Bundespräsident Alexander Van der Bellen
ORF/Hans Leitner
Rede am Nationalfeiertag

„Im Gemeinsamen liegt oft bessere Lösung“

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat in seiner Fernsehansprache am Nationalfeiertag zum Überwinden von Gegensätzen aufgerufen. „Im Gemeinsamen liegt oft die bessere Lösung“, sagte er und forderte erneut, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen. Um diese Suche nach dem Gemeinsamen gehe es auch bei den Gesprächen zur Regierungsbildung, so Van der Bellen zur aktuellen politischen Situation.

„Wir brauchen das Aufeinanderzugehen. Wir brauchen das Verbinden vermeintlicher Gegensätze“, so Van der Bellen am Samstag. „Selbst wenn wir noch so unterschiedlicher Meinung sein mögen: Wenn es uns gelingt, dem anderen vorurteilsfrei zuzuhören, uns vielleicht auch in ihn oder sie hineinzuversetzen und zu akzeptieren, dass die Welt nicht nur aus Schwarz oder Weiß besteht, dann können wir zu einer neuen Lösung kommen, die besser für alle ist“, sagte der Bundespräsident. „Weil es eine gemeinsame Lösung ist.“ Sich miteinander an einen Tisch zu setzen und etwas auszureden sei für ihn eine „unserer österreichischen Grundtugenden“.

Für manche Probleme der Zukunft brauche man allerdings nicht nur „das Gemeinsame in Österreich, sondern das Gemeinsame in Europa und der ganzen Welt“, sagte Van der Bellen und bezog sich dabei etwa auf den Klimaschutz. Allgemein rief er dazu auf, öfter einmal auf das „entweder/oder“ zu verzichten und es durch ein „und“ zu ersetzen. „Sie werden sehen, es geht“, ermutigte das Staatsoberhaupt und nannte als Beispiele: „Wirtschaft und Klimaschutz, Freiheit und Verantwortung, Menschenrechte und Menschenpflichten.“

Miteinander reden „zum Wohl aller“

Zu Beginn seiner Rede lobte Van der Bellen erneut die österreichische Bundesverfassung. „Ich glaube, sie ist es wert, an einem Tag wie diesem einmal gewürdigt zu werden“, sagte er. Ihr Grundstein sei in den frühen Jahren der Republik gelegt worden – „von Menschen, die recht unterschiedlicher politischer Auffassung waren“, so Van der Bellen. Und obwohl es damals „wirtschaftlich dramatisch schwieriger war als heute“ und es „tiefe Gräben zwischen den politischen Lagern gab“, hätten sich die Verhandler an einen Tisch gesetzt und „trotz allem eine gemeinsame Grundlage für unsere Demokratie und unsere Republik geschaffen“.

Rede des Bundespräsidenten

Van der Bellen spricht sich dafür aus, Menschen mit anderen Meinungen vorurteilsfrei zuzuhören und die Welt nicht immer nur in Schwarz oder Weiß zu sehen. Er richtet auch einen Appell an die Regierungsverhandler.

Die Verfassung biete „gerade in Zeiten unvorhersehbarer Ereignisse Sicherheit und Orientierung“. Daher verkörpere die Entstehung der österreichischen Bundesverfassung für ihn etwas, was das „Österreichische“ im besten Sinn des Wortes ausmache. „Nämlich, dass es zum Wohl aller ist, wenn man miteinander redet“, so Van der Bellen.

Den Nationalfeiertag sieht Van der Bellen auch als Anlass, dankbar zu sein. „Ein Tag wie dieser ist eine gute Gelegenheit für uns alle, die wir das Glück haben, in Österreich zu leben, einmal kurz innezuhalten und daran zu denken, was für ein großartiges Land wir geschaffen haben – gemeinsam. Darauf können wir alle gemeinsam auch ein bisschen stolz sein“, sagte der Bundespräsident.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen gibt Autogramme
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Programm am Nationalfeiertag: Van der Bellen auf dem Heldenplatz

Gelöbnis der Rekruten

Zuvor hatte der Bundespräsident bereits ein langes Programm zum Nationalfeiertag absolviert. Mehr als 1.000 Rekruten, davon sechs Frauen, wurden auf dem Wiener Heldenplatz angelobt. Nach Reden von Verteidigungsminister Thomas Starlinger, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein und Van der Bellen legten sie ihr Gelöbnis ab. Starlinger beklagte erneut die finanziellen Nöte des Heeres. „Sicherheit und Neutralität müssen uns etwas wert sein“, sagte er.

Kanzlerin Bierlein sah den Nationalfeiertag in ihrer Rede auch als Gelegenheit zur Besinnung. „Heute steht unser Land für Freiheit, Frieden und Wohlstand und gilt international als Ort der diplomatischen Brücken und des Ausgleichs.“ Van der Bellen richtete schon bei seiner Rede auf dem Heldenplatz an die derzeit verhandelnden Parteien: „Finden Sie gemeinsam die beste Lösung für Österreich.“

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein im Haus der Geschichte
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Bierlein begutachtete die „Ostarrichi“-Urkunde

Gestartet waren die Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag zuvor im Haus der Geschichte. Bundeskanzlerin Bierlein und Mitglieder der Bundesregierung begutachteten dort die „Ostarrichi“-Urkunde, die für eine Woche ausgestellt wird. In dem Dokument ist „Österreich“ im Jahr 996 zum ersten Mal urkundlich erwähnt worden. Nach dem Besuch legte die Regierungsspitze ebenso wie Van der Bellen im Gedenken an die gefallenen Soldaten einen Kranz beim Äußeren Burgtor nieder. Im Anschluss begann in zahlreichen Institutionen, darunter auch der Hofburg und dem Bundeskanzleramt, für Besucherinnen und Besucher der Tag der offenen Tür.