Kind beißt in ein Stück Pizza
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Von Hunger bis Übergewicht

Ideale Kinderernährung in weiter Ferne

Das UNO-Kinderhilfswerk (UNICEF) schlägt in einem Bericht anlässlich des Welternährungstages am Mittwoch Alarm. Weltweit ist die Gesundheit von 200 Millionen Mädchen und Buben unter fünf Jahren – das ist jedes dritte Kind in dem Alter – durch schlechte und unzureichende Ernährung bis hin zu Übergewicht und Fettleibigkeit gefährdet. Doch auch die Ernährung von Jugendlichen ist alles andere als ideal – aus unterschiedlichen Gründen.

Die Zahl der Betroffenen im Kleinkindalter sei alarmierend, warnte UNICEF am Dienstag im „Bericht zur Situation der Kinder in der Welt“. Der Bericht hat alle Formen kindlicher Fehlernährung im 21. Jahrhundert dokumentiert und drei Bürden analysiert: Unterernährung, versteckten Hunger durch fehlende Nährstoffe sowie Übergewicht bei Kindern unter fünf Jahren. 149 Millionen Kinder unter fünf Jahren sind aufgrund von Mangelernährung unterentwickelt (englisch: „stunted“), sprich zu klein für ihr Alter.

50 Millionen Kleinkinder sind unterernährt („wasted“), sprich zu dünn im Vergleich zu ihrer Größe. 40 Millionen Kinder unter fünf sind wiederum aufgrund von falschem Essverhalten übergewichtig oder gar fettleibig. Jedes zweite Kind – 340 Millionen Mädchen und Buben – leidet unter Defiziten aufgrund fehlender Vitamine und Nährstoffe wie Vitamin A und Eisen.

Kleinkind wird gefüttert
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Auch die Beikost ist je nach Lebensumständen der Eltern oft nicht die richtige für Kinder

Übergewicht überall auf dem Vormarsch

Im späteren Leben sei eine Fülle von ungesunden und industriell stark verarbeiteten Lebensmitteln wie Fast Food und zuckerhaltige Getränke in Städten und auch in abgelegenen Dörfern durchaus zu bekommen, so UNICEF kritisch. In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen konsumieren bereits 42 Prozent der Schüler und Schülerinnen im Jugendalter mindestens einmal täglich einen zuckerhaltigen Softdrink, 46 Prozent essen mindestens einmal pro Woche Fast Food. In Industrieländern stieg der Anteil sogar auf 62 Prozent bei den Getränken bzw. 49 Prozent bei Fast Food.

Somit nahmen auch Übergewicht und Fettleibigkeit bei Kindern und Jugendlichen weltweit zu. Zwischen den Jahren 2000 und 2016 hat sich der Anteil der übergewichtigen Kinder von fünf bis 19 Jahren fast verdoppelt. Im Vergleich zu 1975 sind heute zehnmal so viele Mädchen und zwölfmal so viele Buben übergewichtig.

Besonders betroffen von Unter- und Fehlernährung sind Kinder und Jugendliche der ärmsten und am meisten benachteiligten Gemeinschaften. In den ärmeren Haushalten nimmt nur jedes fünfte Kleinkind zwischen sechs Monaten und zwei Jahren die nötige abwechslungsreiche Nahrung zu sich, die es für ein gesundes Wachstum braucht. Auch in wohlhabenden Ländern wie Großbritannien ist der Anteil der übergewichtigen Kinder in den ärmsten Regionen mehr als doppelt so hoch wie in den reichsten Gebieten.

Wichtig für körperliche und geistige Entwicklung

Fast zwei Drittel der Kleinkinder zwischen sechs Monaten und zwei Jahren erhalten nicht die richtigen Lebensmittel, um ihre körperliche und geistige Entwicklung zu fördern, so der Bericht. Somit besteht die Gefahr, dass sich ihr Gehirn nicht gut entwickeln kann und sie später Lernschwierigkeiten haben werden, so UNICEF. Das Immunsystem der Kinder sei geschwächt, wodurch sich das Risiko für Infektionskrankheiten erhöht, die in vielen Fällen sogar zum Tod führen.

„Trotz aller technologischen, kulturellen und sozialen Fortschritte in den letzten Jahrzehnten haben wir eine grundlegende Tatsache aus den Augen verloren: Wenn Kinder schlecht ernährt werden, haben sie ein schlechtes Leben“, sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore. „Millionen von Kindern ernähren sich ungesund, weil sie einfach keine andere Wahl haben. Die Art und Weise, wie wir Mangelernährung verstehen und bekämpfen, muss sich ändern: Es geht nicht nur darum, dass Kinder genug zu essen haben; es geht vor allem darum, dass sie das Richtige zu essen haben.“

„Unangemessenes Marketing“ bei Milchpulver

Die Fehlernährung beginnt bereits im Babyalter. Nur etwa 42 Prozent aller Kinder unter sechs Monaten werden ausschließlich gestillt, und eine wachsende Zahl an Babys wird mit Milchpulver gefüttert. In Ländern mit mittlerem Einkommen wie Brasilien, China und der Türkei hat der Verkauf von Babymilchpulver zwischen 2008 und 2013 um 72 Prozent zugenommen. Die Gründe sind laut UNICEF „unangemessenes Marketing“ sowie schwache Programme, um das Stillen zu fördern.

Auch wenn rund um das Alter von sechs Monaten damit begonnen wird, dass Kinder feste Nahrung zu sich zu nehmen, erhalten viele von ihnen die falsche Beikost. Im weltweiten Durchschnitt bekommen fast 45 Prozent der Kinder zwischen sechs Monaten und zwei Jahren weder Obst noch Gemüse zu essen. Fast 60 Prozent essen weder Eier noch Milchprodukte noch Fisch und Fleisch.

Die Rolle der Klimakrise

Der Bericht von UNICEF zeigt auch, dass klimabedingte Naturkatastrophen schwere Ernährungskrisen zur Folge haben können. Dürren sind für 80 Prozent der Beschädigungen und Verluste in der Landwirtschaft verantwortlich. Das hat dramatische Auswirkungen darauf, welche Lebensmittel Kindern zur Verfügung stehen, sowie auf die Qualität und Preise dieser Lebensmittel.

„Wir verlieren Boden beim Kampf um gesunde Ernährung“, sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Fore. „Das ist kein Kampf, den wir alleine gewinnen können. Regierungen, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft müssen die Ernährung von Kindern priorisieren und zusammenarbeiten, um die Ursachen von ungesunder Ernährung in all ihren Formen anzugehen.“