel im Dom im Berg. Für ihre Performance hat die Italienerin ein eigenes „optoakustisches“ Instrument entwickelt. Ihr Spektakel hat Pelusio 2012 in Österreich entwickelt, nach Aufführungen rund um den Globus ist es nun zum ersten Mal in Graz zu sehen.

Die diesjährige Ausgabe des Festivals steht unter dem Motto „Nebenan – Europas Nachbarschaft“. Erkundet wird die experimentelle Musik entlang der Ränder Europas. Grundlage für das Programm sind die Recherchen von Ö1-Redakteurinnen und -Redakteuren im Rahmen der seit 2016 laufenden Reihe „Nebenan – Erkundungen in Europas Nachbarschaft“. Für ihre Porträts bereisten sie so unterschiedliche Länder wie Marokko und Weißrussland, den Libanon und Georgien.

Kunstinstallation Double C. Kubisch
Kerstin Kraemer
Christina Kubisch macht aus elektromagnetischen Feldern Musik

Das Juwel im Wohnzimmer

Insgesamt bietet das bis Sonntag laufende Festival 19 Uraufführungen und elf Erstaufführungen. Ein besonderes Highlight ist „Polychronia“ des 1996 verstorbenen georgischen Komponisten Michail Schugliaschwili (Mikheil Shugliashvili). Das Ende der 1970er geschriebene Stück wird in Graz erstmals überhaupt aufgeführt, gespielt vom ORF Radio-Symphonieorchester Wien.

Zutage gefördert wurde die Partitur von „Polychronia“ von den Ö1-Redakteuren Susanna Niedermayr und Rainer Elstner. Bei Recherchen trafen sie Schugliaschwilis Sohn David. Der Musikwissenschaftler bewahrte die Notenblätter bei sich zu Hause im Wohnzimmer auf. Obwohl Michail Schugliaschwili schon zu Lebzeiten im sowjetischen Georgien bekannt war, konnte er wegen der strengen Zensur kaum publizieren. In Graz gelangen auch zwei weitere Werke des Avantgardisten zur Aufführung.

Und nicht nur der Komponist selbst, sondern auch seine Ehefrau Inola Gurgulia kommt zu Ehren. In georgischer Sprache sang sie von Frieden und Menschlichkeit. Vom Regime wurde sie dafür mit einem Auftrittsverbot auf großen Bühnen belegt. In Georgien haben ihre Songs heute den Status von Volksliedern. In Graz aufgeführt werden sie von ihrem Sohn David und dessen Gattin Tamuna Tolordawa – mehr dazu in oe1.ORF.at.

Mensch und Maschinen

Viel vorgenommen für ihren Auftritt in Graz haben sich Studio Dan. Das einst als Bigband gegründete Ensemble spielt zehn Uraufführungen von Komponistinnen und Komponisten aus Österreich, Armenien, Weißrussland und dem Libanon. Ein 23-köpfiges Gitarrenensemble bringt indes der Grazer Komponist und Musiker Kauders auf die Bühne. Sein Stück „Glop“ verbindet Rock-, Improvisations- und Elektronikmusik zu einem Sounderlebnis der besonderen Art. Eine Komposition für elektromagnetische Klänge und Schlagzeug bieten Christina Kubisch und Katharina Ernst.

Daneben wird in Graz auch das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine ausgelotet. Katrin Hochschuh und Adam Donovan bringen ihre „Psychophysics Machines“ in die Stadt, fünf klanggenerierende Roboterskulpturen, deren Audioanalysefunktionen sich während der Performance durch Eingriffe der beiden Kunstschaffenden langsam verändern.

Kunstinstallation Ensemble Mecanique
N. Lackner
Blick auf die Instrumente, die bei George Antheils „Ballet Mecanique“ in Graz zum Einsatz kommen

Dass die Automatisierung bereits vor 100 Jahren Thema war, zeigt das in den 1920ern entstandene „Ballet Mecanique“ des US-Komponisten George Antheil. Als „Grazer Version“ wird das Werk erstmals in der Fassung von 1925 mit allen angedachten Instrumenten im Originaltempo 153 aufgeführt. Im zweiten Teil spielt das robotische Ensemble eigens dafür komponierte, neue Werke. Der Kanon für Maschinenorchester von Winfried Ritsch verwebt als algorithmische Komposition dynamische Verläufe von Klangflächen der „automata“ als wiederholbaren Kanon. Im dritten Stück, dem „Percussion Piece“, werden Rhythmusmuster von Helmut Kaplan automatisiert.