EU-Kommissionskandidat Johannes Hahn
Reuters/Yves Herman
Dritte Amtszeit

Hahn besteht Stresstest im EU-Parlament

Der österreichische EU-Kommissionskandidat Johannes Hahn hat sich am Donnerstag vor dem EU-Parlament in Brüssel seiner Anhörung gestellt. Dafür musste der designierte Budget- und Verwaltungskommissar drei Stunden lang in einem Stresstest Fragen der Abgeordneten beantworten – mit Erfolg.

Der Haushaltsausschuss und der Haushaltskontrollausschuss befanden Hahn mit großer Mehrheit als geeignet – für Hahn hätten letztlich alle Fraktionen gestimmt, nur die rechte Fraktion „Identität und Demokratie“, der auch die FPÖ angehört, habe ihn abgelehnt, hieß es in EU-Parlamentskreisen. Sie sei aber von den anderen Fraktionen überstimmt worden.

Der Routinier hatte sich dem Hearing selbstsicher gestellt, die Vorsitzenden der beiden Ausschüsse, Johan Van Overtveldt und Monika Hohlmeier, fanden bei einem kurzen Presseauftritt mit Hahn freundliche Worte. Die Anhörung sei in einer „sehr guten Atmosphäre“ verlaufen, sagte Hohlmeier. „Hahn hat gezeigt, dass er der richtige Mann für den Job ist“, bilanzierte die ÖVP-Europaabgeordnete Angelika Winzig. Der Sprecher der Europäischen Volkspartei (EVP), Siegfried Muresan, schrieb auf Twitter, Hahn habe ein „klares Bekenntnis zu einem starken EU-Budget gezeigt, das liefert, was die Bürger erwarten“.

Hahn bei Hearing gegen kleineres EU-Budget

Der designierte EU-Budgetkommissar Johannes Hahn hat sich bei seiner Anhörung im EU-Parlament klar gegen die Nettozahler wie Österreich positioniert.

Mehrjahresbudget als größte Herausforderung

Hahn wird damit dem Deutschen Günther Oettinger nachfolgen. Bisher war der Österreicher für Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen, zuvor für Regionalpolitik zuständig. Nunmehrige Hauptaufgabe des Routiniers wird das Aushandeln des über eine Billion schweren EU-Mehrjahresbudgets 2021–2027. EU-Kommission und Europaparlament fordern eine Budgeterhöhung, um die Union fit für Zukunftsaufgaben wie die Klimakrise und den Kampf gegen illegale Migration zu machen.

Der belgische EU-Abgeordnete Johan Van Overtveldt wies in einleitenden Worten darauf hin, dass der EU-Haushalt wegen des Brexits und der wirtschaftlichen Lage einzelner Mitgliedsstaaten unter besonderem Druck stehe. All das lenke aber von der relevanten Debatte ab, wie man in die Politik investieren könne, um einen EU-Mehrwert zu erzeugen. Hahn solle deshalb die Rolle eines „ehrlichen Vermittlers zwischen Rat und Parlament unter Einhaltung aller Vorrechte der Institutionen“ verkörpern. Gegenseitiges Vertrauen sei wesentlich.

Plastik- und CO2-Grenzsteuer

„Haushalt bedeutet Rechnen“, so der Kommissionskandidat – einberechnen wolle er jedenfalls Umwelt und Klima. Hierbei müssten soziale und wirtschaftliche Herausforderungen stets berücksichtigt werden. Hahn sprach etwa Umschulungen von Kohlebergwerksarbeitern an, was ein „Transition-Fonds“ sicherstellen soll. Regionen, die von der Klimakrise besonders betroffen seien, müssten auch mehr finanzielle Unterstützung bekommen.

Sylvie Goulard
AP/Virginia Mayo
Frankreichs Kandidatin Sylvie Goulard überzeugte die EU-Abgeordneten nicht. Sie wird noch weitere Fragen beantworten müssen.

Hahn sprach sich dafür aus, dass die EU mehr Eigenmittel bekommt, damit sie nicht mehr so stark von nationalen Beiträgen abhängig ist. Auf Nachfrage, wie man das denn erreichen könne, nannte der designierte Budgetkommissar konkret die „Plastiksteuer“, bei der es schon „wesentliche Übereinstimmung“ gebe und nur noch Polen dagegen sei. Auch die Ausweitung der Einnahmen aus dem Emissionshandel seien eine Möglichkeit. Diese beiden Bereiche seien „kurzfristig materialisierbar“, während andere Vorschläge „derzeit nicht realistischerweise die Zustimmung im Rat bekommen“.

Optimistisch äußerte sich Hahn, was die Chancen einer CO2-Grenzsteuer betrifft. Es gebe eine „große Offenheit“ diesbezüglich. „Ich denke, viele sind dafür.“ Bei der Digitalsteuer gebe es hingegen in einigen Mitgliedsstaaten „eine gewisse Zögerlichkeit, aber wir sollten nicht aufgeben“. Es wäre nämlich „unfair, wenn große internationale Unternehmen da ungeschoren davonkommen“. „Wenn es uns gelingt, hier Geldmittel zu bekommen, sollten diese zweckgewidmet werden für klimarelevante Perspektiven“, fuhr Hahn fort.

