Ein Jahr ohne Regierung: Ironischer Protest in Bosnien

Bosnien-Herzegowina ist heute seit genau einem Jahr ohne vollwertige Regierung. Seit der Parlamentswahl am 7. Oktober 2018 amtiert immer noch die scheidende Regierung von Denis Zvizdic von der bosniakisch-muslimischen Partei der Demokratischen Aktion (SDA). Unbekannte Bürger haben indes mit einer ironischen Posterkampagne auf den Stillstand bei der Regierungsbildung reagiert.

„Regierung – in Ihrem Land nicht erhältlich“

In Sarajevo tauchten an frequentierten Plätzen Poster mit Aufschriften auf wie: „Alles bleibt beim Alten, nur dass es keine Regierung gibt“, „Regierung – in Ihrem Land nicht erhältlich“ und „Error 404: Ministerrat nicht gefunden“, wie das Nachrichtenportal Klix.ba berichtete.

Bosnien hat seit dem Friedensschluss von Dayton im Jahr 1995 eine sehr komplizierte Regierungs- und Verwaltungsstruktur. Das Abkommen hatte einen dreijährigen Bürgerkrieg mit rund 100.000 Toten und Hunderttausenden Vertriebenen beendet. Die Teilung des Landes in eine muslimisch-kroatische und eine serbische Hälfte sowie weitere Unterteilungen in Kantone mit eigenen Regierungen drohen den Gesamtstaat immer wieder zu lähmen.

Streit über NATO-Annäherung

Die Blockade der derzeitigen Regierungsbildung ist offenbar unüberbrückbaren Differenzen im Umgang mit der NATO-Annäherung geschuldet. Die bosniakischen und kroatischen Parteien fordern im Regierungsprogramm ein Bekenntnis zum jährlichen Arbeitsplan für die NATO-Zusammenarbeit

Die Serben lehnen die NATO-Annäherung ab. Das serbische Mitglied im Staatspräsidium, Milorad Dodik, hat die serbischen Verhandler angewiesen, keinen Verweis auf die NATO-Zusammenarbeit im Regierungsprogramm zuzulassen. Der prorussisch eingestellte Dodik bestimmt fast im Alleingang die Politik in der serbischen Landeshälfte. Dort war er von 2006 bis 2018 Regierungschef beziehungsweise Präsident.