Glocke im Nationalrat
ORF.at/Roland Winkler
Bundesrat

Schuldenbremse vor Abfuhr

Der Bundesrat tritt nach der Nationalratswahl erstmals zusammen. Dabei steht auch der von ÖVP, FPÖ und NEOS kurz vor der Wahl verabschiedete Beschluss, die Schuldenbremse in den Verfassungsrang zu heben, auf der Tagesordnung. Dafür braucht es aber die Zustimmung der SPÖ. Sie wird ebenso wie die grünen Bundesräte dagegenstimmen.

Kurz vor der Nationalratswahl war es einer jener Beschlüsse, die für besonders viel Aufsehen sorgten – nun kommt die Schuldenbremse, die eine weitere Neuverschuldung weitgehend einbremsen soll, in die Länderkammer. Die SPÖ hatte im Nationalrat bereits gegen die Regelung gestimmt, die sie aus prinzipiellen Erwägungen ablehnt.

Auch die SPÖ-Abgeordneten im Bundesrat werden geschlossen gegen die Gesetzesänderungen stimmen – das kündigten Vizeklubchef Jörg Leichtfried und die Fraktionsvorsitzende im Bundesrat, Korinna Schumann, am Mittwoch an. Die Sozialdemokraten würden dieser „Investitionsbremse“ auf keinen Fall zustimmen, so Schumann. Es sei „ein großer Fehler“ von ÖVP, FPÖ und NEOS gewesen, diese „populistische Maßnahme“ zu beschließen, kritisierte Leichtfried.

SPÖ: Weniger Spielraum für Gemeinden

Die Schuldenbremse ist seit 2017 einfachgesetzlich in Kraft. Würde diese Regelung in der Verfassung verankert werden, würde das nicht nur den Nationalrat „massiv einschränken“, sondern auch die Länder und Gemeinden, warnte Leichtfried. „Der Spielraum für die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, um sinnvolle Investitionen in ihren Gemeinden zu tätigen, würde wesentlich geringer werden“, argumentierte Schumann.

Bundesratssitzung
APA/Georg Hochmuth
Wegen des Parlamentsumbaus tagen die 61 Bundesrätinnen und Bundesräte im gleichen Saal der Hofburg wie der Nationalrat

Anders als im Nationalrat ist in der Länderkammer eine Zweidrittelmehrheit nur mit SPÖ-Stimmen möglich. Stimmen die SPÖ-Bundesrätinnen und -Bundesräte geschlossen dagegen, so können sie die Schuldenbremse allerdings nur verzögern. Im Fall einer Ablehnung kommt das Gesetz in den Nationalrat zurück. Wird dieses dort nochmals verabschiedet, so tritt es trotzdem in Kraft. Ob sich ÖVP, FPÖ und NEOS nach der Wahl auf einen Beharrungsbeschluss einigen können, bleibt abzuwarten.

Deutsches Vorbild

Als Punkt Nummer acht steht die Schuldenbremse auf der Tagesordnung des Bundesrats. Der von ÖVP, FPÖ und NEOS verabschiedete Vorschlag orientiert sich weitgehend am deutschen Vorbild und ist mit diesem teilweise ident.

Auch grüne Abgeordnete dagegen

Auch die beiden grünen Bundesratsmitglieder werden ÖVP, FPÖ und NEOS einen Korb geben. „Die Schuldenbremse ist aus unserer Sicht nichts anderes als eine Investitionsbremse“, so die grüne Bundesrätin Ewa Dziedzic. Gerade jetzt, wo Investitionen in den Klimaschutz dringend notwendig seien, würde sie „den Handlungsspielraum extrem einschränken“

Die Stimmen der beiden grünen Abgeordneten sind zwar nicht ausschlaggebend – allerdings könnte deren Nein in den Koalitionsverhandlungen bei Bedarf herangezogen werden, um gegen eine Kooperation zu argumentieren. ÖVP und Grüne hätten gemeinsam im Bundesrat nicht einmal eine einfache Mehrheit. Sie müssten im Falle einer Zweierkoalition damit rechnen, dass SPÖ und FPÖ auch einfache Gesetzesvorhaben mit Beharrungsbeschlüssen verzögern.

Von den insgesamt 61 Sitzen hat die ÖVP 22, die SPÖ 21 und die FPÖ 15. Dazu kommen drei fraktionslose Abgeordnete, zwei davon sind Grüne: Ewa Ernst-Dziedzic (Wien) und David Stögmüller (Oberösterreich).

In Deutschland heftig umstritten

Wirkung und Sinnhaftigkeit einer gesetzlich verordneten Schuldenbremse für ein staatliches Budget sind seit jeher umstritten. Es gibt ebenso vehemente Befürworter wie Gegner. Aktuell flammt diese Debatte immer wieder in Deutschland auf. Dort wurde eine Schuldenbremse bereits 2009 eingeführt. Damit gelten für Bund und Länder seit 2011 verbindliche Vorgaben für die Reduzierung des Haushaltsdefizits.

Den Bundesländern ist eine Neuverschuldung verboten, für den Bund ist sie auf maximal 0,35 Prozent des BIP beschränkt. Allerdings gibt es Ausnahmen für Naturkatastrophen und Wirtschaftskrisen. Und sie gilt auch nur für die „strukturelle“ Neuverschuldung – also jene, die von der Konjunktur unabhängig ist. Die Zuordnung lässt einen zusätzlichen Spielraum offen.

Sorge wegen drohender Rezession

Angesichts der in Deutschland drohenden Rezession macht dort aber mittlerweile selbst die Wirtschaft Druck auf Berlin. Sie ruft zwar nicht nach einer Abschaffung der Schuldenbremse, aber sehr wohl nach einer deutlich elastischeren Interpretation derselben. Deutsche Topökonomen forderten erst vergangene Woche erneut eine Abkehr von der Politik des ausgeglichenen Haushalts.

„Ein Festhalten an der schwarzen Null wäre grundfalsch“, sagte Konjunkturchef Claus Michelsen vom Berliner DIW in Berlin. Wer sich an solch ein Ziel klammere, sorge nur dafür, dass „dem Abschwung hinterhergespart“ werde. Auch der Chef des Industrieverbands BDI, Joachim Lang, forderte: „Das Festhalten an der schwarzen Null im kommenden Jahr darf kein Dogma sein.“ Ähnlich hatte sich in der Vergangenheit auch der Internationale Währungsfonds geäußert und mehr Investitionen angemahnt.