Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer vor Bundeswehr-Soldaten
APA/AFP/dpa/Michael Kappeler
Szenario für Syrien

Deutschland rechnet mit 2.500 Soldaten

Das deutsche Verteidigungsministerium überlegt, wie der Vorschlag einer internationalen „Schutzzone“ in Syrien umgesetzt werden kann. Im Fall der Einigung auf eine solche Zone wolle man ein „komplettes Paket“ bereitstellen – doch das Konzept stößt auch innerhalb Deutschlands auf Skepsis. Die USA, die ihren Abzug aus Syrien verkündet hatten, wollen unterdessen doch ein begrenztes Kontingent im Land belassen – um die Ölfelder zu bewachen.

Der „Spiegel“ berichtete am Freitag vorab, die deutsche Bundeswehr könnte bei einem möglichen Syrien-Einsatz etwa 2.500 Soldaten stellen. Die Militärplaner im Verteidigungsministerium hätten für Ressortchefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) grob überschlagen, was sie den europäischen Partnern anbieten könnte, sollte ihr Vorschlag einer internationalen „Schutzzone“ umgesetzt werden. Die Militärs gingen dabei von einem Szenario aus, wonach eine solche Zone in Sektoren von etwa 40 Kilometer Breite und 30 Kilometer Tiefe aufgeteilt würde.

In einem der Sektoren könnten die Deutschen als „Rahmennation“ die Führung einer internationalen Truppe übernehmen und dafür selbst drei robuste Kampfbataillone stellen, berichtete das Magazin weiter. Die Militärplaner sprechen von einem „kompletten Paket“, das sie bereitstellen würden: Aufklärer, Spezialeinheiten, Boxer-Radpanzer, schwere Bewaffnung, Panzerhaubitzen, Pioniere, Minenräumer.

Soll für zwei Jahre begrenzt sein

Auch eine Luftunterstützung für die eigene Truppe werde bedacht, sowohl die Aufklärung mit Tornado-Kampfflugzeugen als auch eine bewaffnete Komponente mit Eurofightern. In zwei Bereichen allerdings wäre sie wohl auf Hilfe angewiesen: bei Hubschraubern und der Sanitätsversorgung.

Bisher zog die deutsche Bundeswehr meist auf unbegrenzte Zeit in einen Einsatz. Für das Szenario in Syrien sei aber vorgeschlagen worden, sich am Beispiel der Niederlande zu orientieren und den Einsatz von vornherein auf zwei Jahre zu begrenzen. Danach müssten andere Nationen einspringen. So lange aber könne die Bundeswehr einen Einsatz durchhalten, ohne ihre bisherigen Verpflichtungen zu vernachlässigen, berichtete das Magazin aus den Planungen des Verteidigungsministeriums.

Deutscher Außenminister gegen „theoretische Diskussion“

Einig ist man sich in der deutschen Regierung aber nicht, was den Vorschlag einer internationalen „Schutzzone“ betrifft. Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) äußerte sich im ZDF erneut skeptisch. „Außerhalb von Deutschland diskutiert im Moment kein Mensch über Schutzzonen, sondern die diskutieren darüber: Wie kriegen wir eine Waffenruhe hin?“ Es sei jetzt keine Zeit für eine solche „theoretische Diskussion“. Stattdessen nannte Maas drei Punkte, die jetzt vorrangig geklärt werden müssten: Der erste Punkt sei eine dauerhafte Waffenruhe.

Ein russischer Militärkonvoi auf dem Weg in die syrische Stadt Kobane
APA/AFP
Ein russischer Militärkonvoi auf dem Weg in die syrische Stadt Kobane

Der zweite Punkt sei humanitäre Hilfe sowie humanitärer Zugang für die 300.000 durch den türkischen Einmarsch vertriebenen Menschen. Der dritte Punkt sei die Suche nach einer politischen Lösung für Syrien insgesamt unter Führung der Vereinten Nationen. Maas trifft am Samstag den türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu in Ankara. Im Vorfeld forderte er einen Rückzug der Türkei aus den Kurdengebieten Nordostsyriens. Der türkische Einmarsch sei „nicht völkerrechtlich legitimiert“. Auch müssten die 300.000 Menschen, vorwiegend Kurden, die durch das türkische Vorgehen vertrieben wurden, „wieder in die Gebiete zurückgehen können, die ihre Heimat sind“. Darüber „muss man mit der Türkei reden“, so Maas.

