Filmszene aus „ORANGE IS THE NEW BLACK“
Netflix/JoJo Whilden
TV-Serien

Das Geschäft mit dem Lieblingslied

Netflix, Amazon, HBO, nun auch Apple und Disney: Die Konkurrenz auf dem TV-Streamingmarkt wächst. Einer der Nutznießer dieser Entwicklung ist die Musikindustrie. Mit der Nachfrage nach frischem Serienmaterial wächst jene nach neuer Musik.

Der perfekte Song an der passenden Stelle in der neuen Lieblingsserie: Titel und Interpretin lassen sich mit der richtigen App problemlos herausfinden. Über Musikstreamingplattformen ist das neue Lieblingslied dann binnen Sekunden auf dem Smartphone verfügbar. Der Soundtrack war schon immer bedeutender Teil von Kinofilmen und Fernsehserien. Selbiges gilt für legendäre Titelsongs, etwa Celine Dions „My Heart Will Go On“ (aus „Titanic“) oder „Boss Of Me“ der US-Indieband They Might Be Giants, bekannt aus dem Intro von „Malcolm mittendrin“.

Das größer werdende Angebot der Streaminganbieter wie Netflix, HBO, Hulu und Amazon Prime Video hat die Musiknutzung in Serien aber auf eine neue Ebene gehoben. Laut Zahlen der britischen Rechteverwertungsgesellschaft PRS ist die Zahl der TV-Serien auf Video-on-Demand-Plattformen in den vergangenen fünf Jahren um 45 Prozent gestiegen. Die Zahl der eingesetzten Musikstücke ist im selben Zeitraum um 62 Prozent gewachsen (auf 789.500).

Einnahmequelle für Musikerinnen und Musiker

Mit den Minuten kommt das Geld. In Zeiten sinkender Erlöse aus dem Verkauf physischer Tonträger sind die Einnahmen aus dem Digitalgeschäft essenziell für Musikerinnen und Musiker. Hinzu kommt der enorme Werbewert, der durch den weltweiten Vertrieb über die TV-Streamingplattformen entsteht. Von der Entwicklung profitieren nicht nur Künstlerinnen und Künstler der großen Plattenfirmen, sondern auch aus dem Indie-Bereich.

Ein gutes Beispiel ist The Cinematic Orchestra. Die britische Indie-Band schaffte es in den vergangenen Jahren gleich zweimal an die Spitze der TV Song Charts – beide Male mit dem gleichen Song. Der Grund: Der Track „To Build a Home“ wurde sowohl in der Netflix-Gefängnisserie „Orange Is the New Black“ als auch im NBC-Familiendrama „This Is Us“ verwendet. Auf Spotify ist das 2007 erschienene Lied bereits über 200 Millionen Mal gestreamt worden.

„Ich habe noch andere Songs“

Weiterer Profiteur der gestiegenen Musiknachfrage im Serienbereich ist der britische Soulsänger Michael Kiwanuka, der vor Kurzem ein neues Album veröffentlicht hat. Kiwanukas „Cold Little Heart“ war im Intro der starbesetzten HBO-Serie „Big Little Lies“ zu hören – was dem 32 Jahre alten Londoner in den USA zu Ruhm verhalf: Seine US-Tournee war in Windeseile ausverkauft, der Song hielt sich das ganze Jahr über in den Charts der App Shazam, mit der Userinnen und User Musikstücke identifizieren können.

Bei so viel Aufmerksamkeit für einen Song dürfte Kiwanuka die Angst beschlichen haben, als One-Hit-Wonder zu enden. „Ich habe noch andere Songs“, richtete er seinen Fans in einem „Guardian“-Interview aus. Mittlerweile hat es der Künstler auch mit einem zweiten Song in eine TV-Serie geschafft. „Love & Hate“ ist in der von der Kritik hochgelobten Netflix-Produktion „When They See Us“ zu hören, genauso wie ein anderer Song von The Cinematic Orchestra („All Things to All Men“).

Und: Komponistinnen und Komponisten, die sich auf Musik für Fernsehen und neue Medien spezialisiert haben, erhielten im Vorjahr um 18 Prozent mehr Lizenzgebühren als noch 2017, so die PRS. Die britische Rechteverwertungsgesellschaft erwartet in den kommenden zehn Jahren ein stetiges Wachstum, was die Lizenzgebühren betrifft.

Musiksupervisoren im Rampenlicht

Die neue Entwicklung rückt den Job des Musiksupervisors ins Rampenlicht. Bei den Emmys, dem bedeutendsten Fernsehpreis der USA, wird seit 2017 ein Preis für die beste musikalische Beratung und Auswahl vergeben. Beim Filmpreis Grammy dürfen sich Musiksupervisoren seit 2018 mit Produzenten in der Kategorie bestes Soundtrack-Album matchen. Gleich bei der Premiere konnte das Supervisorenteam hinter dem Musicalfilm „The Greatest Showman“ die Trophäe abstauben.

In der Branche wachse das Verständnis, dass die musikalische Supervision ein wichtiger Teil des Geschichtenerzählens sei, sagte der Präsident der Musiksupervisorengilde, Thomas Golubic, der „LA Times“. Nachsatz: „Diese Anerkennung ist längst überfällig.“

Hinter den Supervisoren hat sich ein kleiner Industriezweig gebildet. Zahlreiche Firmen gehen für die Supervisoren auf Talentsuche im Internet oder in Sozialen Netzwerken, nicht zuletzt aus Kostengründen. Das biete auch jungen Kunstschaffenden die Möglichkeit, ihre Tracks in Serien zu platzieren, wie der schwedische Streaminganbieter Spotify in einem Blogbeitrag betonte.