„Soll man endlos Kommissar bleiben können?“

Fast zehn Jahre Erfahrung als Kommissar brachte Hahn mit ins Hearing, schwer machten es ihm die EU-Abgeordneten kaum. Häufig wies der designierte Budgetkommissar auch auf seine langjährige „konstruktive Zusammenarbeit“ mit dem EU-Parlament hin. Der Kandidat versicherte mehrmals, eine neutrale und vermittelnde Rolle zwischen Parlament und Mitgliedsstaaten einnehmen und sich keine Verzögerungen beim mehrjährigen Finanzrahmen einhandeln zu wollen.

Eingehend auf eine Frage der österreichischen EU-Abgeordneten Monika Vana, wolle er in einer Arbeitsgruppe auch eng bezüglich „Gender Budgeting“ mit dem Parlament zusammenarbeiten. Ziel sei, die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen. „Das müssen wir in Angriff nehmen“, gab sich Hahn tatkräftig. „Ich stimme zu, dass wir da in Verzug sind.“

Für eine pikante Frage sorgte der kroatische EU-Abgeordnete Mislav Kolakusic. „Soll es eine Mandatsbegrenzung auf zwei Perioden geben oder soll man endlos Kommissar bleiben können?“, fragte der fraktionslose Kolakusic. Er sprach sich dafür aus, dass bei „nicht gewählten“ Positionen schon nach der zweiten Amtszeit Schluss sein soll. Hahn konterte: Wenn jemand „auch beim dritten Mandat mit Engagement und Leidenschaft dabei ist, sollte man ihn oder sie nicht davon abhalten“, sagte er. „Es sind eh nicht so viele.“

Seitenhieb gegen Nettozahler wie Österreich

Die scheidende EU-Kommission hat für das Siebenjahresbudget einen Umfang von 1,1 Prozent der EU-Wirtschaftskraft vorgeschlagen, was eine Gruppe von Nettozahlern, darunter Österreich, strikt ablehnt. Hahn positionierte sich klar gegen diese Länder. „Ein kleineres Budget als von der Europäischen Kommission vorgeschlagen wird schädlich sein für unsere Politik“, sagte Hahn. Hahn kündigte an, er werde sich mit jenen Staaten, „die sich auf die ein Prozent so festbeißen“, zusammensetzen, „um zu schauen, ob es Flexibilität gibt“.

Dem Europaparlament, das ein Budgetvolumen von 1,3 Prozent der EU-Wirtschaftskraft gefordert hatte, dankte Hahn für seine „klare Position“. „In einer idealen Welt sollten wir irgendwo dazwischen landen“, sagte er mit Blick auf die Vorschläge von Kommission und Parlament. Zugleich zeigte er sich optimistisch, einen „Großteil“ der vom Parlament geforderten Prioritäten in den bestehenden Vorschlag einarbeiten zu können. „Natürlich unter der Maßgabe, dass wir keinesfalls unter den Vorschlag der Kommission gehen, weil dann ist es tatsächlich nicht darstellbar“, unterstrich Hahn.

Zwei Absagen, drei müssen nachsitzen

Mit Donnerstag sind 21 der 26 Kommissionskandidatinnen und -kandidaten der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angehört worden. Dass die Europaabgeordneten, die allen Vorschlägen zustimmen müssen, durchaus kritisch sein können, zeigten die vergangenen Tage. Den designierten ungarischen Erweiterungskommissar Laszlo Trocsanyi und Rumäniens Kandidatin Rovana Plumb hat das Parlament bereits vorab abgelehnt. Plumb hätte Verkehrskommissarin werden sollen, doch gab es finanzielle Unregelmäßigkeiten in ihrer Heimat. Trocsanyi war wegen Interessenkonflikten durchgefallen. In beiden Fällen werden nun neue Kandidatinnen bzw. Kandidaten gesucht.

Laszlo Trocsanyi
AP/MTI/Szilard Koszticsak
Auch Laszlo Trocsanyi bekam eine Absage

Auch die Französin Sylvie Goulard bekam vom Europaparlament vorerst kein grünes Licht für die Bereiche Industriepolitik, Binnenmarkt und Verteidigungsindustrie. Abgeordnete fast aller Fraktionen zeigten sich am Mittwoch unzufrieden mit den Antworten der Liberalen auf Vorwürfe zu unklaren Finanzen. Sie verlangten von ihr die schriftliche Beantwortung weiterer Fragen, danach könnte eine weitere Anhörung im Parlament folgen.

Der als EU-Landwirtschaftskommissar vorgesehene polnische Kandidat Janusz Wojciechowski muss ebenfalls nach seiner Anhörung noch weitere Fragen von EU-Abgeordneten beantworten. Der national-konservative Politiker war in seinem Hearing mehrere Antworten schuldig geblieben. Auch im Fall der designierte EU-Innenkommissarin, der Schwedin Ylva Johansson, will das EU-Parlament noch einmal prüfen. Das EU-Parlament stimmt am 23. Oktober über das gesamte Kollegium ab, am 1. November soll die neue Kommission ihr Amt antreten. Von der Leyen hatte sich eine Kommission bestehend aus gleich vielen Frauen wie Männern zum Ziel gesetzt.