Euromünzen und Euroscheine
ORF.at/Zita Klimek
Plastik-, CO2- und Digitalsteuer

EU-Eigenmittel und ihre Stolpersteine

Der designierte EU-Budgetkommissar Johannes Hahn hat eine Reihe an Maßnahmen angekündigt, um die Eigenmittel der EU aufzustocken. So nannte er in seiner Anhörung vor dem EU-Parlament Anfang Oktober eine Plastiksteuer, eine CO2-Grenzsteuer und eine Digitalsteuer. Doch neu sind diese Ideen nicht, und ihre Umsetzung dürfte eine Herausforderung werden.

Sinn einer Aufstockung der Eigenmittel ist es, die EU weniger abhängig von nationalen Beiträgen zu machen. Bei der Plastiksteuer etwa gebe es schon eine „wesentliche Übereinstimmung“, so Hahn, nur noch Polen sei dagegen. Mit einer Plastiksteuer könnte der Anteil recycelter Verpackungen erhöht und ein Anreiz geschaffen werden, weniger Verpackungsmüll zu produzieren. Daraus soll sich ein doppelter Nutzen ergeben, wofür sich auch bereits Hahns Vorgänger, EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger, aussprach: weniger Müll und Milliardeneinnahmen für den EU-Haushalt.

Doch ob eine Plastiksteuer tatsächlich Milliarden bringen kann, ist fraglich. Schließlich sei der Anreiz, weniger Plastikverpackungen zu produzieren, womit sich auch die Steuereinnahmequelle reduzieren könnte, gab etwa der nun designierte Klimaschutzkommissar Frans Timmermans zu diesem Thema jüngst zu bedenken. „Wie bei (Abgaben auf, Anm.) Plastiktüten ist die Absicht, dass die Leute das nicht mehr verwenden. In einer perfekten Welt würden die Einnahmen also sehr schnell sinken“, so Timmermans.

Digitalsteuer – kompatibel mit EU-Wirtschaft?

Noch weitaus umstrittener als eine Plastiksteuer ist die Digitalsteuer. „Es wäre meiner Ansicht nach sehr gefährlich, wenn man die Finanzierung der EU auf solche speziellen sektoralen Steuern abstellen würde, denn deren Aufkommen wäre sicher hohen Fluktuationen unterlegen“, sagte Daniel Gros, Direktor des CEPS, Thinktank für EU-Angelegenheiten, gegenüber ORF.at. Der digitale Wirtschaftssektor ist zu einer wachsenden Herausforderung für Besteuerungssysteme geworden, da die Steuern in manchen Fällen nicht dort bezahlt werden, wo die wirtschaftliche Wertschöpfung stattfindet.

Im März 2018 verabschiedete die Kommission deshalb zwei Vorschläge mit dem Ziel, die Steuern an die digitale Wirtschaft anzupassen. Bisher scheiterten jedoch jegliche Pläne, da mehrere Mitgliedsstaaten nicht mitzogen. Grund ist unter anderem, dass die Kommission sagt, digitale Unternehmen würden nur 10,1 Prozent Steuern zahlen gegenüber 23,2 Prozent von traditionellen Firmen.

Der designierte EU-Budgetkommissar Johannes Hahn
APA/AFP/Kenzo Tribouillard
Hahn sprach sich wie auch Oettinger zuvor für mehr EU-Eigenmittel aus

Die Zahlen würden allerdings so nicht stimmen, wie Matthias Bauer vom Brüsseler Thinktank ECIPE bereits letztes Jahr aufzeigte. Die Kommission beziehe sich lediglich auf die 100 größten Unternehmen nach Börsenwert und die fünf größten E-Commerce-Firmen. Es seien, so schließt Bauer, also eine Reihe an Unternehmen ausgeklammert und somit keine echten Profite errechnet worden. Zudem sei eine Digitalsteuer nicht kompatibel mit der Idee der EU, den Ausbau des digitalen Wirtschaftssektors zu einer Toppriorität zu machen. „Es ist demnach bemerkenswert, dass eine solche Steuer überhaupt in Betracht gezogen wird“, schrieb Bauer in seiner Conclusio.

Zusatzbelastung im Handelsstreit?

