Hongkong: Demonstrierende trotzen Vermummungsverbot

Hunderte meist maskierte Demonstrierende haben heute in Hongkong dem neu erlassenen Vermummungsverbot getrotzt. Bei einem ungenehmigten Marsch durch ein Einkaufsviertel protestierten sie gegen Polizeibrutalität und die Regierung. Nach den schweren Ausschreitungen zuletzt sprach Regierungschefin Carrie Lam von einer „sehr dunklen Nacht“.

Sie rechtfertigte ihren Rückgriff auf die Notstandsgesetze und die Verhängung des Vermummungsverbotes. Die extreme Gewalt habe eindeutig gezeigt, dass die öffentliche Sicherheit Hongkongs in Gefahr sei, sagte Lam.

Demonstranten mit Mundschutz in Hongkong
APA/AFP/Philip Fong

Die Gewalt habe ein bisher nicht da gewesenes Ausmaß erreicht. „Das ist der konkrete Grund dafür, dass wir gestern auf die Notstandsgesetze zurückgreifen mussten, um das Vermummungsverbot zu verhängen.“ Es sei nicht länger hinnehmbar, dass Aufständische Hongkong zerstörten, sagte Lam mit Blick auf die Demonstranten. Viele von ihnen tragen Masken, um ihre Identität in den zunehmend von Auseinandersetzungen begleiteten Protesten gegen die Führung zu schützen.

Ursprünglich kaum Proteste geplant

Die Proteste waren im Laufe des Abends eskaliert und in Chaos umgeschlagen. Radikale Kräfte bauten Straßenblockaden, warfen Brandsätze, demolierten U-Bahn-Stationen und Geschäfte. „Die Stadt ist heute halb gelähmt“, sagte Lam. Die Regierung werde mit „äußerster Entschlossenheit“ gegen Gewalt vorgehen.

Eigentlich waren an diesem Wochenende in der chinesischen Sonderverwaltungsregion kaum Proteste geplant. Doch die überraschende Verhängung des Vermummungsverbotes mit einem Rückgriff auf ein fast 100 Jahre altes koloniales Notstandsgesetz hat die Spannungen wieder verschärft. Es gibt Regierungschefin Carrie Lam noch viel weiter reichende Vollmachten.

U-Bahn-Netz lahmgelegt

In einem ungewöhnlichen Schritt war das U-Bahn-Netz, das sonst täglich Millionen von Passagieren transportiert, heute auch stillgelegt. Der Dienst auf allen Linien war am Vorabend gestoppt worden, weil Randalierer Stationen demoliert und Brände gelegt hatten. Auch der Airport Express fuhr erst am frühen Nachmittag Ortszeit wieder von der Innenstadt zum internationalen Flughafen.

Geschlossene U-Bahn-Station in Hongkong
APA/AFP/Philip Fong

Nachdem am Dienstag ein 18 Jahre alter Schüler bei schweren Zusammenstößen von einem Polizisten angeschossen worden war, gab es in der Nacht ein zweites Schussopfer bei den Protesten. Ein erst 14-Jähriger wurde im nördlichen Stadtteil Yuen Long von einem Polizisten in den Oberschenkel getroffen.