Bodo Ramelow
APA/AFP/Christof Stache
Thüringen

Sieg mit Wermutstropfen für die Linke

Der linke Ministerpräsident in Thüringen, Bodo Ramelow, hat am Sonntag einen fulminanten Wahlsieg errungen. Erstmals errang die Linkspartei Platz eins und übersprang die 30-Prozent-Marke. Seine bisherigen Koalitionspartner in dem ostdeutschen Bundesland, SPD und Grüne, waren weniger erfolgreich – im Gegensatz zur AfD, die auf Platz zwei kam. Ramelows Mehrheit ist nun weg, eine andere Koalition nicht in Sicht.

Ramelow zog Ende 2014 als erster linker Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes in die Thüringer Staatskanzlei in Erfurt ein. Stärkste Partei war damals noch die CDU, Ramelow stellte aber eine rot-rot-grüne Koalition auf die Beine – ebenfalls die erste ihrer Art in Deutschland. Seither konnte Ramelow, geboren im westlichen Bundesland Niedersachsen, seine Popularität ausbauen und sich als Landesvater inszenieren. In Umfragen zeigten sich zuletzt fast zwei Drittel in Thüringen zufrieden mit Ramelow.

Am Sonntag errang er ein historisches Ergebnis: 30 Jahre nach dem Mauerfall gewann seine Linke, die im Osten jahrzehntelang als Protestpartei galt, mit einem Ergebnis von 31,0 Prozent erstmals eine Landtagswahl.

AfD konnte sich verdoppeln

Auf Platz zwei landete mit 23,4 Prozent die AfD mit ihrem Spitzenkandidaten Björn Höcke, gefolgt von der CDU um ihren Spitzenkandidaten Mike Mohring mit 21,8 Prozent, wie die Landeswahlleitung nach Auszählung aller Wahlkreise mitteilte.

Die SPD erreichte 8,2 Prozent, während Grüne und FDP mit 5,2 beziehungsweise fünf Prozent knapp den Einzug in den Landtag schafften. Auf die Linke entfallen demnach im neuen Landtag 29 Sitze. Die AfD bekommt 22 und die CDU 21 Mandate. Die SPD erhält acht Sitze, auf Grüne und FDP kommen jeweils fünf Mandate. Ramelows rot-rot-grüne Koalition hat damit keine Mehrheit mehr. Auf Thüringen kommt eine schwierige Regierungsbildung zu.

Grafik zeigt vorläufiges Ergebnis der Landtagswahl in Thüringen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Die Thüringer AfD gilt als eine Hochburg des „Flügels“. Die AfD-interne Gruppierung gilt als völkisch und nationalistisch. Das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz stuft den „Flügel“ als Verdachtsfall für rechtsextremistische Tendenzen ein. Landeschef Höcke gilt als Wortführer der Gruppe. Auch wenn sich die AfD in Thüringen mehr als verdoppelte, Höcke selbst bekam am Sonntag kein Direktmandat.

Drei Optionen theoretisch möglich

Ramelow ist nun an der Reihe, eine Landesregierung aufzustellen. „Ich sehe mich ganz klar bestätigt. Bei dem Zustimmungswert, den meine Partei bekommen hat, ist der Regierungsauftrag klar bei meiner Partei. Und ich werde diesen Auftrag auch annehmen“, so Ramelow am Sonntag. Doch Partner sind dafür nicht in Sicht. Im Wahlkampf hatte Ramelow nicht nur für die Linke geworben, sondern „für alle drei Parteien“, also auch SPD und Grüne. Die Umfragen hatten bereits prognostiziert, dass es keine Mehrheit für die Dreierkoalition mehr geben könnte. Dieser Fall ist nun eingetreten, Ramelow braucht einen Plan B.

