„The Red Brigade“ bei Demo in London
Reuters/Henry Nicholls
„Extinction Rebellion“

Aktionswoche gegen das „Aussterben“

Mit weltweiten Aktionen des friedlichen Ungehorsams will das Aktionsbündnis „Extinction Rebellion“ (Aufstand gegen das Aussterben) den Druck auf die Regierungen erhöhen, mehr gegen die Klimakrise zu tun. Am Montag erfolgte der Auftakt zu zwei Wochen voller Aktionen in Dutzenden Städten. In Wien versammelten sich Vertreterinnen und Vertreter der Umweltgruppe beim Platz der Menschenrechte.

Auch wenn das Wort Rebellion im Namen der Gruppe vorkommt: Gewalt sei für die Aktivisten kein Weg, versicherte Sprecher Paul Sajovitz gegenüber Radio Wien: „Unsere Protestaktionen sind immer gewaltfrei. Wir achten ganz aktiv darauf. Die Personen, die daran teilnehmen, sind in Gewaltfreiheit geschult und auch im respektvollen Umgang mit der Polizei geschult“ – mehr dazu in wien.ORF.at. Entsprechend friedlich verlief die Aktion bis zum Nachmittag.

Am Nachmittag blockierten etwa 100 Aktivisten eine Kreuzung auf dem Platz der Menschenrechte. Gegen 14.00 Uhr forderte die Polizei die Demonstranten per Lautsprecher dazu auf, die „nicht angezeigte Versammlung“ innerhalb von 30 Minuten aufzulösen. Rund 40 Personen blieben sitzen und wurden von den Beamten weggetragen. Die Wiener Polizei zeigte sich zum Verlauf der Aktion zufrieden: Es habe weder bei den Aktivisten noch bei den Beamten im Zuge der Auflösung der Kundgebung Verletzte gegeben, „die Versammlung ist als friedlich einzustufen“, hieß es. 75 Manifestanten werden nach dem Versammlungsgesetz angezeigt.

Rackete bei Demo in Berlin dabei

Auch die Klimaproteste in Berlin verliefen gewaltfrei. Es seien mehrere hundert Menschen bei der unangemeldeten Blockade rund um die Berliner Siegessäule versammelt, sagte ein Polizeisprecher. Auf einer von den Aktivistinnen und Aktivisten selbst gebauten Arche aus Holz hielt die in der Flüchtlingsrettung engagierte Kapitänin Carola Rackete eine Rede. „Die Zerstörung unserer Ökosysteme stellt für uns Menschen eine existenzielle Krise dar“, sagte sie. Und: „Es ist mehr als Zeit, dass die Regierung die Wahrheit sagt und den ökologischen Notstand ausruft.“

Demo beim Museumsquartier
APA/Helmut Fohringer
Zwischen Getreidemarkt und Mariahilfer Straße ließen sich die Aktivisten in Wien nieder

Zudem versammelten sich auf dem Potsdamer Platz rund 2.000 Aktivisten zu einer angekündigten Demonstration, bei der auch die bekannteste deutsche „Fridays for Future“-Aktivistin Luisa Neubauer eine Rede hielt. „Wir brauchen Menschen, die in Massen, in nie dagewesenen Massen auf die Straßen gehen und anfangen, Teil der Lösung zu werden“, sagte Neubauer. Am späten Nachmittag begann die Polizei damit, den Platz zu räumen. Nachdem Beamte zunächst Möbel von der Straße räumten, wurden auch die ersten Aktivisten fortgetragen. Anschließend überprüften die Polizisten die Personalien der Demonstranten.

„Fridays for Future“ in radikal

Inhaltlich stehen „Fridays for Future“ und „Extinction Rebellion“ einander nah und verweisen auch immer wieder aufeinander. „Fridays for Future“ ist jedoch weniger für zivilen Ungehorsam und mehr für angemeldete Demonstrationen bekannt. Ihre Vertreter treten weniger radikal auf und sprechen dadurch mehr Bevölkerungsgruppen an.

Protest am Potsdamer Platz in Berlin
AP/Michael Sohn
In Potsdam sprach unter anderen Deutschlands bekannteste „Fridays for Future“-Aktivistin

Über 200 Festnahmen in London

Im Londoner Regierungsviertel Westminster blockierten Aktivisten einige der größten und verkehrsreichsten Straßen, Brücken und Plätze. Sie trugen Transparente mit Slogans wie „Der Klimawandel verwehrt unseren Kindern die Zukunft, wenn wir nicht jetzt handeln“. Die Polizei nahm über 200 Menschen vorübergehend fest. „Extinction Rebellion“ erwartet, dass in den nächsten zwei Wochen 10.000 Menschen aus ganz Großbritannien in die Hauptstadt kommen, um an den Protesten teilzunehmen.

„Extinction Rebellion“ erlangte im April Berühmtheit, als es elf Tage lang den Verkehr in der Londoner Innenstadt störte. Mehr als 1.000 Aktivisten wurden damals verhaftet, von denen 850 wegen verschiedener Straftaten angezeigt wurden – 250 wurden bisher verurteilt. Die Metropolitan Police hat diesmal eine aktivere Taktik gewählt. Die Polizeichefs sagten letzte Woche, sie würden Tausende von Beamten im Zuge der Proteste mobilisieren. Jeder, der gegen das Gesetz verstößt, wenn auch nur durch gewaltfreien zivilen Ungehorsam, werde verhaftet.

Demonstrantin wird von Polizisten getragen
Reuters/Henry Nicholls
In London wurden Dutzende Aktivisten und Aktivistinnen abgeführt

Von Amsterdam bis Wellington

Zu Dutzenden Festnahmen kam es auch in Amsterdam. Die Demonstranten hatten am frühen Morgen eine wichtige Durchgangsstraße beim Amsterdamer Reichsmuseum blockiert und kleine Zelte aufgestellt. Die vorwiegend jungen Leute sangen Lieder und trugen Transparente mit Aufschriften wie „Es gibt keinen Planeten B“ und „Seid ehrlich!“. Die Stadt hatte die Protestaktion aber an dieser Stelle verboten. Als die Demonstranten dennoch die Straße blockiert hatten, sperrte die Polizei die Straßen rund um das Museum ab, um den Zustrom von weiteren Demonstranten zu unterbinden.

Auch am anderen Ende der Welt fanden Protestaktionen statt. In der neuseeländischen Hauptstadt Wellington blockierten die Klimademonstranten zentrale Straßen sowie Ministerien und besetzten eine Bankfiliale, wie die Organisatoren mitteilten. Mehr als 30 Aktivisten seien laut Polizeiangaben vorübergehend festgenommen worden. Insgesamt hatten sich Hunderte an den Protestaktionen beteiligt.

Demo in Melbourne
APA/AFP/Asanka Brendon Ratnayake
Auch in Melbourne wurde für das Klima marschiert – oder gesessen

Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern äußerte sich kritisch zu den Blockadeaktionen: „Ich werde nie dagegen sein, dass jemand seine Meinung äußern und seine Stimme erheben kann. Aber Menschen daran zu hindern, ihrer täglichen Arbeit nachzugehen, bringt uns dem Klimaschutz, den sie fordern, nicht unbedingt näher“, zitierte das Webportal Stuff die Regierungschefin.

Auch in mehreren australischen Städten blockierten Klimaaktivisten Straßen. In Sydney nahm die Polizei 30 Menschen fest, die sich geweigert hatten, eine Straße nahe dem Hauptbahnhof zu räumen. Demonstrationen in Melbourne und Brisbane verliefen laut Medienberichten dagegen größtenteils ohne Zwischenfälle.