ÖVP-Bundesparteiobmann Sebastian Kurz
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Regierungsbildung

Kurz’ Fahrplan für die Partnersuche

ÖVP-Chef Sebastian Kurz soll in den nächsten Wochen bzw. Monaten eine neue Regierung bilden. Den Auftrag dafür bekam er am Montag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Dieser betonte, ihm sei es nicht so wichtig, wer mit wem regiere, sondern wer wofür. Kurz muss nun einen Koalitionspartner finden, mit dem er und der auch mit der ÖVP kann. Die Gesprächstermine stehen schon fest.

Im ersten Schritt startet der ÖVP-Chef Sondierungsgespräche mit allen Parteichefs und Parteichefinnen. Das bedeutet, er lotet aus, ob es mit einer bestimmten Partei überhaupt zu einer Koalition kommen kann. Welche Position vertritt die Partei? Welche Ziele verfolgt sie? Erst wenn die Basis stimmt, starten die Koalitionsverhandlungen. Und diese können sich ziehen – dementsprechend lange kann es dauern, bis die nächste Regierung mit einer neuen Besetzung angelobt werden kann.

Fix ist, dass Kurz mit allen im Parlament vertretenen Parteien sprechen will. Mit drei der vier Fraktionen könnte er eine Zweierkoalition bilden. Nur mit NEOS hat Kurz keine einfache Mehrheit im Nationalrat. Die derzeit am häufigsten ventilierte Koalitionsvariante ist eine mit den Grünen. Doch auch mit den zwei Wahlverliererinnen SPÖ und FPÖ ist eine Regierung denkbar. Beide Parteien zieren sich ob ihrer eigenen Probleme, zu konstruktiven Gesprächen sei man aber trotzdem bereit.

Kurz spricht mit Rendi-Wagner und Hofer am Dienstag

Am Dienstag um 11.00 Uhr starten die Sondierungsgespräche. Zuerst wird SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner von Kurz zum Vieraugengespräch im Winterpalais in der Himmelpfortgasse empfangen. Die SPÖ büßte bei der vergangenen Nationalratswahl zwölf Mandate ein und startet den Versuch, die Partei zu erneuern. Sollten die Sozialdemokraten am Ende doch zu Verhandlungen eingeladen werden, wolle Rendi-Wagner dem „offen begegnen“, sagte die Parteichefin. Eine ÖVP-SPÖ-Regierung gilt für viele Kommentatorinnen und Kommentatoren als unwahrscheinlich.

Werner Kogler, Beate Meinl-Reisinger, Sebastian Kurz, Pamela Rendi-Wagner und Norbert Hofer
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ÖVP-Chef Kurz wird ab Dienstag mit allen Parteichefs und -chefinnen Sondierungsgespräche führen

Am Dienstag um 15.00 Uhr ist entsprechend der Stärke der Parteien im Nationalrat FPÖ-Chef Norbert Hofer als Zweiter zum Gespräch geladen. Die Freiheitlichen kündigten unisono nach der Nationalratswahl, bei der sie ein Minus von knapp zehn Prozent einfuhren (2017: 26 Prozent, 2019: 16,2 Prozent), an, dass man in die Opposition gehen werde. Eine Tür ließ sich FPÖ-Chef Hofer aber dennoch offen – für den Fall, dass es für Kurz „unmöglich“ wäre, einen Partner zu finden.

ÖVP-Chef Kurz erhält Regierungsbildungsauftrag

Bundespräsident Van der Bellen hat ÖVP-Chef Kurz am Montag beauftragt, eine neue Regierung zu bilden. Kurz bedankte sich bei Van der Bellen und kündigte Gespräche mit allen Parteien an.

Die Dauer der Koalitionsverhandlungen wäre hierbei entscheidend, immerhin bekäme die FPÖ bei langen Sondierungen mehr Zeit, sich nach der Wahlschlappe und der Spesen- sowie „Ibiza-Affäre“ rund um den inzwischen suspendierten Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache neu aufzustellen. Inhaltlich gibt es bei ÖVP und FPÖ nach wie vor die größten Überschneidungen – etwa in der Migrations-, Bildungs- und Sicherheitspolitik.