Contra aus Ankara

Cavusoglu hatte sich allerdings schon Einmischungen von deutscher Seite verbeten. „Ich freue mich auf Deinen Besuch in der Türkei“, schrieb zwar Cavusoglu auf Twitter. „Aber nicht mit erhobenem Zeigefinger. Wer die Türkei belehrt, muss mit einer entsprechenden Antwort rechnen.“ Cavusoglu deutete auch an, dass Maas den Besuch auch plane, um innenpolitisch zu punkten. Umfragen zeigten, dass „sie“ (die SPD) in Umfragen zurückgefallen sei. „Wir wollen uns nicht in Deutschlands innenpolitische Angelegenheiten einmischen, aber wenn sie versuchen, innenpolitische Probleme zu beheben, indem sie die Türkei angreifen oder kritisieren, können wir das nicht akzeptieren“, so Cavusoglu.

In Syrien geht auch das Tauziehen um eine Lösung weiter und damit auch der russische Einsatz in dem Bürgerkriegsland. Russland und die Türkei hatten sich am Dienstag darauf verständigt, dass die kurdische Miliz YPG aus dem Gebiet abziehen muss. Zudem wurde die vereinbarte Feuerpause für die Region um sechs Tage verlängert. Nun wurden rund 300 zusätzliche russische Militärpolizisten nach Syrien verlegt, wie das Verteidigungsministerium in Moskau am Freitag mitteilte. Sie sollen in Nordsyrien patrouillieren und dabei helfen, dass sich die kurdischen Einheiten mit ihren Waffen wie vereinbart aus dem 30 Kilometer breiten Streifen an der Grenze zur Türkei zurückzögen, zitierte die Agentur Interfax das Ministerium.

USA wollen Panzer schicken

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will in dem Gebiet eine „Sicherheitszone“ einrichten und dort zwei Millionen Flüchtlinge ansiedeln. Die Türkei hat rund 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen, die vor dem seit mehr als acht Jahren währenden Krieg im Nachbarland geflohen sind. Der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zufolge drängt die Türkei syrische Flüchtlinge dazu, auf syrisches Gebiet zurückzukehren.

Durch die Einigung mit Russland kehren nun auch syrische Sicherheitskräfte in ein Gebiet zurück, das lange von den Kurden und den damals mit ihnen verbündeten US-Soldaten kontrolliert wurde. Die USA hatten kürzlich ihren Rückzug angekündigt. Doch entgegen der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump werden doch nicht alle US-Soldaten aus Syrien abgezogen. Ein verringertes Kontingent werde in dem Land bleiben, um zu verhindern, dass die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) wieder Zugang zu den Ölfeldern erlange, sagte Verteidigungsminister Mark Esper am Freitag. US-Einheiten würden dazu in der ölreichen Region Deir al-Sor, die an den Irak grenzt, Stellung beziehen. Zahlen nannte er nicht. Laut „Newsweek“ plant das Pentagon die Entsendung von 30 Kampfpanzern.

Russland besorgt über US-Soldaten bei Ölfeldern

Der IS hatte zu seinen Hochzeiten syrische Ölanlagen unter seine Kontrolle gebracht und sich so finanziert. Allein das Al-Omar-Ölfeld nahe der Grenze zum Irak bescherte der Extremistengruppe nach US-Angaben bis zu 4,5 Millionen Euro pro Monat. Allerdings wurde al-Omar wie auch andere von den Dschihadisten kontrollierte Förderanlagen schon bald durch Luftangriffe der US-geführten Anti-IS-Allianz zerstört.

Russland reagierte besorgt auf die geplante US-Präsenz an den Ölfeldern. „Wir möchten keine neuen Schwierigkeiten“, sagte der Vizeaußenminister Sergej Rjabkow. Es löse eine gewisse Besorgnis aus, dass aus den USA in Hinblick auf Syrien immer wieder unterschiedliche Signale kämen. Moskau sei alarmiert, dass dahinter der Versuch stehen könne, weiter Druck auf die „rechtmäßige Führung in Damaskus“ auszuüben. Der prominente russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschow meinte, in Wahrheit wollten die USA verhindern, dass Syrien als rechtmäßiger Eigentümer der Ölquellen Geld verdiene.