Violetter Seeigel
AP/Gillian Flaccus
10.000 Prozent mehr

Seeigel belagern US-Westküste

Purpurfarbene Seeigel sind vor der US-Westküste zu einer millionenfachen Plage geworden. Die stacheligen Tiere fressen die Seetangwälder auf und rauben ganzen anderen Tierarten die Nahrung. Eine Idee, die Invasion zu stoppen, gibt es.

Dutzende Millionen gefräßiger Purpurseeigel sind seit Jahren ein großes Problem an der kalifornischen Küste. Dort haben sie bereits große Teile der Seetangwälder vernichtet. Jetzt breiten sie sich weiter nördlich nach Oregon aus. Sie wirbeln dabei das Ökosystem so stark durcheinander, dass andere Tierarten mittlerweile vom Aussterben bedroht sind.

Laut der Nachrichtenagentur AP wurden bei einer aktuellen Zählung in einem einzigen Riff vor Oregon 350 Millionen Purpurseeigel gezählt. Das ist ein Anstieg von 10.000 Prozent seit 2014. In Nordkalifornien sind mittlerweile 90 Prozent der Seetangvorkommen vernichtet – möglicherweise für immer. Seetang ist eine wichtige Nahrungsquelle für viele Meerestiere. Der Meeresboden ist dort ausschließlich von den Purpurseeigeln bedeckt.

In Oregon waren die Seetangwälder einst teilweise so dicht, dass man mit Booten nicht durchfahren konnte. In Kalifornien gibt es deshalb keine Bestände des roten Seeohrs und des roten Seeigels, beides bisher begehrte Fischereiprodukte, mehr.

Violetter Seeigel
AP/Terry Chea
Ein Behälter mit gefangenen Seeigeln

„Es sind einfach zu viele“

Laut Scott Groth von Oregons Fisch- und Naturministerium können die Tiere nicht einfach getötet werden. „Es sind einfach zu viele. Ich weiß nicht, was wir tun können.“

Die explodierende Purpurseeigelpopulation ist nur das letzte Symptom dafür, dass das Ökosystem an der pazifischen Nordwestküste aus dem Gleichgewicht geraten ist. Der Seetang litt zuvor bereits unter überdurchschnittlich hohen Wassertemperaturen. Und 2013 raffte ein mysteriöser Virus Dutzende Millionen Seesterne dahin. Unter ihnen war auch die Spezies des Sonnenblumenseesterns. Er ist der einzige Räuber des Purpurseeigels. Etwa zur gleichen Zeit hatten die Purpurseeigel zwei Jahre lang ungewöhnlich starken Nachwuchs.

Er habe schon mehrere wirklich große Fluktuationen bei den Populationen von Seesternen und Seeigeln gesehen. „Aber noch nie in diesem Ausmaß.“

Küste von Greenwood State Beach in Kalifornien
AP/Terry Chea
Oberflächlich betrachtet scheint alles in Ordnung, doch das maritime Ökosystem an der US-Pazifikküste ist aus dem Gleichgewicht

Wohl Zusammenhang mit Klimaveränderung

Die Wissenschaft ist sich noch nicht sicher, ob die Klimakrise für die starke Zunahme der Zahl der Purpurseeigel verantwortlich ist. Das Gros der Forscherinnen und Forscher geht aber davon aus, dass diese für die Abfolge der Ereignisse, die den Boom auslöste, verantwortlich ist.

Neben dem ökologischen gibt es längt auch einen ökonomischen Schaden: das rote Seeohr und der rote Seeigel (er ist größer und hat mehr Fleisch, Anm.) waren wichtiger Bestandteil der Fischereiausbeute in Kalifornien wie in Oregon. Aber 96 Prozent des roten Seeohrs sind bereits von Kaliforniens Küste verschwunden. Dort wurde der Fang von Seeohren bereits ganz eingestellt. In Oregon wurden die 300 Lizenzen dafür für drei Jahre ausgesetzt. Für die kleineren Fischerorte sei das ein „riesiger wirtschaftlicher Verlust“, so Cynthia Catton von der Universität von Kalifornien.

Ein violetter Seeigel wird aufgeschnitten
AP/Terry Chea
Seeigelrogen gilt etwa in Japan als Spezialität

Von der Plage zur Chance?

Auch die Purpurseeigel finden mittlerweile teils keine Nahrung mehr. Das löst aber das Problem nicht, denn die Tiere können in einen Ruhezustand wechseln, in dem sie jahrelang ohne Nahrung überleben. Und in diesem Notzustand schrumpfen die essbaren Teile des Seeigels, sodass es geschäftlich uninteressant wird, ihn zu fangen.

Delikatesse Seeigel

Auch in Europa, beispielsweise auf Sardinien oder Sizilien, sind Seeigel beliebt – etwa als Vorspeise. Sie können es geschmacklich mit Muscheln aufnehmen.

Eine Idee lautet daher, die Purpurseeigel, die sich im Ruhezustand befinden, aufzusammeln und sie in geschlossene Meerwasserfarmen zu verfrachten. Dort könnten sie gemästet und als Delikatesse verkauft werden. Das Unternehmen Urchinomics (sea urchin heißt Seeigel auf Englisch, Anm.) arbeitet in Kalifornien, aber auch in Japan und Kanada bereits an solchen Projekten. „Wir machen aus einem ökologischen Problem eine ökologische und wirtschaftliche Chance“, zeigt sich Firmenchef Brian Takeda überzeugt.

Experte warnt vor Illusionen

Steven Rumrill von Oregons Umweltbehörde spricht sich für das „Ernten“ von Seeigeln aus. Aber dass damit alle Probleme, insbesondere die Vernichtung des Seetangs, gelöst werden können, glaubt er nicht. Es sei wohl eine interessante Technik. Aber man dürfe sich nichts vormachen. Es werde nicht gelingen, dieses riesige ökologische Problem zu lösen, „indem wir uns freiessen“. Dafür sei das Problem „einfach zu groß“.