Jermemy Corbyn
Reuters/Henry Nicholls
Neuwahlvorschlag

Opposition stellt Johnson Bedingungen

Während die EU am Freitag über eine Verschiebung des Brexits berät, wird in der britischen Innenpolitik über den Neuwahlvorschlag von Premier Boris Johnson diskutiert. Die Opposition zeigt sich zwar großteils bereit für eine Neuwahl – doch stellt sie Bedingungen. So forderte etwa Labour eine „ausdrückliche Verpflichtung“, einen „No Deal“-Brexit auszuschließen.

„Ohne Wenn und Aber“ wollte Johnson am 31. Oktober mit Großbritannien aus der EU austreten – davon ist in London mittlerweile nicht mehr die Rede. Am Freitag sagte Finanzminister Sajid Javid der BBC, dass man die von Johnson gesetzte Deadline wohl nicht einhalten werde, weil „alle eine Verschiebung erwarten“. Jetzt gehe es vor allem darum, den Brexit in die Wege zu leiten und sich auf eine Wahl vorzubereiten, so Javid. Eine für Anfang November geplante Präsentation des Budgets werde verschoben, kündigte Javid an.

Schon am Donnerstag reagierte Labour-Chef Jeremy Corbyn eher zurückhaltend, was den Vorschlag Johnsons, am 12. Dezember zu wählen, anbelangt. Am Freitag wurde Labour konkreter: Labour-Schatteninnenministerin Diane Abbott sagte, dass man „bereit für eine Wahl“ sei, aber man müsse erst wissen, welche Art von Brexit-Verschiebung die EU anbiete. Und: Es müsse eine „ausdrückliche Verpflichtung“ geben, dass „der ‚No Deal‘-Brexit vom Tisch“ sei, so Abbott. „Das könnte weitere Gesetze bedeuten, ich bin mir da nicht sicher – aber wir müssen uns absolut sicher sein können“, sagte sie gegenüber der BBC.

Jermemy Corbyn
Reuters/Henry Nicholls
Die Labour-Partei von Jeremy Corbyn forderte Zugeständnisse von Johnson

Andere Parteien wollen EU-Entscheidung abwarten

Bei den Liberaldemokraten zeigte man sich ebenfalls eher skeptisch, was einen Neuwahlantrag anbelangt. Parteichefin Jo Swinson sagte, sie wolle keine Wahl unterstützen, bis ein „No Deal“-Brexit vom Tisch ist. Die BBC schreibt, dass sie auch abwarten will, was die EU zu einer Verschiebung sagt. Die Liberaldemokraten bevorzugen ein zweites Referendum – würden aber prinzipiell auch einer Neuwahl zustimmen.

Auch die schottische SNP ist zwar prinzipiell für eine Neuwahl, sogar zu einem früheren Termin als Johnson. Sie übt aber scharfe Kritik am Premier. Der SNP-Fraktionsführer in London, Ian Blackford, sagte, Johnson solle aufhören „Spiele zu spielen“, schreibt der „Guardian“. Er wolle erst die Zusage von der EU für eine Verschiebung der Austrittsfrist und warf Johnson vor, dass er diesen Prozess aufhalte, indem er eine Neuwahl in Aussicht stellt.

Ian Blackford
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Ian Blackford von der SNP kritisierte Johnson scharf

Unsicherheit vor Entscheidung der EU

Und tatsächlich mehrten sich am Freitag die Gerüchte, dass die EU zwar einer Verlängerung zustimmen werde, aber sich möglicherweise nicht gleich auf ein Datum festlegen könnte. Im Raum stehen jedenfalls mehrere Varianten, die von einer kurzen Verlängerung um wenige Wochen bis zu einem neuen Austrittsdatum Ende Jänner reichen sollen.

Am Freitag traten die Botschafterinnen und Botschafter der restlichen EU-Staaten in Brüssel zusammen, um über die weitere Vorgehensweise zu beraten. Gegenüber Reuters sagte ein ranghoher Vertreter der EU, dass man womöglich einer Verschiebung nur grundsätzlich zustimmen wolle. Die Entscheidung über ein genaues neues Datum für den Austritt werde aber wohl bis nächste Woche offenbleiben. Man wolle nun offenbar den Montag und die Ereignisse im britischen Parlament abwarten.

Britisches Unterhaus will am Montag entscheiden

Denn schon dann könnte Johnsons in Aussicht gestellter Neuwahlantrag im Unterhaus landen, wie der Fraktionschef seiner Torys, Jacob Rees-Mogg, ankündigte. Um den Antrag durchzubringen, braucht dieser im Parlament jedoch eine Zweidrittelmehrheit.

Sollte Labour ablehnend bleiben, könnte das eine Neuwahl effektiv blockieren. Schon am Donnerstag hieß es, dass man den Abgeordneten gesagt habe, sie sollen einen Neuwahlantrag entweder ablehnen oder sich ihrer Stimme enthalten. Um die rund 430 Stimmen, die Johnson für die Zweidrittelmehrheit benötigt, zu erlangen, müssten sich sehr viele Labour-Abgeordnete dieser Parteilinie widersetzen. Damit werden die kommenden Tage für die Neuwahlpläne wohl entscheidend – ohne der Opposition entgegenzukommen, könnte es für Johnson eng werden.

Verwaltung sieht Engpass bei Wahllokalen

Doch nicht nur die Regierung, auch die Verwaltung kämpft offenbar mit den Plänen. Laura Lock vom Verband der Wahladministratoren sagte der BBC, dass der 12. Dezember einen Engpass bei den Wahllokalen mit sich bringen könnte. „Das Hauptproblem im Dezember ist, dass viele Wahllokale bereits gebucht sind.“ Auch die Unsicherheiten beim Termin seien problematisch: Es stehe bisher nicht einmal fest, dass die Wahl an einem Donnerstag – wie in Großbritannien üblich – stattfinden werde, so Lock.

Briten müssen bei Verschiebung EU-Kommissar stellen

Im Falle einer mehrmonatigen Verschiebung des Brexits müssen die Briten wohl noch einmal einen neuen EU-Kommissar benennen. Die gewählte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, das gelte, falls Großbritannien zum Amtsantritt ihres Teams noch EU-Mitglied sei.

Unterdessen hat der scheidende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Donnerstag bei einer Veranstaltung des European Policy Centre in Brüssel scharfe Kritik am Brexit geübt. „Der Brexit ist eine Schande und das schwierigste Problem, das uns je begegnet ist. Ich glaube nicht, dass der Brexit im Interesse Großbritanniens ist oder der Europäischen Union, wir werden alle den Preis zahlen“, so Juncker.