Kritikerinnen und Kritiker befürchten außerdem, die USA könnten eine EU-Digitalsteuer als Versuch werten, den US-Internetriesen Google, Amazon, Facebook und Apple zu schaden – mit einer Art Handelsbarriere allein gegen die USA. Die deutschen Wirtschaftsweisen meinen, dass das sogar gegen Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) verstoßen und schlimmstenfalls sogar den Handelsstreit verschärfen könnte.

Wie das Beispiel Frankreich zeigt, wollen es globale Digitalunternehmen auch nicht einfach hinnehmen, in spezifischen Ländern extra Steuern zu zahlen. Amazon etwa warnte, eine Digitalsteuer an Drittanbieter weiterzugeben, die die Amazon-Seite als Verkaufsplattform nutzen. Zu Schaden käme also nicht Amazon, sondern französische Klein- und Mittelunternehmen, die wiederum nichts davon abhält, die Steuer indirekt an ihre Kundinnen und Kunden abzuwälzen.

Experte: CO2-Grenzsteuer „durchaus denkbar“

Hinzu kommt: Die EU darf selbst keine Steuern und Abgaben erheben. „All diese Steuern kann man sich durchaus vorstellen, aber nicht in der Hinsicht, dass sie europäische Steuern wären und direkt ins Budget der Europäischen Union gehen würden“, erklärte Gros: Das Thema Steuern fällt in die Zuständigkeit der EU-Mitgliedsstaaten.

Dennoch bleibt eine „Steuer“ als Einnahmequelle besonders interessant, gerade deshalb, weil sie genau genommen gar keine ist. Was vonseiten der Kommission meist als CO2-Grenzsteuer bezeichnet wird, sei eigentlich ein Zoll, erklärte Gros gegenüber ORF.at – und „Zölle gehen ins EU-Budget“. Bei der CO2-Grenzsteuer soll eine Gebühr auf Produkte aus Drittstaaten anfallen, deren Herstellung besonders kohlenstoffdioxidintensiv war. Kritikerinnen und Kritiker befürchten allerdings eine Verlangsamung des weltweiten Wirtschaftswachstums.

Ausweitung des Emissionshandelssystems

Immerhin ist eine CO2-Grenzsteuer aber auch im Konzept des europäischen „Green Deal“, dem sich die designierte Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen verschrieben hat, enthalten. In diesem Prioritätenprogramm verspricht die Kommission Klimaneutralität bis zum Jahr 2050. Auch im „Green Deal“ verankert sein soll die Ausweitung des europäischen Emissionshandelssystems (ETS).

Derzeit beinhaltet der CO2-Zertifikatenhandel noch nicht die Sektoren Verkehr und Gebäude, was sich aber ändern soll, wenn es nach dem designierten Klimaschutzkommissar Timmermans, geht: Auch Flugverkehr und Schifffahrt müssten integriert werden. Fliegen ist bisher nur zu einem sehr geringen Anteil in den Emissionshandel miteinbezogen. Ob der Straßenverkehr, wie von von der Leyen vorgesehen, auch Teil werden soll, ist unklar: „Ich bin generell nicht gegen eine Einbeziehung des Straßenverkehrs", so Timmermans zuletzt.

Uneinigkeit beim mehrjährigen Finanzrahmen

Welche Maßnahmen zu einer Ausweitung der EU-Eigenmittel nun kommen sollen oder nicht: Die Uhr tickt für die Mitgliedsstaaten, eine Entscheidung zum mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) zu fällen, in den der jährliche EU-Haushalt eingebunden ist. Der Wunsch besteht, sich noch heuer auf einen MFR, der von 2021 bis 2027 gelten soll, zu einigen.

Die EU-Kommission tritt für eine Steigerung des Ausgabenrahmens auf 1,114 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ein. Doch viele Nettozahlerstaaten wollen da nicht mitmachen. Auch Österreich vertritt eine harte Position und will, dass es bei einem Prozent bleibt. Hahn und alle neuen Kommissare unter der designierten Kommissionspräsidentin von der Leyen sollen am 1. November ihr Amt antreten. Die Gespräche würden nicht leichter werden als zuletzt, heißt es aus Brüsseler Kreisen.