Kogler verlangt „ordentliche Kurve“ von ÖVP

Mit NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger spricht Kurz am Mittwoch um 11.00 Uhr. Theoretisch möglich wären eine Dreierkoalition – etwa ÖVP-Grüne-NEOS (wie in Salzburg) – und eine Minderheitsregierung. „Der Ball liegt nicht bei uns“, meinte die NEOS-Chefin Meinl-Reisinger und fügte hinzu: „Wir können beides. Wir können Opposition gut, aber wir können auch regieren wie in Salzburg.“ Bei einer Minderheitsregierung müsste sich die ÖVP für jeden Beschluss eine Mehrheit suchen. Im Falle einer Dreierkoalition könnte NEOS etwa als Brücke zwischen ÖVP und Grünen fungieren.

Denn zwischen ÖVP und Grüne gibt es wenige Überschneidungen. Zwar sorgte eine mögliche Koalition zwischen ÖVP und Grüne seit der Wahl für Gesprächsstoff – die gescheiterten ÖVP-Grünen-Verhandlungen aus dem Jahr 2003 werden wieder diskutiert –, aber die Grünen halten sich bisher sehr bedeckt. Dass man es der ÖVP bei Verhandlungen nicht leichtmachen werde, darauf verwiesen zahlreiche Grünen-Politiker und -Politikerinnen in den vergangenen Tagen. Am Mittwoch um 17.30 Uhr sprechen Grünen-Chef Werner Kogler und Kurz miteinander.

Aber selbst Kogler verlangte von der ÖVP in puncto Umwelt-, Klima- und Naturschutz eine „ordentliche Kurve“, wie er nun gegenüber Oe24 sagte. Auf die Frage, ob eine Koalition zwischen der ÖVP und den Grünen gut gehen könne, meinte Kogler gegenüber der „Kronen Zeitung“: „Wenn wir Politik mit zehn Feldern beschreiben, und in fünf Feldern bleibt der Status quo und in den anderen wird es grüner, dann ja.“ Und: „Schwarz-Grün, das haben wir gesehen, geht gut (…). Aber Türkis-Grün müssen wir schauen, das wissen wir nicht.“

Van der Bellen mahnt zu Klimaschutz

Am Montagvormittag betonte jedenfalls Van der Bellen, dass er sich unabhängig von Parteifarben in der Regierung „ein Rot-Weiß-Rot in der Regierung“ wünsche. „Mir ist nicht so wichtig, wer mit wem regiert. Mir ist wichtig, wer wofür regiert“, sagte Van der Bellen. Wie schon vergangene Woche sagte er, dass der Klimaschutz in den kommenden Jahren oberste Priorität bekommen müsse, nicht nur in Österreich, sondern auf der ganzen Welt. Außerdem sei ihm die Unabhängigkeit der Justiz ein besonderes Anliegen. Darauf werde er, Van der Bellen, ein Auge werfen.

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ÖVP-Chef Sebastian Kurz
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ÖVP-Chef Sebastian Kurz beim Eintreffen in der Präsidentschaftskanzlei
Bundespräsident Alexander Van der Bellen und ÖVP-Chef Sebastian Kurz
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Dort fand zuerst ein Gespräch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen statt
Bundespräsident Alexander Van der Bellen und ÖVP-Chef Sebastian Kurz
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Nach einer guten Stunde hinter der roten Tapetentür traten beide vor die Presse
Bundespräsident Alexander Van der Bellen und ÖVP-Chef Sebastian Kurz
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Van der Bellen erteilte dem ÖVP-Chef den offiziellen Auftrag, eine Regierung zu bilden
ÖVP-Chef Sebastian Kurz
Reuters/Leonhard Foeger
Kurz sagte, dass er mit allen Parteien Gespräche führen wird

Kurz wiederum nannte drei Ziele, mit denen er in die Sondierungsgespräche gehen werde: Er wolle dafür sorgen, dass die politische Kultur nach dem teilweise „sehr schmutzigen Wahlkampf“ wieder eine bessere werde. Außerdem will Kurz über eine mögliche parteiübergreifende Zusammenarbeit im Parlament sprechen. „Zum Dritten ist das große Ziel dieser Gespräche natürlich, eine stabile und handlungsfähige Regierung zu bilden.“

Seine Prioritätenliste war eine andere als die von Van der Bellen. Größte Herausforderung, die unmittelbar bevorstehe, sei die Frage, wie man mit dem „drohenden Wirtschaftsabschwung“ umgehe. Außerdem will er den „Weg der Steuerentlastung fortsetzen“. Drittens müsse der „entschlossene Weg im Kampf gegen illegale Migration in Österreich und Europa“ weitergehen. Erst als vierten Punkt nannte Kurz jenen Bereich, den Van der Bellen als die größte Herausforderung bezeichnet hatte: den Kampf gegen die Erderwärmung.