Demo in Hongkong
AP/Vincent Thian
Hongkong-Proteste

Großer Zorn über Vermummungsverbot

In Hongkong sind am Sonntag erneut Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen. Sie haben seit Samstag einen weiteren Grund für Zorn auf die Regierung: Das in Kraft getretene Vermummungsverbot, das mit Hilfe des kolonialen Notstandsgesetzes erlassen wurde. Die Protestbewegung versuchte am Sonntag bereits zum zweiten Mal, das Verbot zu stoppen – doch ohne Erfolg.

Mit dem Vermummungsverbot will die Regierung mehr Kontrolle über die Protestbewegung erlangen. Demonstrierende in Hongkong tragen oft Masken, um sich vor Tränengas zu schützen. Außerdem wollen sie verhindern, dass die Polizei sie identifiziert – beispielsweise mit einer in China weit verbreiteten Software für Gesichtserkennung. Am Sonntag widersetzten sich Zehntausende dem Verbot und gingen weiterhin maskiert auf die Straße.

Dabei setzte die Polizei auch wieder Schlagstöcke und Tränengas ein. Ein Augenzeuge berichtete, es habe keinen offensichtlichen Grund dafür gegeben, denn die Demonstrierenden auf dem Pazifik-Platz auf der Insel Hongkong hätten sich friedlich verhalten. Laut der „South China Morning Post“ gab es zudem erneut U-Bahn-Sperren. Die Polizei verschickte Massen-SMS, in denen vor einer Teilnahme gewarnt wurde. Für Aufregung sorgte ein Vorfall: Als ein Taxifahrer im Bezirk Sham Shui Po in eine Menschenmenge fuhr und zwei junge Frauen verletzte, wurde er von aufgebrachten Demonstranten verprügelt.

Blick auf Straße voller Demonstranten in Hongkong
AP/Vincent Thian
Der Regenschirm ist Symbol des Protests

Keine einstweilige Verfügung gegen Verbot

Zudem zog die Protestbewegung am Sonntag vor Gericht, wo sie eine einstweilige Verfügung gegen das Verbot erreichen wollte. Das Gericht lehnte das ab, erlaubte aber eine ausführliche richterliche Überprüfung, die Ende Oktober stattfinden soll. Bereits am Freitag war ein ähnlicher Verstoß gescheitert.

Die Verfassungsrechtlerin Gladys Li hatte am Sonntag argumentiert, dass die Regierungschefin Carrie Lam ihre Exekutivgewalt überschritten habe, als sie am Freitag am Parlament vorbei das Vermummungsverbot erlassen habe. Lam hatte dabei zum ersten Mal seit 50 Jahren auf ein Notstandsgesetz aus der britischen Kolonialzeit zurückgegriffen. Das Gesetz sei viel zu vage und gebe der Regierung zu viel Macht.

„Sorgen uns um Chaos“

Die Regierungsanwälte konterten hingegen, es gehe um die öffentliche Ordnung, Brandstiftung und Gewalt auf den Straßen. „Wir sorgen uns um Chaos, wie es seit 1967 nicht mehr gesehen wurde.“ Damit wurde auf den damaligen Aufstand prokommunistischer Kräfte gegen die britische Kolonialherrschaft verwiesen.

Demonstranten mit Regenschirmen in Hongkong
APA/AFP/Mohd Rasfan
Am Sonntag waren zwei nicht genehmigte Märsche angekündigt

Das Gesetz „für Notfälle und bei öffentlicher Gefahr“ von 1922 gibt der Regierungschefin weitreichende Vollmachten, „die als notwendig im öffentlichen Interesse betrachtet werden“. Genannt werden unter anderem Zensur, erleichterte Festnahmen und Haftstrafen, Hausdurchsuchungen, Beschlagnahme und die Unterbrechung von Kommunikationsnetzwerken.

U-Bahn teilweise wieder in Betrieb

Nachdem das komplette U-Bahn-Netz am Samstag geschlossen war, wurde der Betrieb am Sonntag teilweise wieder aufgenommen. Knapp die Hälfte der mehr als 90 U-Bahn-Stationen blieben aber geschlossen, da die Einrichtungen bei den Krawallen am Freitagabend schwer beschädigt wurden. Auch sollte die U-Bahn am Sonntagabend nach 21.00 Uhr nicht mehr fahren, um weitere Reparaturen zu ermöglichen. Zudem gab es am Sonntag bereits wieder neue U-Bahn-Sperren.