 Astrid Rothe-Beinlich (Grüne), Wolfgang Tiefensee (SPD), Mike Mohring (CDU), Bodo Ramelow (Die Linke) und Bjoern Hoecke (AfD)
Reuters/Axel Schmidt
Thüringens Kandidaten: Astrid Rothe-Beinlich (Die Grünen), Wolfgang Tiefensee (SPD), Mike Mohring (CDU), Bodo Ramelow (Die Linke), Moderator Christian Müller (zweiter von rechts) und Bjoern Hoecke (AfD)

Rechnerisch wären für eine Mehrheit von 46 Mandaten drei Optionen möglich: Rot-Rot-Grün käme zusammen mit der FDP auf eine knappe Mehrheit. Ebenfalls rechnerisch eine Mehrheit hätten Linke und CDU sowie Linke und AfD. Alle Konstellationen sind jedoch politisch schwierig und sind vor der Wahl teils ausgeschlossen worden.

CDU und FDP wollen nicht mit der Linken

So hatte der CDU-Kandidat Mike Mohring eine Tolerierung von Rot-Rot-Grün oder – als politisches Novum – eine Koalition mit der Linken stets ausgeschlossen. Am Sonntag fuhr die CDU, langjährige Thüringer Regierungspartei, allerdings ihr bisher schlechtestes Ergebnis seit 1990 ein. Mohring relativierte anschließend seine Ablehnung. Das Fehlen von Mehrheiten in der Mitte verlange nach neuen Antworten, sagte er. „Zunächst heißt es, klug zu überlegen, was ist für unser Land wichtig, und wie können wir unsere Demokratie stabilisieren.“ CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak bekräftigte hingegen am Abend: „Unser Wort gilt nach den Wahlen genau wie wir es vor den Wahlen gesagt haben: Es wird keine Koalition der CDU mit der Linkspartei oder der AfD geben.“

Auch FDP-Chef Christian Lindner erteilte einer Koalition mit der Linken eine klare Absage. „Für die FDP ist eine Zusammenarbeit mit Linker und AfD ausgeschlossen, weil beide Parteien die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung in Deutschland verändern wollen.“ Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, hielt eine Koalition aus Linkspartei und CDU in Thüringen trotz allem für möglich. Nach Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses der Landtagswahl würde „selbstverständlich mit den demokratischen Parteien geredet“ werden.

Minderheitsregierung als Option

AfD-Spitzenkandidat Höcke sagte zu den Zugewinnen seiner Partei: „Das ist ein klares Zeichen der Thüringer: So geht es nicht weiter.“ Die AfD sei auf dem Weg zur gesamtdeutschen Volkspartei. „Fakt ist, die Regierung Ramelow ist abgewählt, und das ist gut für Thüringen.“

Ein möglicher Ausweg aus dem Patt könnte eine Minderheitsregierung sein. Allerdings müsste die CDU doch Rot-Rot-Grün tolerieren. Sollte gar keine Option infrage kommen, könnte Ramelow trotzdem geschäftsführend im Amt bleiben. Artikel 75 der Thüringer Landesverfassung ermöglicht dem Ministerpräsidenten und der gesamten Landesregierung, die Geschäfte bis zum Amtsantritt ihrer Nachfolger fortzuführen. Wann eine neue Regierung stehen muss, steht nicht in der Verfassung.

Debakel auch für SPD

Politiker von Linkspartei, Grünen und SPD äußerten sich entsetzt über das Abschneiden der Rechtspopulisten unter Höcke. Grünen-Chef Robert Habeck führte das mäßige Abschneiden seiner Partei auf die geringe Veränderungsbereitschaft in Ostdeutschland zurück. „In Thüringen speziell war der Wahlkampf noch Mal härter, geradezu unversöhnlich“, sagt er. „Alle demokratischen Parteien sollten miteinander gesprächsfähig sein.“

Für die SPD in Thüringen war es das zweitschlechteste Resultat bei einer Landtagswahl überhaupt. SPD-Spitzenkandidat Wolfgang Tiefensee nannte das Abschneiden „enttäuschend“. Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte in der ARD, das Ergebnis sei „natürlich nicht schön“ für seine Partei. Die Sozialdemokraten müssten nun ihre Verantwortung wahrnehmen und prüfen, was möglich sei und was nicht. Er betonte, dass die AfD nicht an einer Regierungsbildung beteiligt werden dürfe.