Freiwillige Helferin am Strand
APA/AFP/Antonello Veneri
Regierung zögerte

Brasilien kämpft gegen mysteriöse Ölpest

Brasilien wird seit zwei Monaten von einer mysteriösen Ölpest heimgesucht. An mehr als 200 Stränden im Nordosten des Landes wurde Öl angeschwemmt. 600 Tonnen wurden bereits eingesammelt – zu einem Gutteil von Privatpersonen und NGOs. Präsident Jair Bolsonaro wird vorgeworfen, viel zu spät reagiert zu haben. Und es ist vollkommen unklar, woher das Öl stammt.

Als im September die ersten Ölklumpen angeschwemmt wurden, reagierte die ultrarechte Regierung Bolsonaro kaum. Der Präsident meinte lapidar, dass das Öl dort wohl widerrechtlich ausgekippt worden sein. Bemühungen zur Bekämpfung gab es zunächst wenige. Als immer mehr Strände verschmutzt waren, oblag es zunächst den Kommunen, NGOs und Privatpersonen, gegen die Ölpest zu kämpfen. Der Fußballclub EC Bahia bestritt diese Woche sein Ligamatch mit schwarzen Flecken auf den Trikots, um auf die Ölpest aufmerksam zu machen.

Bilder von Menschen, die ölige Klumpen in Mistsäcke packten, gingen in den Sozialen Netzwerken um die Welt. Langsam stieg der Druck auf Bolsonaro, der ja auch im Falle der riesigen Brände im Amazon-Urwald sich erst vor Kurzem Untätigkeit im Umweltfragen hatte vorwerfen lassen müssen. Umweltminister Ricardo Salles stritt unterdessen mit der Umweltorganisation Greenpeace, statt Taten zu setzen.

Freiwillige Helfer am Strand
APA/AFP/Leo Malafaia
Viele Privatpersonen beteiligen sich an den Arbeiten an den Stränden

Soldaten zur Hilfe abkommandiert

Mittlerweile wurden mehr als 600 Tonnen Öl und verschmutzter Sand eingesammelt, die Hälfte davon durch Experten des halb staatlichen Ölkonzerns Petrobras, die Hälfte durch private Initiativen. Erst vor wenigen Tagen kündigte Vizepräsident Hamilton Mourao an, 5.000 Soldaten zu Hilfe zu schicken, um die Regierungsmaßnahmen „sichtbarer“ zu machen. Die betroffenen Küstenzonen erstrecken sich über eine Länge von bis zu 2.000 Kilometer. Mit Ölsperren ist dem Problem nicht beizukommen, da das Rohöl nicht an der Wasseroberfläche schwimmt, sondern in zähflüssigen Klumpen angeschwemmt wird.

Die entstandenen Schäden sind bisher nicht abzuschätzen. Bisher ist von mehreren toten Meeresschildkröten die Rede, auch ein verendeter Delfin ist in Zeitungsbildern zu sehen. Mehr als 140.000 Fischer sind in den Regionen laut der Tageszeitung „Folha de S. Paulo“ betroffen. Ihnen wurde von der Regierung bereits Entschädigungen zugesagt.

Ölverklebte Krabbe
Reuters/Diego Nigro
Eine ölverschmierte Krabbe

Bolsonaro vermute Sabotage von Ölfeldauktion

Bolsonaro beschuldigte mittlerweile Venezuela, für die Ölpest verantwortlich zu sein. Die rechte Regierung von Brasilien und das linke Regime von Nicolas Maduro in Venezuela liegen seit Längerem im Clinch. Bolsonaro blieb aber weitere Antworten schuldig. Vermutet wurde, er warte auf einen Beweis für die Schuld Venezuelas – und habe auch deswegen mit den Aufräumarbeiten so lange gezögert.

Zuletzt vermutete Bolsonaro wieder einen kriminellen Akt, um eine Anfang November anstehende Auktion eines Ölfelds zu desavouieren. „Diese Frage steht jedenfalls im Raum“, sagte er. Bei der Auktion soll Brasilien ein Deal in der Höhe von 50 Milliarden Dollar winken.

Öl stammt wohl aus Venezuela

Rätselhaft ist immer noch, woher das Öl stammt – und solange die Quelle für die Verschmutzung nicht gefunden ist, ist auch kein Ende der Umweltkatastrophe in Sicht. Die staatliche Umweltagentur IBAMA wie auch Petrobras gaben nach Untersuchungen an, das Öl würde nicht aus brasilianischer Produktion stammen. IBAMA-Chef Eduardo Bim sagte bei einer Senatsanhörung vergangene Woche, das Öl würde wohl tatsächlich aus Venezuela stammen. Allerdings könne man nicht sagen, dass Venezuela auch die Verantwortung trage.

Ölteppich
Reuters/
Kein klassischer Ölteppich, aber größere Mengen verklumptes Öl, hier in Maragogi im Bundesstaat Alagoas

Ursprung völlig unklar

Mittlerweile kursieren mehrere Theorien, woher das Öl stammen könne. Vermutet wurde etwa, dass es von einem gesunkenen Schiff stammen könnte. Ein Ölteppich vor Kalifornien 2002 wurde etwa von einem Schiff verursacht, das fast 50 Jahre zuvor gesunken war. Das 1944 gesunkene deutsche Frachtschiff „Rio Grande“ wurde ins Gespräch gebracht. Gegen eine solche Theorie spricht die Menge des Rohöls.

Wahrscheinlicher ist, dass die Verschmutzung durch ein Umladen von einem Schiff auf ein anderes passiert sein könnte. Die brasilianischen Behörden tappen allerdings im Dunkeln. Erst diese Woche hieß es, die brasilianische Marine würde zunächst 30 Schiffe, die sich in den vergangenen Wochen in der Nähe befunden hatten, untersuchen. Ganz ausschließen kann man aber auch nicht, dass das Öl von einem Schiff stammt, das, um kriminelle Machenschaften zu tarnen, sein automatisches Identifikationssystem ausgeschaltet hatte und damit kaum nachverfolgbar unterwegs war.