Menschen stellen sich auf der Brücke an um den aufgebahrten Sarg des tschechischen Sängers Karel Gott zu sehen
APA/AFP/Joe Klamar
Kilometerlange Warteschlange

Tschechien trauert um Karel Gott

Die Verabschiedung des Schlagerstars Karel Gott hat Prag in einen Ausnahmezustand versetzt. Vor dem Sophienpalais (Palais Zofin) im Prager Stadtzentrum, wo der Leichnam Gotts aufgebahrt ist, bildete sich eine kilometerlange Warteschlange. Viele Menschen harrten dort seit dem Vortag aus. Die Regierung rechnete im Vorfeld mit 150.000 bis 300.000 Menschen.

Die Warteschlange zog sich über die Brücke der Legionen bis ins Stadtviertel Smichov. Polizei und Rettungskräfte waren mit einem Großaufgebot im Einsatz. Helfer des Roten Kreuzes teilten Kaffee an die Wartenden aus. Die Trauergäste, viele von ihnen in Tränen, legten Blumen am Sarg mit den sterblichen Überresten des Sängers, der am 1. Oktober im Alter von 80 Jahren verstorben war, nieder und verbeugten sich.

Im Hauptsaal des Palastes erklangen langsamere Lieder der „goldene Stimme aus Prag“ in tschechischer und deutscher Sprache – schließlich war der Sänger auch im deutschsprachigen Raum sehr populär. Soldaten hielten Ehrenwache am geschlossenen Sarg, der mit weißen Blumen bedeckt war. Ein großes Porträt in Schwarz-Weiß erinnerte an den 1939 in Pilsen geborenen Schlagersänger, im Hintergrund spielten seine Balladen.

Aufgebahrter Sarg des tschechischen Sängers Karel Gott
Reuters/David W Cerny
50.000 Menschen können im Laufe des Tages in das Sophienpalais

Offizielle Staatstrauer am Samstag

Ob des riesigen Andrangs sagten die Organisatoren im Voraus, dass aus Zeit- und Kapazitätsgründen höchstens 50.000 von ihnen in das Palais eingelassen werden können. Bis zum Nachmittag defilierten bereits mehrere zehntausend Menschen vorbei, um ihrem Idol die letzte Ehre zu erweisen. Das Palais wurde am Freitag um 8.00 Uhr geöffnet und soll bis Mitternacht zugänglich bleiben.

Den Samstag hat die tschechische Regierung zu einem offiziellen Staatstrauertag erklärt – die Flaggen werden auf halbmast gesetzt, auch eine Schweigeminute ist geplant. Ein Requiem für den Sänger wird im Prager Veitsdom für geladene Gäste stattfinden. Zu der Trauerfeier auf der Prager Burg werden neben Gotts Angehörigen tschechische Regierungsvertreter sowie der slowakische Regierungschef Peter Pellegrini erwartet. Die Feier wird auf Großbildleinwänden vor dem Dom übertragen.

Menschen stellen sich auf der Brücke an um den aufgebahrten Sarg des tschechischen Sängers Karel Gott zu sehen
Reuters/David W Cerny
Vor dem Palais bildeten sich kilometerlange Schlangen, die bis ans gegenüberliegende Moldau-Ufer reichten

Mitte September hatte Gott öffentlich gemacht, dass er an akuter Leukämie leidet. Eine andere Krebserkrankung am Lymphsystem hatte er wenige Jahre zuvor überstanden. Er stand fast sechs Jahrzehnte auf der Bühne und verkaufte Schätzungen zufolge mehr als 50 Millionen Tonträger.

Prag nimmt Abschied von Karel Gott

Mit der Aufbahrung des Sarges haben in Prag die zweitägigen Trauerfeierlichkeiten für Karel Gott begonnen. Der Sänger war am 1. Oktober im Alter von 80 Jahren nach langer Krankheit gestorben.

Mit der Titelmelodie zur Zeichentrickserie „Biene Maja“ wurde seine Stimme für Generationen deutschsprachiger Kinder bekannt. Mit unvergesslichen Melodien wie „Einmal um die ganze Welt“, „Lady Carneval“ und „Fang das Licht“ sicherte sich der Tscheche auch unter Erwachsenen ein Millionenpublikum.

