Die brennende Metrostation in Santiago (Chile)
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Proteste gegen Metropreise

Chiles Präsident zieht Reißleine

Chiles Staatschef Sebastian Pinera hat nach wütenden Protesten eine Erhöhung der Ticketpreise für die Metro der Hauptstadt Santiago rückgängig gemacht. „Ich habe die Stimme meiner Mitbürger gehört“, sagte der Präsident am Samstagabend (Ortszeit) bei einer Ansprache. Bei den anhaltenden Protesten starben in der Nacht drei Menschen.

Sie kamen Behördenangaben zufolge in einem brennenden Supermarkt in Santiago, der in der Nacht auf Sonntag geplündert wurde, ums Leben. Zwei Menschen waren sofort tot, ein drittes Opfer erlag im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen, wie Bürgermeisterin Karla Rubilar vor Journalisten sagte.

Nach erneuten Brandanschlägen auf U-Bahn-Stationen war am Samstag eine Ausgangssperre in der chilenischen Hauptstadt verhängt worden. Die Proteste hatten sich vor knapp einer Woche entzündet, als die Fahrpreise der U-Bahn von 800 auf 830 Pesos angehoben wurden – umgerechnet eine Erhöhung von vier Euro-Cent. Bereits im Jänner waren die Preise erhöht worden.

Proteste in Vaparaiso (Chile)
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Die Proteste weiteten sich von der Hauptstadt auch auf andere Orte aus – in Valparaiso wurden Barrikaden errichtet

Protestwelle weitete sich aus

Die Ausgangssperre, die erste in Chile seit Wiederherstellung der Demokratie 1990, sollte von 22.00 bis 7.00 Uhr (Ortszeit) in Santiago de Chile und Umgebung gelten. Nach ersten Zusammenstößen am Freitag gab es auch am Samstag heftige Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Tausende Chilenen zogen zunächst friedlich durch Santiago und andere Städte – auch um ihrem Ärger über wirtschaftliche und soziale Probleme und die große Kluft zwischen Arm und Reich Luft zu machen.

Später kam es zu Zusammenstößen unter anderem vor dem Präsidentenpalast in Santiago. In der Hauptstadt wurden am Samstag erneut U-Bahn-Züge und Busse in Brand gesetzt. Die Protestwelle weitete sich auf Valparaiso, Concepcion und Vina del Mar aus. In der Hafenstadt Valparaiso setzten Demonstranten den Sitz der Tageszeitung „El Mercurio“ in Brand.

Ausnahmezustand verhängt

Neben der Fahrpreiserhöhung in Santiago hat auch eine landesweite Erhöhung der Stromtarife den Unmut der Bevölkerung angeheizt. In verschiedenen Stadtteilen hatten Demonstranten Barrikaden errichtet, es gab Zusammenstöße mit der Polizei. Diese setzte Wasserwerfer und Tränengas ein. Präsident Pinera hatte nach der Verhängung des Ausnahmezustands auch das Militär beauftragt, für Sicherheit zu sorgen.

Die brennende Metrostation in Santiago (Chile)
APA/AFP/Javier Torres
Eine brennende Metrostation in Santiago

Bei den schweren Ausschreitungen vom Freitag sind nach Angaben Pineras 78 U-Bahn-Stationen zerstört oder beschädigt worden. Ein Vertreter der U-Bahn-Verwaltung schätzte die Schäden auf 200 Mio. Dollar (180 Mio. Euro), zuletzt war offiziell von umgerechnet lediglich 630.000 Euro die Rede gewesen. Der gesamte U-Bahn-Verkehr auf dem etwa 140 Kilometer langen Streckennetz wurde eingestellt.

Über 300 Festnahmen

Es sei nicht zu erwarten, dass der Dienst am Montag wieder aufgenommen werden könne, erklärte eine Sprecherin des Unternehmens. Insgesamt wurden nach Polizeiangaben am Freitag 308 Menschen festgenommen und 156 Polizisten verletzt. In Santiago wurde der Unterricht an Schulen für Montag ausgesetzt. Fußballspiele und Konzerte wurden in der Hauptstadt am Wochenende vertagt. Kaufhäuser blieben größtenteils geschlossen.

Es waren die schwersten Krawalle seit Jahren in Chile, das als eines der stabilsten Länder Lateinamerikas gilt. Chile hat das höchste Pro-Kopf-Einkommen in Lateinamerika. Das Wirtschaftswachstum wird in diesem Jahr auf 2,5 Prozent geschätzt, die Inflation liegt bei lediglich zwei Prozent. Angesichts steigender Gesundheits- und Lebenshaltungskosten, niedriger Pensionen und sozialer Ungleichheit ist die Frustration aber groß.