Annegret Kramp-Karrenbauer und Mike Mohring
AP/Markus Schreiber
Thüringen-Wahl

Dilemma mit weitreichenden Folgen

Die CDU, die bei der Landtagswahl im ostdeutschen Thüringen eine schwere Schlappe hinnehmen hat müssen, ist nun zerrissen zwischen Wahlversprechen und Notwendigkeit. Die Partei hatte vor der Wahl stets betont, mit der Linken, die als große Wahlsiegerin hervorging, nicht zu kooperieren. Will die CDU regieren, muss sie ihren Grundsatz nun aber aufweichen. Damit tut sie sich angesichts parteiinterner Streitereien schwer.

Am Wahlsonntag in Thüringen war schnell klar: Leicht wird eine Regierungsbildung nicht. Die Linke gewann fulminant, ihre bisherigen Koalitionspartner SPD und Grüne aber verloren, teilweise stark. Auch die CDU, bei der Wahl 2014 noch stärkste Partei und in Thüringen mehr als 20 Jahre an der Macht, stürzte ab.

Rechnerisch wären nun für eine Mehrheit von 46 Mandaten zwar drei Optionen möglich, doch keine davon schien am Sonntag realistisch. Rot-Rot-Grün, die bisherige Koalition unter dem linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, käme nur zusammen mit der FDP auf eine knappe Mehrheit. Die FDP hatte aber zuvor ausgeschlossen, mit der Linken zu koalieren. Zudem ist noch nicht einmal sicher, ob sie es in den Landtag geschafft hat. Das steht laut Thüringer Landesamt für Statistik erst fest, wenn das endgültige Wahlergebnis vorliegt, also am 7. November.

Streit in Erfurt und Berlin

Die zweite theoretische Option wäre eine Koalition zwischen Linkspartei und der in Thüringen sehr weit rechts stehenden AfD unter Spitzenkandidat Björn Höcke. Die Thüringer AfD gilt als eine Hochburg des „Flügels“. Die AfD-interne Gruppierung gilt als völkisch und nationalistisch und ist ein Verdachtsfall für den deutschen Verfassungsschutz. Die AfD verdoppelte am Sonntag ihren Stimmenanteil. Eine Koalition mit der Linken scheint aber aus ideologischen Gründen ausgeschlossen.

Grafik zeigt vorläufiges Ergebnis der Landtagswahl in Thüringen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Als dritte Option gibt es noch eine Koalition von Linkspartei und CDU. Die Christdemokraten unter Mike Mohring hatten im Wahlkampf aber wiederholt betont, die Linke nicht als möglichen Partner anzusehen, ja nicht einmal theoretisch als Minderheitsregierung zu tolerieren. Darüber ist angesichts des Wahldebakels vom Sonntag aber parteiintern Streit ausgebrochen.

Am Montag tagte der CDU-Bundesvorstand dazu. Während etliche Vertreter der CDU-Spitze bei ihren Versprechen bleiben wollen, ist der Thüringer Spitzenkandidat inzwischen anderer Ansicht. Generalsekretär Paul Ziemiak hatte bereits am Sonntag auf den Parteitagsbeschluss verwiesen, der eine Koalition sowohl mit der Linkspartei als auch der AfD ausschließt.

„Völlig unglaubwürdig“

CDU-Vize Julia Klöckner hatte gesagt: „Wenn wir mit Linkspartei und AfD koalieren würden, dann braucht es uns nicht mehr. Es gibt Momente, da ist Haltung gefragt.“ Der Thüringer Bundestagsabgeordnete Mark Hauptmann nannte die Offenheit Mohrings für ein Gespräch mit Ramelow einen „schweren Fehler“. Hauptmann sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag-Ausgaben) mit Blick auf eine mögliche Koalition mit der Linken: „Wir würden als CDU völlig unglaubwürdig.“

Bodo Ramelow
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Ministerpräsident Ramelow von der Linken gewann die Wahl, verlor aber die Koalition

Landeschef Mohring will aber Gespräche mit der Linken nicht verweigern. Mohring habe im Bundesvorstand betont, dass es gar nicht darum gehe, eine Koalition in Erfurt zu bilden, so Teilnehmer der Sitzung. Aber Mohring hatte zuvor auch gesagt, dass er Gespräche führen wolle, „ohne etwas auszuschließen“.

