Anführer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), Abu Bakr al-Bagdadi
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USA bestätigen

IS-Anführer Bagdadi tot

Der bereits mehrfach totgesagte Anführer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), Abu Bakr al-Bagdadi, ist laut Worten von US-Präsident Donald Trump nun tatsächlich tot. Er sei Ziel einer Militäroperation in Syrien gewesen, hieß es am Sonntag. Bagdadi habe sich während eines Angriffs selbst getötet.

Der Einsatz gegen den selbsternannten „Kalifen“ sei – streng geheim – auf Anweisung Trumps vorbereitet worden, hatten vor der Bestätigung seines Todes durch Trump Sonntagnachmittag US-Medien berichtet. Die Militäroperation habe am Samstag in der nordwestsyrischen Provinz Idlib stattgefunden, hieß es.

Nachdem der Iraker bereits einige Male totgesagt worden war, wollte das US-Militär diesmal vor dem Gang an die Öffentlichkeit alle forensischen Tests abwarten. Bereits 2014, dann 2015 sowie 2017 und zuletzt im Vorjahr hatte es mehrfach Berichte gegeben, der Terrorpate sei schwer verwundet oder getötet worden.

Am Sonntag bestätigte Trump bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus in Washington den Tod des Terroristen. Tests hätten Klarheit gebracht, es gebe keine Zweifel mehr über Bagdadis Tod, sagte er – und sprach zugleich eine Warnung an verbliebene Anhänger des IS aus.

„Abu Bakr al-Bagdadi ist tot“

Bagdadi sei gestellt worden, erklärte Trump während der Pressekonferenz Sonntagvormittag (Ortszeit), anschließend habe er einen Sprengstoffgürtel gezündet, als sich nur noch er und US-Soldaten in einem Tunnel befunden hätten. „Letzte Nacht“, sagte Trump, hätten US-Kräfte die Nummer eins des weltweiten Terrors seiner Strafe zugeführt. „Abu Bakr al-Bagdadi ist tot.“

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APA/AFP/Omar Haj Kadour
Mutmaßlicher Schauplatz des Angriffs auf einen IS-Posten in Nordsyrien

Bei dem nächtlichen Einsatz von US-Spezialkräften habe es sich um eine gefährliche Mission gehandelt, unterstrich Trump. Einige von Bagdadis Leibwächtern bzw. IS-Kämpfer seien erschossen worden oder hätten sich ergeben, elf Kinder seien in Sicherheit gebracht worden. Drei Kleinkinder hätte der IS-Anführer bei sich behalten, sie seien mit ihm gestorben. Bagdadis Körper sei durch die Explosion verstümmelt worden. Auch zwei Frauen seien getötet worden, beide hätten wie der IS-Chef selbst Sprengstoffgürtel getragen, die allerdings nicht gezündet worden seien.

Der IS-Anführer sei gestorben „wie ein Hund“, „wie ein Feigling“, sagte Trump. Er sei seit Wochen unter Beobachtung von US-Kräften gestanden, zwei bis drei geplante Militäroperationen seien wieder verworfen worden, bis man nun zugeschlagen habe. Er habe die Aktion mitverfolgt, sagte Trump, ohne allerdings Details zu nennen. Der US-Präsident erklärte weiters, er habe nicht den gesamten Kongress in die Pläne eingeweiht gehabt – und begründete das mit möglichen undichten Stellen, „Leaks“, in Washington.

Trump kündigte etwas „sehr Wichtiges“ an

Wie US-Medien unter Berufung auf die Streitkräfte berichteten, soll es ein kurzes Gefecht gegeben haben, als US-Spezialkräfte ein Gelände in Idlib angriffen. Trump hatte am Wochenende mit der Nachricht erst noch zugewartet und vorerst im Kurzbotschaftendienst Twitter lediglich wissen lassen: „Gerade ist etwas sehr Wichtiges passiert!“ Einzelheiten verriet er nicht. Das Weiße Haus setzte am Sonntag für 9.00 Uhr Ortszeit in Washington (14.00 Uhr MEZ) eine Pressekonferenz an.

Türkei und Irak bestätigten US-Einsatz

Auch seitens der irakischen Sicherheitskräfte hatte es zuvor geheißen, dass Bagdadi, nach offiziellen Angaben 48 Jahre alt und seit 2010 Anführer des IS, tot sei. Man habe eine entsprechende Bestätigung aus Syrien erhalten, hieß es. „Unsere Quellen in Syrien haben dem Team des irakischen Geheimdienstes, das nach Bagdadi suchte, bestätigt, dass er zusammen mit seinen Leibwächtern in Idlib getötet wurde.“ Bagdadis Versteck sei entdeckt worden, als er versucht habe, seine Familie aus Idlib heraus zur Grenze zur Türkei zu bringen.

