Anführer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), Abu Bakr al-Bagdadi
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Berichte

IS-Anführer Bagdadi soll tot sein

Der Anführer der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), Abu Bakr al-Bagdadi, soll US-Medienberichten zufolge bei einem US-Angriff in Syrien getötet worden sein. Wie am Sonntag unter Berufung auf Regierungsvertreter berichtete wurde, war Bagdadi das Ziel eines US-Militäreinsatzes in der Provinz Idlib im Nordwesten Syriens.

Der bereits mehrfach totgesagte IS-Chef soll den Berichten zufolge eine Sprengstoffweste gezündet haben, als US-Spezialkräfte angriffen. Der Einsatz sei im Geheimen vorbereitet und von US-Präsident Donald Trump angeordnet worden sein. Wie der Fernsehsender CNN berichtete, will das US-Militär den Tod des IS-Anführers aber erst bestätigen, wenn alle Tests abgeschlossen sind.

Wie „Newsweek“ unter Berufung auf einen hochrangigen Pentagon-Mitarbeiter berichtete, soll es ein kurzes Gefecht gegeben haben, als die US-Streitkräfte das Gelände betreten hätten. Bagdadi habe sich dann mit einem Sprengstoffgürtel selbst getötet. Familienangehörige seien anwesend gewesen. Kinder seien nicht verletzt worden, aber zwei Frauen Bagdadis seien getötet worden, möglicherweise durch die Explosion.

Türkei bestätigt Einsatz

Auch aus irakischen Sicherheitskreisen hieß es, dass Bagdadi tot sein soll. Man habe eine entsprechende Bestätigung aus Syrien erhalten, sagten zwei Vertreter der irakischen Sicherheitskräfte der Nachrichtenagentur Reuters. „Unsere Quellen in Syrien haben dem Team des irakischen Geheimdienstes, das nach Bagdadi suchte, bestätigt, dass er zusammen mit seinen Leibwächtern in Idlib getötet wurde“, sagte einer der Insider. Bagdadis Versteck sei entdeckt worden, als er versucht habe, seine Familie aus Idlib heraus zur Grenze zur Türkei zu bringen.

Das türkische Verteidigungsministerium bestätigte, dass es in der Nacht zum Sonntag in Idlib einen US-Einsatz gegeben habe. Details zum Einsatz oder den Namen Bagdadis nannte das Ministerium nicht. Der Sprecher der von der Kurdenmiliz YPG angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Mustafa Bali, sprach auf Twitter von einem „erfolgreichen und historischen Einsatz“. Die YPG waren im Kampf gegen den IS ein wichtiger Verbündeter der USA. Mit dem Abzug amerikanischer Truppen aus Nordsyrien, der den Weg frei gemacht hatte für die türkische Offensive gegen die YPG, schien dieses Bündnis allerdings zu brechen.

Trump: „Etwas sehr Wichtiges passiert!“

Damit im Zusammenhang könnte eine angekündigte Pressekonferenz des Weißen Hauses stehen. Trump will sich am Sonntag um 9.00 Uhr (Ortszeit, 14.00 Uhr MEZ) im Weißen Haus äußern, teilte der Vizesprecher des Weißen Hauses, Hogan Gidley, in Washington mit. Einzelheiten nannte er allerdings nicht. Trump hatte zuvor im Kurzbotschaftendienst Twitter geschrieben: „Gerade ist etwas sehr Wichtiges passiert!“ Einzelheiten verriet er nicht.

„Der unsichtbare Scheich“

Über den Aufenthaltsort Bagdadis wird schon seit Jahren gerätselt. In der Öffentlichkeit trat der IS-Anführer nur einmal auf, als er im Juli 2014 in einer Moschee im nordirakischen Mossul ein „Kalifat“ in Syrien und im Irak ausrief. Weil es von Bagdadi so wenige Aufnahmen und Lebenszeichen gibt, wurde er immer wieder der „unsichtbare Scheich“ genannt.

Führer des Islamischen Staat, Abu Bakr al-Baghdadi im Jahr 2014
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2014 trat Bagdadi in Mossul das einzige Mal öffentlich auf und rief dabei das „Kalifat“ des IS aus

Zuletzt hatte der IS im April ein Video veröffentlicht, das Bagdadi zeigen soll. Darin rief er seine Anhänger auf, den Kampf trotz des Verlusts ihres „Kalifats“ fortzusetzen. Im September rief der IS-Anführer seine Anhänger in einer Audiobotschaft zur Befreiung gefangener Kämpfer und ihrer Familien auf. Idlib ist die letzte Hochburg der Aufständischen in Syrien. Der größte Teil von Idlib steht unter der Kontrolle des syrischen Al-Kaida-Ablegers Hajat Tahrir al-Scham (HTS).

Seit 2010 an der Spitze des IS

Bagdadi wurde 1971 als Sohn einer armen Familie im zentralirakischen Samarra unter dem Namen Ibrahim Awad al-Badri geboren. Er begeisterte sich für Fußball, studierte in Bagdad Theologie und ging nach der US-Invasion 2003 als Anführer einer Dschihadistengruppe in den Untergrund. Im Februar 2004 wurde er von der US-Armee im Gefängnis von Bucca inhaftiert. Das Gefängnis im Südirak galt als „Universität des Dschihad“, da dort radikale Islamisten mit Militär- und Geheimdienstleuten des gestürzten Baath-Regimes von Saddam Hussein zusammenkamen.

Als er im Dezember 2004 aus Mangel an Beweisen freikam, schloss er sich dem Al-Kaida-Führer Abu Mussab al-Sarkawi an. Als zuerst Sarkawi und dann sein Nachfolger getötet wurden, übernahm der einstige Theologiestudent 2010 unter dem Namen Abu Bakr al-Bagdadi die Führung der Extremisten im Irak. Indem er frühere Offiziere Saddam Husseins anwarb, machte er aus seiner Guerillagruppe eine schlagkräftige Truppe und nannte sie 2014 Islamischer Staat (IS). Der IS eroberte in Syrien und dem Irak Gebiete und reklamierte weltweit Terroranschläge für sich.

Nach und nach verlor der IS jedoch sein Herrschaftsgebiet im Irak und in Syrien wieder. Offiziell galt der IS mit dem Fall seines letztes Rückzugsorts im ostsyrischen Baghus als besiegt. Noch vor wenigen Monaten ging die von den USA geführte Anti-IS-Koalition aber in einem Bericht davon aus, dass sich noch zwischen 14.000 und 18.000 IS-Angehörige im früheren Herrschaftsgebiet der Islamisten zwischen Syrien und dem Irak aufhalten sollen.