CDU nimmt Gesprächswunsch „zur Kenntnis“

Mohring holte sich schließlich grünes Licht für ein Gespräch mit Ramelow. Das CDU-Präsidium in Berlin habe ihm dafür das „volle Vertrauen“ ausgesprochen, sagte Mohring am Montag. Es gehe um „nicht mehr und nicht weniger“, als für solche Gespräche bereitzustehen. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte, die Partei nehme „zur Kenntnis“, dass es einen Gesprächswunsch Ramelows gebe und dass Mohring das Gespräch führen wolle. Das sei eine „parlamentarische Selbstverständlichkeit“.

Zugleich hätten das CDU-Präsidium und der Bundesvorstand per Beschluss noch einmal bestätigt, dass „die Beschlusslage des Bundesparteitags Bestand hat“, die eine Zusammenarbeit der CDU mit der Linken oder der AfD ausschließt. Der vorläufige Ausweg aus dem Dilemma: Mohring sagte, er werde mit Ramelow als Ministerpräsident sprechen, nicht aber mit der Linkspartei.

Die Querelen der CDU in Thüringen ziehen ihre Kreise bereits bis nach Berlin. Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer wurde von der eigenen Jugendorganisation als Vorsitzende infrage gestellt. Ihre innerparteilichen Kritiker forderte sie heraus, aus der Deckung zu kommen. Kramp-Karrenbauer verwies auf die „Unruhe, die wir im Moment in der Partei haben“. Diese Situation erfordere „ein Höchstmaß an Verantwortung“. Sie fügte hinzu: „Dieser Verantwortung stelle ich mich. Jeder andere, der in einem Führungsgremium der CDU ist, hat seine eigene Verantwortung und muss sich entscheiden, ob er dieser Verantwortung gerecht wird.“

Warnung vor Folgen für Regierung in Berlin

Die Debatte über die Führung der Partei sei ein Grund für das schlechte Abschneiden bei der Landtagswahl gewesen. „Beide Regierungsparteien sind im Moment mit Interna beschäftigt“ – die SPD mit der Kandidatenkür und die CDU mit „Diskussionen, die hinlänglich bekannt sind“. Die Verluste von SPD und CDU hätten „vor allem etwas damit zu tun, dass die Zusammenarbeit in der Großen Koalition nicht als positiv wahrgenommen wird, unabhängig davon, was in der Sache in der Regierung erreicht wird“, sagte sie am Montag in Berlin.

CSU-Chef Markus Söder warnte bereits, dass das schlechte Abschneiden von CDU und SPD nicht die Arbeit der Großen Koalition im Bund belasten dürfe. „Thüringen ist nicht Deutschland, aber es sind natürlich Entwicklungen, die man sehr ernst nehmen muss.“ Union und SPD stünden in der Verantwortung, Ergebnisse zu liefern, und nicht nur sich selbst zu „beweihräuchern“ oder gar zu streiten.

Bis eine Lösung gefunden ist, bleibt Ramelows rot-rot-grüne Regierung vorerst im Amt. Das sieht die Landesverfassung so vor. Er will sich im neuen Landtag bald der Wahl zum Ministerpräsidenten stellen, eine Frist dafür gibt es aber nicht. Die Linke will mit „allen demokratischen Parteien“ reden und die Optionen ausloten.

Linke will Gespräche mit allen – außer der AfD

Am Montagabend kündigte die Linke in Thüringen an, mit allen Parteien außer der AfD zu sprechen. Das beschloss der Landesvorstand bei einer Sitzung in Erfurt. Erste Gespräche mit der SPD und den Grünen soll es bereits in dieser Woche geben. „Wir haben uns auf kein Modell festgelegt und wir können das auch erst ernsthaft fokussieren, wenn wir die Gespräche geführt haben“, sagte Linke-Chefin Susanne Hennig-Wellsow. Man wolle zuerst ausloten, was geht. Ihrer Meinung nach wären Gespräche mit der CDU mit Blick auf das äußerst knappe vorläufige Ergebnis der FDP sinnvoller, wenn das amtliche Ergebnis feststehe, hieß es.