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Reuters/Francois Lenoir
EU-Kommission

Klage gegen Polen wegen Drucks auf Richter

Die EU-Kommission zieht im Streit mit Polen über Disziplinarmaßnahmen gegen Richterinnen und Richter vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die Änderung untergrabe die „Unabhängigkeit der polnischen Richter“ und den Schutz „vor politischer Kontrolle“, sagte die Behörde am Donnerstag in Brüssel.

Angesichts der Brisanz der Reform beantragte die Kommission, den Fall beim EuGH „im beschleunigten Verfahren“ zu entscheiden. Die EU-Kommission geht seit Anfang 2016 gegen mehrere Justizreformen der nationalkonservativen Regierung in Warschau vor. Brüssel wirft Polen vor, die Unabhängigkeit der Justiz zu beschneiden und die Gewaltenteilung zu untergraben. Die Kommission leitete deshalb bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren ein.

Im Dezember 2017 startete Brüssel dann ein bis dahin beispielloses Strafverfahren, das bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen kann. Im konkreten Fall geht es um Disziplinarverfahren gegen Richter, die von dem in den EU-Verträgen verankerten Recht Gebrauch machen, bei laufenden Verfahren die Einschätzung des EuGH einzuholen. Das kann von nationalen Richtern auch dazu genutzt werden, die Übereinstimmung nationaler Gesetze oder Verwaltungsakte mit EU-Recht überprüfen zu lassen.

Zwangspensionierung verstößt gegen EU-Recht

Schon Ende Juni hatte der EuGH die Justizreform für europarechtswidrig erklärt. Die Bestimmungen des polnischen Rechts zur Senkung des Ruhestandsalters der Richter am Obersten Gericht verstießen gegen EU-Recht, teilte der EuGH damals mit. Die Brüsseler Behörde erkannte in der Senkung des Pensionsalters von 70 auf 65 Jahre einen Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz, weil damit missliebige Richter leichter entfernt werden können.

Der EuGH betonte in seiner nunmehrigen Entscheidung, dass die Zwangspensionierung durch kein legitimes Ziel gerechtfertigt sei und den Grundsatz der richterlichen Unabsetzbarkeit beeinträchtige. Diese Unabsetzbarkeit sei jedoch untrennbar mit der Unabhängigkeit von Richtern verknüpft. Nach einer Eilentscheidung des EU-Höchstgerichts hob die polnische Regierung die umstrittene Maßnahme bereits im November vorläufig auf.

Polen hatte argumentiert, dass mit dem neuen Gesetz die Altersgrenze für Richter an die der anderen Beschäftigten angeglichen werde. Der EuGH folgte der Argumentation jedoch nicht, da die polnische Gesetzesnovelle Ausnahmen enthalte wie ein Recht für den Staatspräsidenten, einzelnen Richtern nach freiem Ermessen am Obersten Gericht doch eine Verlängerung zu gewähren. Zudem betreffe die neue Regelung ein Drittel der amtierenden Richter. Damit bestünden „ernsthafte Zweifel, was die wahren Ziele dieser Reform betrifft“.