Song-Contest-Teilnahme für Österreich

In seinem Heimatland Tschechien war der Sänger eine Legende und wurde auch als „bozsky Karel“ („göttlicher Karel“) bezeichnet. Insgesamt 42-mal gewann er den Publikumspreis Goldene Nachtigall. Gott wurde am 14. Juli 1939 im westböhmischen Pilsen geboren. Als Elektrikerlehrling hatte er mit 18 seine ersten Auftritte in Prager Tanzcafes. Mit seiner Darbietung von „Tausend Fenster“ beim Grand Prix Eurovision de la Chanson in London 1968 wurde er auch im Westen bekannt. Mit der Udo-Jürgens-Nummer erreichte Gott für Österreich den 13. Rang.

Karel Gott in der Hängematte mit Biene Maja und Willi
picturedesk.com/First Look/Milenko Badzic
Eine von Gotts berühmtesten Darbietungen – die Titelmelodie zu „Biene Maya“

Die Hits folgten Schlag auf Schlag: „Lady Carneval“ (1969), „Einmal um die ganze Welt“ (1970), „Babicka“ (1979) und „Fang das Licht“ (1985). Mit der Biene-Maja-Melodie von 1977 eroberte Karel Gott die Herzen der kleinen Fernsehzuschauer. Mit seinem unverkennbaren slawischen Akzent sang er von der „kleinen, frechen, schlauen Biene“ mit den Kulleraugen.

Kritik an mangelndem Engagement gegen Regime

Trotz des Ruhmes blieb ihm Kritik nicht erspart. Dabei ging es nicht um seine künstlerischen Qualitäten. Besonders nach der „Samtenen Revolution“ 1989 wurde Gott mit Vorwürfen konfrontiert, in Eintracht mit dem kommunistischen Regime der ehemaligen Tschechoslowakei gelebt zu haben, während andere Sänger, die sich 1968 offen gegen den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen engagiert hatten, jahrelang nicht auftreten durften oder in den Westen fliehen mussten.

Auch Gott erwog jedoch Anfang der 70er, nach einer Tournee in Westdeutschland zu bleiben. KP-Chef Gustav Husak persönlich, angeblich von Moskau veranlasst, überzeugte ihn via diplomatische Vertretung Bonn zur Rückkehr nach Prag und sicherte ihm zu, auf keine Weise verfolgt zu werden. „Husak hat erfüllt, was er versprochen hat. Deshalb konnte und wollte ich nicht gegen ihn auftreten“, erinnerte einst der Künstler. „Ich weiß, dass das heute schwer zu erklären ist. Nach dem Krieg fühlt sich aber jeder als General“, fügte er hinzu.

„Magnetismus“ mit dem Publikum

Im Jahr 2003 hatte der Sänger einen leichten Schlaganfall überstanden. Seine letzte große Tournee durch Tschechien und die Slowakei war ein Triumph. Rund 12.000 Zuschauerinnen und Zuschauer feierten im Dezember 2014 in Prag ihren „mistr“ (Meister). Seinen 80. Geburtstag feierte er im Juli 2019, abgeschirmt von der Öffentlichkeit, mit Weggefährten und Prominenten in einem Prager Theater. Über seine Beziehung zu seinem Publikum sagte er einmal: „Es ist eine Art Magnetismus, eine gegenseitige Anziehungskraft, die schwer beschreibbar ist.“

Bild aus dem Jahr 1968 zeigt die beiden Sänger Udo Jürgens und Karel Gott
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Ebenso wie Udo Jürgens vertrat auch Karel Gott Österreich beim Song Contest

Der Sänger hatte im Jahr 2008 in Las Vegas seine 37 Jahre jüngere Freundin, die Fernsehmoderatorin Ivana Machackova, geheiratet. Mit ihr bekam er zwei Töchter, die 13 Jahre alte Charlotte Ella und und die elf Jahre alte Nelly Sofie. Aus früheren Beziehungen hatte er noch zwei andere Töchter – Dominika (46) und Lucie (32). Mit Charlotte Ella sang Karel Gott auch sein letztes Lied – „Srdce nehasnou“ („Die Herzen verlöschen nicht“).