Das türkische Verteidigungsministerium bestätigte, dass es in der Nacht zum Sonntag in Idlib einen US-Einsatz gegeben habe. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan begrüßte den Tod Bagdadis als „Wendepunkt“. „Der Tod des Daesch-Anführers markiert einen Wendepunkt in unserem gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus“, schrieb Erdogan am Sonntag auf Twitter. Mit Daesch benutzte er eine arabische Bezeichnung für den IS.

Der Sprecher der von der Kurdenmiliz YPG angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Mustafa Bali, sprach auf Twitter von einem „erfolgreichen und historischen Einsatz“. Die YPG waren im Kampf gegen den IS ein wichtiger Verbündeter der USA. Mit dem Abzug amerikanischer Truppen aus Nordsyrien, der den Weg frei gemacht hatte für die türkische Offensive gegen die YPG, schien dieses Bündnis allerdings zu brechen.

„Der unsichtbare Scheich“

Über den Aufenthaltsort Bagdadis war bereits seit Jahren gerätselt worden. In der Öffentlichkeit trat der IS-Anführer nur einmal auf, als er im Juli 2014 in einer Moschee im nordirakischen Mossul sein „Kalifat“ in Syrien und im Irak ausrief. Weil es von Bagdadi so wenige Aufnahmen und Lebenszeichen gibt, wurde er immer wieder der „unsichtbare Scheich“ genannt.

Führer des Islamischen Staat, Abu Bakr al-Baghdadi im Jahr 2014
APA/AFP
2014 trat Bagdadi in Mossul das einzige Mal öffentlich auf und rief dabei das „Kalifat“ des IS aus

Zuletzt hatte der IS im April ein Video veröffentlicht, das Bagdadi zeigen sollte. Darin forderte er seine Anhänger auf, den Kampf trotz des Verlusts ihres „Kalifats“ fortzusetzen. Im September rief der IS-Anführer seine Anhänger in einer Audiobotschaft zur Befreiung gefangener Kämpfer und ihrer Familien auf. Idlib ist die letzte Hochburg der Aufständischen in Syrien. Der größte Teil der Region steht unter der Kontrolle des syrischen Al-Kaida-Ablegers Hajat Tahrir al-Scham (HTS).

Seit 2010 an der Spitze des IS

Bagdadi wurde 1971 als Sohn einer Bauernfamilie im zentralirakischen Samarra unter dem Namen Ibrahim Awad al-Badri geboren. Er begeisterte sich für Fußball, studierte in Bagdad Theologie und ging nach der US-Invasion 2003 als Anführer einer Dschihadistengruppe in den Untergrund. Im Februar 2004 wurde er von der US-Armee im Gefängnis von Bucca inhaftiert. Das Gefängnis im Südirak galt als „Universität des Dschihad“, da dort radikale Islamisten mit Militär- und Geheimdienstleuten des gestürzten Baath-Regimes von Saddam Hussein zusammenkamen.

Als er im Dezember 2004 aus Mangel an Beweisen freikam, schloss er sich dem Al-Kaida-Führer Abu Mussab al-Sarkawi an. Als zuerst Sarkawi und dann sein Nachfolger getötet wurden, übernahm der einstige Theologiestudent 2010 unter dem Namen Abu Bakr al-Bagdadi die Führung der Extremisten im Irak. Indem er frühere Offiziere Husseins anwarb, machte er aus seiner Guerillagruppe eine schlagkräftige Truppe und nannte sie 2014 Islamischer Staat (IS). Die Dschihadistenmiliz eroberte in Syrien und dem Irak Gebiete und reklamierte weltweit Terroranschläge für sich.

Nach und nach verlor der IS jedoch sein Herrschaftsgebiet im Irak und in Syrien wieder. Offiziell galt der IS mit dem Fall seines letztes Rückzugsorts im ostsyrischen Baghus als besiegt. Noch vor wenigen Monaten ging die von den USA geführte Anti-IS-Koalition aber in einem Bericht davon aus, dass sich noch zwischen 14.000 und 18.000 IS-Angehörige im früheren Herrschaftsgebiet der Islamisten zwischen Syrien und dem Irak aufhalten sollen.